Walter Nettig: Die ganze Welt im Objektiv
Viele Kontakte, aber nur "drei enge Freunde, die alle nicht prominent sind": Walter Nettig kann aufgrund seiner jahrzehntelangen Erfahrung in Politik und Wirtschaft neudeutsch durchaus als Networker bezeichnet werden; Noch heute nutzt er seine Kontakte, um Dinge zu bewegen; wie zuletzt vor einigen Jahren, als er als damaliger Vereinspräsident der Wiener Sängerknaben die neue Konzerthalle im Augarten sowie günstige Mietkonditionen mithilfe des Bundespräsidenten und des Bürgermeisters durchboxen konnte. "Er hat geholfen, administrative Widerstände im Rathaus zu brechen", lobt Nettig Michael Häupl.
Auch wenn es diese Funktion heute nicht mehr gibt, so ist Nettig nach wie vor im Auftrag Häupls für die Stadt im Einsatz. "Nicht mehr in dem Ausmaß wie früher, aber doch"; zuletzt im Juli in London.
Nach der Ausbildung zum Fotografen arbeitete Nettig in den 50er-Jahren in US-Fotogeschäften und in Filmstudios in Hollywood. Nach seiner Rückkehr nach Wien baute er die Kette "Foto Nettig" mit 27 Filialen auf, die er Mitte der 90er-Jahre zur Gänze an Niedermeyer verkaufte. Seine Tochter, die das Geschäft übernehmen hätte sollen, zog zu ihrem Freund in die USA. "Ich habe versucht, das zu verhindern, weil sie passten nicht zusammen", aber es gelang ihm nicht.
Beste Entscheidung
Nettig, der schon in der Kammer äußerst aktiv war, schaffte aus Zeitgründen nicht mehr beides. Und nicht zuletzt erkannte er den langfristigen Niedergang der analogen Fotografie. "Bei den Kameras habe ich draufgezahlt, das Ausarbeiten war das Geschäft." Der Verkauf der Kette sei die beste Entscheidung gewesen, was auch an den jüngsten Turbulenzen in der Branche bemerkbar sei.
Geblieben ist aber die Leidenschaft zur Fotografie. "Welche Kamera haben Sie da?" oder "Welche Brennweite haben Sie eingestellt?" stellt er interessierte Fragen an den KURIER-Fotografen.
Rund 30 Stunden in der Woche arbeitet Nettig, darunter als Berater für einen internationalen Immobilienkonzern sowie für eine US-Firma, die Filmkameras und Laborgeräte herstellt. "In meinem Alter muss man die Zeit vernünftig nutzen", sagt der 79-Jährige. Wie viele seiner Tätigkeiten erfolgt auch diese ohne Bezahlung.