Wirtschaft

Handelsstreit eskaliert: US-Strafzölle auch für EU

Nach zwei Schonfristen macht Donald Trump im Handelskonflikt mit Europa ernst: Ab Mitternacht (6:00 Uhr MEZ) würden die neuen Zölle auf Stahl- und Aluminium-Importe auch für die EU gelten, teilte US-Handelsminister Wilbur Ross am Donnerstag mit.

Die Europäische Union war bisher davon ausgenommen. Ross ergänzte, auch für Kanada und Mexiko würden die Zölle ab Freitag gelten. Ross schlug die Tür für Verhandlungen nicht völlig zu. "Wir freuen uns darauf, die Verhandlungen mit Mexiko und Kanada einerseits, und mit der Europäischen Kommission auf der anderen Seite fortzuführen", sagte er. Es gebe weitere Probleme zu lösen.

Trump hatte die neuen Zölle am 23. März angeordnet, die EU, Kanada und Mexiko aber zunächst bis 31. Mai ausgenommen. Der US-Präsident begründete die Maßnahmen mit dem Schutz der nationalen Sicherheit. Auf Stahlexporte in die USA werden dann 25 Prozent fällig, für Aluminiumlieferungen zehn Prozent.

Juncker kündigt rasche Gegenmaßnahmen an

Die EU wird darauf mit Vergeltungszöllen reagieren. Wie EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker umgehend angekündigte, wird zudem Klage bei der Welthandelsorganisation WTO eingereicht. "Die USA lassen uns keine andere Wahl", kommentierte er. "Das ist ein schlechter Tag für den Welthandel." Wichtig sei aber, den Gesprächsfaden mit Amerika nicht abreißen zu lassen, sagte er am Donnerstagabend zu deutschen Medien in Brüssel.

Die EU müsse mit Gegenmaßnahmen und in der WTO reagieren, forderte auch Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). "Generell müssen wir alles tun, damit wir als Standort wettbewerbsfähig sind", forderte er. "Mit den USA verbinden uns seit vielen Jahren enge Wirtschaftsbeziehungen - dass US-Präsident (Donald) Trump diese mit der Verhängung von Strafzöllen aufs Spiel setzt, ist unverantwortlich", sagte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) zur APA.

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer bezeichnete den Schritt als "harte und in der Sache nicht gerechtfertigte Attacke auf den freien Welthandel". "Wir dürfen uns nicht erpressen lassen", forderte er. Die Industriellenvereinigung (IV) sprach sich für die Fortführung harter, aber konstruktiver Verhandlungen aus. "Unlautere Praktiken wie diese sind zu verurteilen", teilte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer mit.

Die EU-Produkte, die von den Abgaben betroffen sind, haben einen Wert von 6,4 Mrd. Euro. Umgekehrt haben die Europäer Pläne vorgestellt, US-Produkte mit zusätzlichen Zöllen zu belegen, darunter Whiskey, Jeans und Motorräder.

Ross hatte angedeutet, dass die USA bei Gegenmaßnahmen weitere Zölle erheben könnten. Die Frage sei, wie Trump in diesem Falle reagieren würde, sagte er der Zeitung Le Figaro. "Sie haben seine Reaktion gesehen, als sich China zur Vergeltung entschieden hat." Die Volksrepublik hatte als Reaktion auf US-Zölle Gegenmaßnahmen angedroht. Daraufhin wies Trump die Verwaltung an, eine weitere Liste mit chinesischen Produkten zu erstellen, die für Zölle infrage kommen. Insgesamt haben die Einfuhren ein Volumen von etlichen Mrd. Dollar.

Auch Autobauer im Visier

Auch bei anderen Importen droht zwischen den USA und Europa Streit. Einem Medienbericht zufolge hat Trump besonders die deutschen Autobauer im Visier: Er werde seine Handelspolitik beibehalten, bis keine Mercedes-Modelle mehr auf der Fifth Avenue in New York rollten, habe der US-Präsident im April beim Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron gesagt, berichtete die "Wirtschaftswoche" unter Berufung auf Diplomaten. Auf Trumps Geheiß solle das Handelsministerium prüfen, ob Fahrzeugimporte die nationale Sicherheit der USA bedrohten.

Berichten zufolge soll der Aufschlag auf Autos, Lastwagen und Autoteile bis zu 25 Prozent betragen. Bisher liegt die Einfuhrabgabe für Pkw in die USA bei drei Prozent, während die EU für Wagen aus den USA zehn Prozent aufschlägt.

Die Aktien deutscher Autohersteller gerieten bereits unter Druck. So verloren die Papiere von Volkswagen 2,1 Prozent. Auch insgesamt zeigten sich Investoren besorgt: In New York verlor der Dow Jones 0,7 Prozent. In Frankfurt gab der Dax um ein Prozent nach. Aktien amerikanischer Stahl- und Aluminiumhersteller gehörten dagegen zu den Gewinnern: Der entsprechende S&P-Index gewann 0,7 Prozent.

Die Europäer hatten seit Monaten mit Washington über die angekündigten Zölle von 25 Prozent auf Einfuhren von Stahlprodukten und zehn Prozent auf Aluminium gestritten. Die EU wollte sich nicht erpressen lassen und verlangte, von den Zöllen bedingungslos und unbefristet ausgenommen zu werden. Erst dann sollte über mögliche Handelserleichterungen für die US-Wirtschaft gesprochen werden. Dazu sagte Ross: "Wir waren nicht bereit, diese Bedingung zu erfüllen."

Die USA hatten als Alternative für die Zölle Ausfuhrobergrenzen zur Debatte gestellt. Dies hätte laut US-Handelsministerium den gleichen Effekt auf die angestrebte höhere Auslastung der US-Stahlindustrie wie die Strafzölle. Solche Regelungen seien etwa mit Australien, Südkorea sowie Argentinien und Brasilien getroffen worden, die ebenfalls von den Zöllen vorübergehend ausgenommen waren. Für den Rest der Welt gelten die Zölle bereits seit dem 23. März.

In Europa war bis zuletzt um einen Kompromiss gerungen worden. Doch auch ein Krisengespräch zwischen EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström und Ross am Rande einer OECD-Konferenz in Paris brachte keinen Durchbruch.

Juncker: "Dies ist Protektionismus"

EU-Kommissionspräsident Juncker sagte, die EU sei weiter der Auffassung, die Zölle seien nicht gerechtfertigt und verstießen gegen die Regeln der Welthandelsorganisation. "Dies ist Protektionismus, klar und einfach", sagte Juncker. Die EU habe deutlich gemacht, dass sie nicht verhandeln wird, solange sie bedroht wird. Die USA spielten in die Hände derer, die für die Überkapazitäten auf den weltweiten Stahlmärkten verantwortlich sind, sagte Juncker, ohne China namentlich zu erwähnen. Ross hatte erklärt, China sei nicht der einzige Verantwortliche für Überkapazitäten. Die USA kaufen den meisten Stahl vom Nachbarn Kanada.

Die deutsche Regierung erachtete die Verhängung von Zöllen als "rechtswidrig" und warnte vor einer Eskalation. "Die Maßnahme birgt vielmehr die Gefahr von Eskalationsspiralen, die im Ergebnis allen schaden", so der Regierungssprecher. Wirtschaftsminister Peter Altmaier kündigte eine deutliche Reaktion an.

   "Die amerikanischen Maßnahmen sind blanker Protektionismus - heute ist ein schlechter Tag für den Welthandel", sagte Eurofer Generaldirektor Axel Eggert. Er befürchtete, dass eigentlich für Amerika bestimmter Stahl in Europa verkauft werde. Die EU müsse nun die hiesige Stahlbranche schützen, so die Forderung. In den ersten vier Monaten des Jahres seien die Stahlimporte in die EU bereits um acht Prozent nach oben geschnellt, erklärte Eurofer. Dies sei mit Sicherheit auf die Drohung der USA mit Strafabgaben seit März zurückzuführen.

Mexiko kündigt Vergeltungszölle an

Die mexikanische Regierung hat unmittelbar nach Bekanntwerden der Zollentscheidung der USA Vergeltungszölle auf US-Güter angekündigt. Diese sollen unter anderem für Flachstahl, Leuchten, diverse Fleisch- und Käseprodukte sowie Äpfel, Trauben und Blaubeeren gelten, teilte das mexikanische Wirtschaftsministerium mit. Die Zölle sollen demnach ab 1. Juni in Kraft treten.

Mexiko lehne jegliche einseitige und protektionistische Maßnahme kategorisch ab, schrieb der Vizeminister für Außenhandel des lateinamerikanischen Landes, Juan Carlos Baker, auf Twitter. Damit werde der Handel in Nordamerika verzerrt.

 

EU-Abgeordnete uneins über Gegenmaßnahmen

Österreichische EU-Abgeordnete haben unterschiedlich auf die US-Ankündigung von Strafzöllen auf europäische Stahl- und Aluminiumprodukte reagiert. "Sollte die US-Regierung tatsächlich Strafzölle auf europäische Stahl- und Aluminiumprodukte verhängen, dann hilft es niemandem, mit gleicher Münze zurückzuzahlen", sagte ÖVP-Europaabgeordneter Paul Rübig am Donnerstag.

Dagegen forderte EU-Abgeordnete Karoline Graswander-Hainz (SPÖ) eine geeinte und entschlossene Gegenreaktion der EU."Wir werden nun so schnell wie möglich mit Ausgleichsmaßnahmen reagieren, um das Gleichgewicht wieder herzustellen."

Für Rübig wären allenfalls europäische Strafzölle auf amerikanische Konsumgüter wirksam. Vorprodukte für die verarbeitende Industrie dürften nicht künstlich durch Importzölle verteuert werden. Dafür sollte die EU die Zölle senken. "Damit werden die Produktionskosten in Europa niedriger und die europäischen Unternehmen können zu besseren Preisen anbieten." Graswander Hainz erwartet durch die US-Strafzölle negative Auswirkungen auf Arbeitsplätze auf beiden Seiten.