Wirtschaft

Wie geht's Österreich? Noch gut bis sehr gut

Das Bruttoinlandsprodukt ist nicht das Maß aller Dinge: Spätestens seit der Krise hat sich die Sichtweise durchgesetzt, dass der Wohlstand eines Landes nicht allein anhand seiner Produktionsleistung beurteilt werden kann. Dazu braucht es mehr.

Deshalb stellt die Statistik Austria seit 2013 jedes Jahr die Frage "Wie geht’s Österreich?". 30 Indikatoren aus den Bereichen Materieller Wohlstand, Lebensqualität und Umwelt sollen die Antwort liefern. Im Detail:

PLUS: Lebenszufriedenheit

Die Österreicher sind mit ihrem Leben erstaunlich im Reinen und verleihen ihrer Zufriedenheit 7,8 von 10 Punkten. Das ist die fünftbeste Note in der EU, der Durchschnitt sind nur 7,1 Punkte.

PLUS: Wohlstandsniveau

Gemessen an der Wirtschaftsleistung (BIP) pro Kopf ist Österreich nach Luxemburg der wohlhabendste EU-Staat. Mit 38.540 Euro wird der EU-Schnitt von 27.300 Euro weit übertroffen.

PLUS: Einkommen

Ähnlich positiv sieht es bei den verfügbaren Haushaltseinkommen (pro Kopf) aus. Hier sind nicht nur die Löhne und Gehälter gemeint, sondern auch staatlichen Geld- und Sachtransfers und etwaige Vermögenszuwächse eingerechnet. Österreich liegt hinter Deutschland auf Platz zwei.

MINUS: Wohlstandsentwicklung

Die Tendenz ist bedenklich: Nach der Krise und einer kurzen Erholungsphase stagniert die Wirtschaftsleistung (pro Kopf) seit 2012. 2014 ging sie sogar um 0,4 Prozent zurück, während es EU-weit einen Zuwachs um 1,2 Prozent gab.

MINUS: Einkommenstendenz

Auch die verfügbaren Haushaltseinkommen sinken seit 2012 – sogar noch stärker als das BIP. 2014 gab abermals einen Rückgang, nämlich um 0,2 Prozent. EU-weit war ein Plus von 0,4 Prozent drinnen.

MINUS: Armutsgefährdung

Im Jahr 2014 waren 19 Prozent der Österreicher von Armut oder Ausgrenzung bedroht. Damit liegt das Land an neunter Stelle in der EU. Die Armutsgefährdung ist geringer als im Durchschnitt, hat aber in den vergangenen Jahren zugenommen. So könnte es für Österreich schwer werden, die EU-2020-Vorgaben zu erreichen, sagt Statistik-Austria-Chef Konrad Pesendorfer.

MINUS: Vermögen

In Österreich besitzen die reichsten zehn Prozent der Haushalte 61 Prozent des Vermögens – das ist europaweit unerreicht. Der Wert stammt allerdings aus dem Jahr 2010, neue Daten wird es erst nächstes Jahr geben.

PLUS: Erneuerbare Energie

Durchwachsen ist das Bild in Sachen Umwelt. Zumindest bei Erneuerbaren Energieträgern ist Österreich mit 33,4 Prozent mustergültig und auf Platz 4 in der EU.

MINUS: Flächenverbrauch

Besonders katastrophal ist Österreichs Bilanz ins Sachen Flächenverbrauch. Nirgendwo sonst werden so viele freien Flächen und Ackerland für Häuser, Straßen oder Freizeitflächen zubetoniert. Seit 2001 nahm der Verbrauch sogar noch einmal um 22 Prozent zu – die Bevölkerung ist im selben Zeitraum nur um 6,1 Prozent gewachsen.

PLUS: Weniger Belastung

Feinstaub konnte auf lange Sicht deutlich reduziert werden – seit 1995 um fast 17 Prozent. Ebenfalls positiv: Die Phosphor-Belastung im Abwasser ist gesunken. Der Ausstoß von Treibhausgasen hat sich von der Wirtschaftsleistung entkoppelt und ist seit 2005 um fast 14 Prozent zurückgegangen.

MINUS: Ressourcenverbrauch

Schlecht schneidet Österreich beim Energieverbrauch ab: Dieser ist seit 1995 um 27 Prozent gestiegen– im Verkehr sogar um fast 50 Prozent. Hier schlägt allerdings der Tanktourismus negativ zu Buche.

Das Fazit von Statistik-Chef Konrad Pesendorfer: „Österreich geht es gut, sogar sehr gut. Aber es hat an Schwung verloren, die Dynamik hat in den letzten drei Jahren nachgelassen.“ Wenn das länger so weitergehe, zehre es an der Substanz des Wohlstandes. Was braucht ein hoch entwickeltes Land wie Österreich am dringendsten, um sein Potenzial zu steigern? „Kluge Köpfe und kluge Ideen.“

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Die Frage "Wie geht’s Österreich?" stellt die Statistik Austria jedes Jahr. 30 sehr detailreiche und umfassende Kriterien sollen darüber Aufschluss geben. Dabei würde die simple Antwort auf die Frage lauten: Danke der Nachfrage, es geht uns eh gut. Aber wieder ein kleines bisschen schlechter als im Vorjahr.

Genau das ist nämlich die Quintessenz der Studie: Die Österreicher sind mit ihrem Leben zufrieden. Wenn sie jammern, dann auf sehr hohem Niveau. Nicht der Blick auf das Erreichte, in die Vergangenheit, bereitet Sorgen. Es ist der Blick in die Zukunft. Ganz gleich, welchen Indikator man betrachtet: Das Wirtschaftswachstum, die Haushaltseinkommen, die Armutsgefährdung – die Ausgangslage ist immer noch gut, aber Österreich bewegt sich auf einer schiefen Ebene bergab.

Bestes Beispiel sind die verfügbaren Haushaltseinkommen. Dafür kratzen die Statistiker alles Geld zusammen, das dem Österreicher aus verschiedenen Quellen zur Verfügung steht. Das sind natürlich die Arbeitseinkommen, aber auch staatliche Geld- oder Sachtransfers und etwaige Vermögenszuwächse. Der langjährige Vergleich zeigt: Die Einkommen sind schon im Jahrzehnt vor der Krise weniger stark gewachsen als die Wirtschaft insgesamt. Seit 2008 ist die Tendenz sogar fallend, die Einkommen schrumpfen. Das Gefühl vieler Menschen, dass am Ende des Geldes mehr Monat übrig bleibt, kommt also nicht von ungefähr.

Ganz ähnlich ist es bei vielen Kriterien, auch im Umweltbereich: Ausgangslage gut, Entwicklung bedenklich. Ja, es geht uns eh gut. Immer noch. Das muss aber nicht in alle Ewigkeit so bleiben. Auf dem Erreichten können wir uns leider nicht ausruhen.