Wirtschaft

Wenn Nobelpreisträger zum Pinsel greifen

Es ist eine der einzigartigsten Gemäldesammlungen der Welt. David Ungar-Klein organisiert seit 17 Jahren den Wiener Kongress, auf dem Nobelpreisträger, prominente Wissenschaftler, Sportler, Politiker, Unternehmer und Medienmacher referieren. Jeder von ihnen musste vor seiner Rede ein Bild malen, die Ergebnisse hätten nicht unterschiedlicher ausfallen können.

Unikate

„Jedes der mehr als 100 Bilder hat seine Geschichte und ist ein Unikat“, sagt Ungar-Klein. Sie seien zwar nicht kunsthistorisch, aber historisch bedeutend. Die meisten von ihnen hätten davor noch nie ein Bild gemalt, der erste Versuch spiegle das wieder, was sie im Innersten während des Malens am meisten bewegt habe. „Es ist deshalb eine weltweit einzigartige Sammlung, weil sie nicht wiederholbar ist, da schon einige verstorben sind“, sagt Ungar-Klein.

Prominenter könnten die „Maler“ kaum sein, unter ihnen befinden sich Größen wie Microsoft-Gründer Bill Gates, der ehemalige General-Electric-Chef Jack Welch, Ex-Disney-Chef Michael Eisner, Medienmacher Steve Forbes, der ehemalige südafrikanische Staatspräsident und Friedensnobelpreisträger Frederik Willem de Klerk, der ehemalige tschechische Staatspräsident Vaclav Klaus, der deutsche Spitzenpolitiker Hans-Dietrich Genscher und der ehemalige ukrainische Präsident Wiktor Juschtschenko. Auch heimische Sportlegenden haben den Pinsel in die Hand genommen, wie Karl Schranz und Toni Innauer. Sogar der zweite Mann am Mond, Buzz Aldrin, ist mit an Bord dieses Projekts.

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Geschichte geschrieben

„Und diese Bilder gehören gesehen“, sagt Ungar-Klein, der über Ausstellungsmöglichkeiten nachdenkt. All diese Menschen seien weltberühmte Persönlichkeiten und würden in den Geschichtsbüchern stehen. Wie zum Beispiel Genscher. Er sei wesentlich am Fall der Berliner Mauer beteiligt gewesen und habe sich beim Münchner Olympia-Attentat – erfolglos – als Ersatzgeisel angeboten. Jubiläen, wie 30 Jahre Mauerfall, könnten als Anlass für die Ausstellung einzelner Bilder dienen. Derzeit werden die Werke eingerahmt, ein professioneller Katalog soll folgen, danach sind temporäre Ausstellungen geplant. Aber auch ohne Anlass lassen sich die Bilder ausstellen, denn die meisten von ihnen erzählen ihre eigene Geschichte, meint Ungar-Klein.

Provokation

Wie etwa das Bild der „Innovationsbaum“ des Chemie-Nobelpreisträgers Dan Shechtman. Er hat eine Innovationsklasse auf der Technischen Universität Israel gegründet. „Da pilgern jetzt alle aus Bildung und Wissenschaft hin“, sagt Ungar-Klein. Shechtman vertritt den Ansatz, dass bereits Kindern ein naturwissenschaftlicher Zugang ermöglicht werden soll und Menschen dazu motiviert werden sollen, Unternehmer zu werden. Manche Vorhaben würden gelingen, andere scheitern, was auch im Bild ausgedrückt werde.

Oder der in Wien geborene Carl Djerassi, Vater der Antibabypille und Erfinder des Cortisons, der nebenbei auch Theaterstücke geschrieben hat. „Die Leute wollten mit ihm immer über Sex reden, aber er wollte nicht“, sagt Ungar-Klein. Das für ihn gemalte Bild hatte letztlich dennoch den Titel „Der intellektuelle Bigamist“. „Er wollte provozieren“, so Ungar-Klein.

Brücken bauen

Bewegend war für ihn der Moment, als Dusan Vujovic, Bujar Osmani und Dhurata Hoxha gemeinsam ein Bild gemalt haben. Der serbische Finanzminister, der Vize-Premier von Mazedonien und die Ministerin für Integration der Republik Kosovo – Vertreter dreier Regionen, die miteinander im Konflikt standen bzw. stehen. Die Bilder können einen Effekt haben und der Kongress als Brückenbauer zwischen Personen und Regionen dienen, meint Ungar-Klein.

Kein Pardon

Michael Eisner, der einst mächtige Disney-Chef – ohne dem es Filme wie Pretty Woman oder Beverly Hills Cop nicht geben würde – malte eine Mickey Mouse. Steve Forbes verwendete Zeitungspapier und Dollarzeichen und Tesla-Gründer Martin Eberhard malte ein Bild, das Dynamik ausdrückt. Ein „echter“ Künstler ist Unternehmer Claus Hipp. „Er ist der einzige von den mehr als 100 Malern, die es gelernt haben“, sagt Ungar-Klein.

Nein hat noch keiner der Prominenten zu seinem Bilderwunsch gesagt. Dennoch fehlen ihm zwei Bilder: Jenes, von seinem ersten Redner, Bill Gates – „weil ich da die Idee noch nicht hatte“ – und jenes von seinem zweiten Redner, Schimon Perez – „weil ich vergessen habe.“ Etwas länger hat es bei Vaclav Klaus gedauert. Er habe sich immer wieder darauf ausgeredet, dass er das Bild beim nächsten Kongress male. Nach dem dritten Mal gab es aber kein Pardon mehr.