Wirtschaft

Von Madrid nach Prag – auf Jobsuche

Karlsbrücke, Hradschin, Budweiser Bier, das sind üblicherweise die Ziele junger Spanier, die auf dem Prager Flughafen Ruzyne landen. Mehr als 30 von ihnen aber haben in den letzten Monaten etwas ganz anderes dort gefunden – einen Job. Schalter, Gepäcksabfertigung, Büros der tschechischen Fluglinie CSA. Mit Englisch, aber zunehmend auch mit Tschechisch, würden sich die neuen Mitarbeiter durchschlagen, berichtet die tschechische Zeitung Lidove noviny.

 

Weiblich, jung, gut ausgebildet

Verständlich, schließlich sind die jungen Südeuropäer, die hier im ehemaligen Osten auf Arbeitssuche gehen, großteils gut ausgebildet. Weiblich, zwischen 30 und 35, Fach- oder sogar Hochschulabschluss, das ist laut Statistik die stärkste Gruppe unter den jungen Südeuropäern, die sich auf den Weg nach Norden machen. Mehr als 300.000 junge Spanier haben seit Ausbruch der Krise ihrer Heimat den Rücken gekehrt. Eine Jugendarbeitslosigkeit von fast 50 Prozent hat ihnen zu Hause jegliche Zukunftschance geraubt. Zwei Drittel der jungen Griechen wollen laut Umfragen ihre Heimat in naher Zukunft verlassen.

Das gelobte Land für diese neue Generation von Gastarbeitern ist dasselbe wie einst für ihre Großväter: Deutschland. Doch anders als früher gehen sie nicht mehr als Putzfrauen oder Fließbandarbeiter. Die jungen Südeuropäer suchen Arbeit in großen Firmen, im Gesundheitswesen oder im Tourismus – und sie bringen dafür nicht nur solide Ausbildung, sondern auch Sprachkenntnisse mit. Englisch ist meist selbstverständlich, viele aber kümmern sich schon zu Hause um die Sprache des angepeilten Gastlandes. So werden Deutschkurse in Athen gestürmt, die Goethe-Institute melden zwanzig Prozent Zuwachsrate. Auch in Madrid und Barcelona platzt man aus allen Nähten.

200.000 junge Südeuropäer arbeiten laut Schätzungen derzeit in Deutschland, genaue Zahlen sind schwer zu bekommen, da der freie Zugang zum Arbeitsmarkt es den Zuwanderern leicht macht, ohne große Formalitäten irgendwo anzufangen.

Bittere Einsichten

Während man in Deutschland an die arbeitsfreudigen Neulinge längst gewöhnt ist, ist man in Tschechien vom Andrang regelrecht überrascht. „Auf unsere Inserate reagieren viele Bewerber aus Griechenland, Spanien oder Portugal, das war früher absolut außergewöhnlich“, beschreibt etwa ein Sprecher eines Großkonzerns die jüngsten Erfahrungen.

Doch während die neuen Kräfte in Prag für freudige Überraschung sorgen, hinterlassen sie in ihrer alten Heimat vor allem bittere Einsichten in die Krise, die so nur noch tiefer wird. „Das ist die bestausgebildete Generation, die wir in unserer ganzen Geschichte hatten“, resigniert ein spanischer Unternehmer gegenüber der Zeitung El Mundo: „Und wir können ihr nicht einmal einen Job bieten.“