Verbund-Manager zu Klimawandel: "Stromversorgung ist sicher“
KURIER: Sie waren in Oberösterreich lange Spitzenpolitiker und wollten schon länger in die Wirtschaft. Sind Sie jetzt glücklicher als in der Politik?
Micheal Strugl: Es ist mir in der Politik meistens gut gegangen. Ich wollte aber nicht mein ganzes Leben in der Politik verbringen sondern in der Wirtschaft Managementaufgaben übernehmen. Insofern geht es mir jetzt sehr gut.
Sie waren auch Wahlkampfmanager: Vermissen Sie nicht die Dynamik eines heißen Wahlkampfs?
Wahlkampfmanagement ist natürlich immer sehr spannend. Dynamisch geht es aber auch beim Verbund zu (lacht).
Ihre Partei, die ÖVP, stand lange für „Mehr privat, weniger Staat“. Warum hat die ÖVP diese ideologische Vision begraben?
Das sehe ich nicht so. Die private Wirtschaft ist die tragende Säule unseres Wirtschaftsstandortes. Wir haben ja gerade in Oberösterreich unsere Erfahrungen mit der Verstaatlichten erlebt. Auf der anderen Seite war aber auch nicht jede Privatisierung ein Erfolg.
Wo muss der Staat als Eigentümer die Mehrheit haben?
Die Infrastruktur generell besonders aber die sogenannte kritische Infrastruktur wie zum Beispiel die Stromversorgung sind Bereiche, wo das öffentliche Interesse unbedingt gewahrt sein muss.
Die Regierung hat die Staatsholding, in der die wertvollsten Beteiligungen der Republik gebündelt sind, neu aufgestellt. Auch der Verbund gehört dazu. Wird sich die Politik jetzt stärker beim Verbund einmischen?
Die Staatsbetriebe im Sinne eines erfolgreichen Gesamtmanagements neu zu ordnen, ist nachvollziehbar. Die Politik wird sich aber nicht in das tägliche operative Geschäft einmischen. Aber sie ist sicher daran interessiert, dass die Beteiligungen verantwortungsvoll und erfolgreich gemanagt werden. Das machen Eigentümer in der Privatwirtschaft auch nicht anders.
Bis zum Jahr 2030 soll laut Plan der Regierung die in Österreich verbrauchte Strommenge zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energieträgern gedeckt werden. Was tut der Verbund, um dieses Ziel zu unterstützen?
Dank der Wasserkraft erzeugen wir schon jetzt Strom zu 95 Prozent aus erneuerbarer Energie. Österreich gesamt steht bei 75 Prozent.
Also eine leichte Übung.
Nicht ganz. Österreich benötigt rund 25 bis 30 zusätzliche Terrawattstunden, um dieses Ziel zu erreichen
Wie viel sind die rund 30 Terrawattstunden?
Das entspricht rund zwei Mal der ganzen Strommenge, die aus den jetzigen Donaukraftwerken gewonnen wird.
Und wie kommt man auf diese Anzahl an Terrawattstunden?
An die sechs bis acht Terrawattstunden können wir über den Ausbau und die Effizienzsteigerung bei der Wasserkraft holen und bei Photovoltaik gibt es großes Potenzial und auch bei Windkraft, aber die Rahmenbedingungen müssen passen.
Bayern nimmt landwirtschaftlich nicht genutzte Freiflächen für den Bau von Photovoltaikanlagen her. Eine gute Idee?
In Bayern ist die Akzeptanz dafür sicher größer als bei uns. Wir müssen anders denken. Etwa an die ganzen freien Dachflächen bei Industrie- und Gewerbegebäuden.
Wie auch immer: das Projekt 2030 kostet Geld. Wird Strom teurer werden müssen?
Investitionen müssen sich rechnen. Aktuell aber ist der Strompreis durch die Primärenergieträger Kohle, Öl, Gas und vom Co2-Preis getrieben. Dazu kommt die Preiszonentrennung zwischen Österreich und Deutschland.
Österreich setzt bei der Energieversorgung voll auf die Wasserkraft. Was aber, wenn, so wie im Vorjahr, europaweit die Niederschläge ausbleiben?
Wenn die Wasserstände in den Flüssen sinken, reduziert sich die Stromerzeugung. Wir sind aber darauf vorberiet. Wir haben durch Speicherkapazitäten die Möglichkeit Schwankungen auszugleichen.
Selbst wenn es heuer also wieder über Wochen keinen Regen gibt: Ist unsere Stromversorgung dann sicher?
Ja. Die Versorgungssicherheit ist gegeben.
Und was heißt das dann für die Bilanz des Verbund, der ja mehrheitlich uns Staatsbürgern gehört.
Weniger Niederschlag – im letzten Jahr lagen wir sechs Prozentpunkte unter dem langjährigen Durchschnitt- zeigt sich auch in unserer Bilanz. Ein Prozent weniger an Wasserführung kostet uns unterm Strich aktuell im Ergebnis acht bis neun Millionen Euro.
Für die Wasserkraft sind auch die Gletscher wichtig. Hat man das Thema Gletscherschwund beim Verbund auf dem Radar?
Nicht so sehr was die Stromerzeugung betrifft. Das ist eher ein Thema für die Instandhaltung unserer Anlagen, weil es immer wieder erhebliche Mengen an Gesteinssedimenten in unsere Anlagen treibt.
Länder wie Frankreich und Tschechien setzen nach wie vor voll auf die Atomkraft. Brauchen wir die Atomenergie in Europa noch?
Atomkraft ist der falsche Weg. Sowohl aus Sicherheitsgründen wie aus wirtschaftlichen. Die Vollkosten eines AKW über die gesamte Laufzeit sind enorm teuer.
Ist der Verbund auf den totalen Stromausfall – also auf ein Blackout – vorbereitet?
Ja. Wir haben Kraftwerke, die in so einem Fall das Netz wieder anfahren können. Was Gesamt-Österreich angeht, braucht es sicher weitaus höhere Anstrengungen.
Ist die Bevölkerung für dieses Thema ausreichend sensibilisiert?
Ich habe dieses Gefühl nicht immer.
Weil Energieerzeugung heute Hightech ist: Kann Europa in Sachen Technologie noch mit China und den USA mithalten?
Absolut. Wir können technologisch mit den USA und China konkurrieren. Wir müssen in Europa aber Forschung und Innovation intensivieren und den Faktor Kosten unter Kontrolle halten.
Thema Facharbeitermangel: Wie sehr ist der Verbund betroffen?
Derzeit sind wir noch gut aufgestellt. In den kommenden zehn Jahren geht aber ein Viertel unserer Belegschaft in Pension. Da müssen wir jetzt Vorsorge treffen. Wir bilden daher jedes Jahr an die 40 Lehrlinge in unseren Lehrwerkstätten aus.
Wenn Sie noch einmal 15 Jahre alt werden: Würden Sie eine Lehre beim Verbund machen?
Ja. Das kann ich mir gut vorstellen.
Zur Person:
Michael Strugl, 55, ist seit Jänner stellvertretender Vorstandschef beim Energiekonzern Verbund. Strugl war seit 2001 Abgeordneter zum oberösterreichischen Landtag und seit April 2017 Landeshauptmann-Stellvertreter in Oberösterreich. Michael Strugl studierte Sozial- und Wirtschaftswissenschaften sowie Rechtswissenschaften an der Johannes Kepler Universität Linz und International Finance an der University of Toronto. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.