Wie sich Freytag & Berndt fit für die digitale Welt macht
Der erste Besuch in einer fremden Stadt: Der Weg vom Flughafen zum gebuchten Hotel gestaltet sich ob der Unkenntnis der örtlichen Gegebenheiten als schwierig. Musste in dieser Situation früher der Stadtplan gezückt werden und umständlich bei jedem Wetter nach der richtigen Gasse und der besten Route gesucht werden, so zücken wohl die meisten heute ihr Handy und lassen sich bequem via App steuern.
Und dennoch werden noch immer Stadtkarten verkauft, wie Katharina Oppitz im KURIER-Gespräch betont. Sie ist seit Sommer des Vorjahres neue Geschäftsführerin des Wiener Fachverlags Freytag & Berndt.
Genaue Stückzahlen verrät sie zwar nicht, aber zwei Kartenvarianten zu Wien sind die Bestseller, gefolgt von Taschenkarten zu Tel Aviv, Rom und Regensburg. „Es gibt noch Menschen, die gerne mit Papier arbeiten“, sagt Oppitz. „Dass die Printkarte tot ist, glaube ich nicht.“
Wanderer etwa würden nicht gerne in der Natur ständig auf ihr Handy schauen wollen, zudem bestehe die Gefahr, dass es keinen Empfang gibt oder der Akku leer ist (Top-Seller bei Wanderkarten sind Madeira, La Palma und Julische Alpen). Auch Straßenkarten hätten noch ihre Berechtigung. „Nicht überall funktionieren Navis gut oder sind am letzten Stand.“
250 Jahre alt
Dennoch ist ihre Hauptaufgabe, den Traditionsverlag, der nächstes Jahr sein 250-jähriges Bestehen feiert, ins digitale Zeitalter zu bringen. „Da ist im Haus noch nicht viel passiert.“
Die Voraussetzungen dafür hat die 47-jährige Managerin. Nach ihrem BWL-Studium arbeitete sie zwei Jahre in New York für den Verlag Bookspan. 2005 kehrte sie dann zurück nach Wien und war als Geschäftsführerin im Springer-Verlag tätig, ehe sie 2012 in selber Funktion zum juristischen Fachverlag „Verlag Österreich“ wechselte.
Und nun Freytag & Berndt. „Wer in Österreich aufgewachsen ist, kennt den Namen. Ich selbst habe den Schulatlas gehabt und bin fast täglich im ersten Bezirk am hauseigenen Geschäft vorbeigegangen.“
Fehler erspart
Oppitz selbst liest „wahnsinnig gerne Karten, ich kann mich in Plänen richtiggehend verlieren“. Freilich ist auch ihr bewusst, dass sich das Geschäft aufgrund der technischen Gegebenheiten gewandelt hat. „Vorreiter bei der Digitalisierung sind wir sicher nicht, man hätte früher anfangen können. Vielleicht haben wir uns so aber auch ein paar Fehler erspart.“
Computerhilfe
Seit Anfang der 1990er-Jahre zeichnen die 20 Kartografen im Haus auf Computern, seit geraumer Zeit auch mithilfe von Google Maps. Der Verlag ist seit einigen Jahren auf Facebook präsent, einen Webshop gibt es auch. „Zu versteckt“, wie Oppitz findet und ihn sichtbarer machen möchte. Die Online-Verkaufszahlen seien dennoch im Steigen.
Nun baut sie ein Team aus Mitarbeitern und externen Experten auf mit dem Ziel, den Verlag digital voranzubringen. Denn das Kerngeschäft mit Karten weise keine massiven Wachstumsraten auf, „man muss daher etwas tun“.
Wander-App
Ein erstes Projekt als „Versuchsballon“ ist bereits seit vergangenem Herbst auf Schiene – eine Wander-App speziell für Kinder. In der kostenlosen Basisversion bietet sie 350 familienfreundliche Routen. Premium-Inhalte wie ein Kinder-Quiz, GPS-Daten oder Toureninfos können für ein Jahr um 4,89 Euro bezogen werden. 1400 Downloads habe es bereits ohne Bewerbung gegeben.
Neues Papier
Über weitere Projekte will Oppitz noch nichts verraten, nur so viel: „Ich glaube stark an die Verbindung von Print und Online.“ Dazu zähle etwa Augmented Reality (um digitale Elemente erweiterte Realität), wiewohl dies nicht einfach umsetzbar sei.
Im analogen Bereich arbeitet der Verlag an einem neuen Papier, das reiß- und wasserfest und zugleich ökologisch besser als herkömmliches Material ist.
Ausland
Viel zu tun also für die 60 Mitarbeiter in Österreich. Hinzu kommen Töchtergesellschaften in Deutschland, Tschechien, Slowakei, Ungarn und Spanien. Den drei auf Reisen spezialisierten Buchhandlungen in Wien und Bayern sollen keine weiteren folgen, zu schwierig ist laut Oppitz der Buchmarkt.
Über Umsatz und Höhe des Gewinns des Unternehmens, das im Besitz der Akademie der Wissenschaften und Paul Swarovski steht, verrät sie nichts.
Geschichte
Der erste Firmensitz wurde 1770 von den Cousins Carlo und Francesco Artaria gegründet. Mit dem 1879 gegründeten Kartenverlag Freytag & Berndt arbeitete der Kartenverlag Artaria eng zusammen und durch den Zusammenschluss mit Freytag & Berndt 1920 entstand dann die heutige „Freytag-Bernt und Artaria KG Kartographische Anstalt“.
Präsenz
Freytag & Berndt ist heute in Österreich Marktführer im Bereich Kartografie. Neben dem Stammsitz in Wien Liesing befindet sich im niederösterreichischen Wolkersdorf das Lager. Dort werden die hauseigenen Produkte, aber auch etwa jene vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen, Lonely Planet oder Time Out produziert. Gedruckt wird extern.