Wie sich Faymann sanft von Merkel löst
Deutschland geht voran, Österreich folgt im Windschatten des großen Nachbarn – so stellte sich das Verhältnis auf europäischer Ebene nach außen lange Zeit dar. Spätestens beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs vergangene Woche hat sich gezeigt, dass sich Kanzler Werner Faymann EU-politisch von Kanzlerin Angela Merkel ein Stück weit emanzipiert hat.
Deutlich wurde das etwa bei der Frage der Eurobonds: "Nicht, so lange ich lebe", sagte Merkel vergangene Woche. Faymann formulierte nach dem Gipfel spitz: "Wenn wir mit unseren Beschlüssen immer so schnell sind (wie beim Gipfel, Anm.) , erlebt die deutsche Bundeskanzlerin noch Eurobonds."
Als Spanien und Italien in der Gipfel-Nacht Merkel unter Druck setzten, indem sie ihre Zustimmung zum Wachstumspakt mit kurzfristigen Hilfen verknüpften, zeigte Faymann Verständnis für ihre Anliegen.
Gibt es Risse im Verhältnis zwischen den Regierungschefs in Berlin und Wien? "Persönlich ist das Verhältnis nach wie vor gut", heißt es aus dem Kanzleramt.
Interessen
Nach wie vor haben Österreich und Deutschland in Brüssel oft gemeinsame Interessen: Beide Länder stehen wirtschaftlich gut da, bei ihren Exporten profitieren beide von der Euro-Zone.
Auf dem Gipfel unterstützte Faymann Merkel darin, dass es Hilfsgelder für Krisenländer nur unter strengen Auflagen geben soll. "In wichtigen Detailfragen konnte die Kanzlerin auf Unterstützung von Österreich (und anderen) zählen", schreibt der Spiegel.
Allerdings ist Faymann in manchen Punkten offensiver, etwa bei den Eurobonds. Merkel bremst – wohl auch wegen ihres Koalitionspartners FDP, der sich gegen eine Schuldenunion stemmt.
Faymanns selbstbewusstes Auftreten in Brüssel hat eine Geschichte: Einige Zeit war er der einzige etablierte Sozialdemokrat unter den Euro-Regierungschefs. Das hat seine Position gestärkt. Nun hat er in François Hollande einen mächtigen Gesinnungsgenossen als Verbündeten, etwa beim Wachstumspakt, für den beide kämpften. Und am Ende Merkel überzeugten.