Wirtschaft

Wifo-Chef Badelt: Vorkrisen-Niveau erst nach eineinhalb Jahren

Wifo-Chef Christoph Badelt warnt davor, voreilige Schlüsse aus den vergleichsweise schlechten Wirtschaftsdaten des letzten Quartals zu ziehen.

Österreich habe als Tourismusland vor allem im Winter stärker unter der Coronakrise gelitten als andere Länder, betont der Wirtschaftsforscher - aber "abgerechnet wird am Schluss". Je nach dem, wann der Aufschwung beginnt, "wird es etwa eineinhalb Jahre dauern, bis wir von der Produktionsseite her das Vorkrisenniveau erreichen".

Neue Zahlen im März

Die für heuer zunächst prognostizierten 2,5 Prozent Wachstum werden nicht halten, bestätigte Badelt am Freitag bei der Diskussionsveranstaltung "Finanz im Dialog" in Wien. Es habe sich herausgestellt, dass der Lockdown länger dauern wird, "ich bin daher nicht sehr optimistisch, dass es zu den 2,5 Prozent kommen wird".

Im März werde man eine neue Prognose mit einer revidierten Zahl bekannt geben. "Wenn wir die Wachstumsprognose für 2021 nach unten revidieren, werden wir die für '22 nach oben revidieren", denn je stärker der Einbruch sei, desto stärker danach auch der Rebound.

Jedenfalls könne sich die Wirtschaft nur nachhaltig erholen, wenn man die Pandemie im Griff habe, also wenn die Infektionszahlen niedrig seien oder man die Infektionen wegen der Impfungen nicht mehr so fürchten müsse.

Auch andere Problembereiche

In Österreich sei der Einbruch im Winter nicht nur unmittelbar wegen des Tourismus so stark ausgefallen, sondern weil über den Tourismus auch eine Reihe von Zulieferbereichen, aber auch der Kultur- und Veranstaltungsbereich betroffen seien. Der Vergleich mit der Schweiz ist laut Badelt nur bedingt zulässig, weil die Schweiz einen sehr starken Finanzdienstleistungs-, Chemie- und Pharmaziebereich habe, die unter Corona kaum gelitten hätten.

Aber auch Tourismusländer wie Spanien, Italien oder Kroatien hätten im vierten Quartal weniger gelitten als Österreich. "Das hat sehr viel mit den ausgezeichneten Zahlen des Wintertourismus im vorigen Jahr zu tun - wir hatten eine ausgezeichnete Saison im Jänner und im Februar -, mit der guten Sommersaison, und der Absturz im vierten Quartal hat wieder damit zu tun, dass man in Spanien oder in Italien nicht wegen des Wintertourismus abstürzten kann, sondern da war man schon unten."

Ab Beginn des Wirtschaftsaufschwungs wird es etwa eineinhalb Jahre dauern, bis wieder das Vorkrisenniveau erreicht wird, glaubt Badelt. "Ursprünglich haben wir gesagt Ende '22, sollte sich der Aufschwung ein bisschen verzögern aufgrund der bekannten Maßnahmen, dann kann das schon auch Anfang '23 sein."

Längere Erholung nötig

Wie Badelt rechnet auch Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) damit, dass der Arbeitsmarkt noch deutlich länger brauchen wird, um sich zu erholen. Die teilweise Öffnung in den letzten Wochen habe bereits zu einem Rückgang der Arbeitslosigkeit geführt, "aber der Arbeitsmarkt zeichnet sich dadurch aus, dass Rezessionen oder Einbrüche etwas länger zu sehen sind - länger heißt Monate oder Jahre".

Am Arbeitsmarkt werde es deshalb bis 2024 oder sogar länger dauern, bis das Niveau vor der Krise erreicht werden kann. Wichtig seien jetzt großflächige Qualifizierungsprogramme. "Was nicht passieren darf: Dass wir gleichzeitig eine hohe Arbeitslosigkeit 2022 haben und einen Fachkräftemangel."

Die Kosten der Pandemie sind bereits enorm. Das Defizit im Bundeshaushalt habe im letzten Jahr 22,5 Mrd. Euro betragen, sagte Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP). Die Höhe der Maastricht-Verschuldung stehe noch nicht ganz fest, "da gehen wir davon aus, dass es etwas mehr als 9 Prozent sein wird. Der Staatsschuldenstand wird sich etwa um die 84 Prozent befinden, diese Rechnungen kommen dann Anfang März."

Die Kosten der Hilfsmaßnahmen seien noch schwer abzuschätzen. "Wir haben zum Beispiel insgesamt 6 Mrd. Euro an Garantien vergeben. Was wir nicht genau wissen, ist, ob diese Garantien gezogen werden." Auch wisse man noch nicht, wie viele dieser Garantien ausfallen werden.

Ähnlich sei es bei den Steuerstundungen in Höhe von rund 5,5 Mrd. Euro. "Ein Gutteil davon wird wieder hereinkommen, ein Gutteil davon nicht." Insgesamt seien 32 Mrd. Euro rechtsverbindlich zugesagt oder ausbezahlt. Bei der Kurzarbeit liege der Höchstbestand an Zusagen bei 10,7 Mrd. Euro, ausbezahlt seien mittlerweile rund 6 Mrd. Euro.

Ausgaben zurückfahren

Es sei richtig, dass der Staat jetzt Geld für Unterstützungen ausgebe, betonte Blümel. "Ich bin aber auch dafür, dass wir diese Mehrausgaben sukzessive zurückfahren, wenn absehbar ist, dass die Wirtschaft wieder einen Aufschwung erlebt." Manche Branchen, etwa die Stadthotellerie, würden aber noch länger Unterstützung brauchen.

Wifo-Chef Badelt rechnet damit, "dass es wahrscheinlich schon bis Ende der Legislaturperiode dauern wird, um das Budget wieder ins Gleichgewicht zu bringen". Erst dann könne man damit beginnen, die Staatsschulden zu reduzieren.

Eine Inflationsgefahr in den nächsten Jahren sehen weder Badelt noch Kocher. "Es gibt aus meiner Sicht im Augenblick keine ernsthafte Gefahr für Inflation", sagte Badelt. Es gebe einfach nicht mehr den "naiven Zusammenhang" zwischen Geldmengenerhöhung und Inflationsrate. Laut Kocher müsste es einen substanziellen Anstieg des Konsums geben, damit die Inflation steigt. "Massive Lohnsteigerungen wird es auch nicht so schnell geben."