Wirtschaft

Unternehmen müssen mehr forschen, der Staat die Lohnsteuer senken

Eineinhalb Jahre lang steckte die Wirtschaft der Eurozone in der Rezession fest. Jetzt sehen Ökonomen endlich Licht am Ende des Tunnels. Im laufenden dritten Quartal dürfte sich ein Mini-Wachstum ausgehen. Der Schub kommt vor allem aus dem Industriesektor. Dort wird die Produktion in Deutschland, Frankreich, aber auch in anderen Ländern derzeit so kräftig hochgefahren wie schon seit zwei Jahren nicht mehr.

Für Euphorie ist allerdings kein Grund, denn der Aufschwung wird mäßig ausfallen – auch in Österreich. Für den Fünf-Jahres-Zeitraum 2013 bis 2017 sagen die Experten des Instituts für Höhere Studien (IHS) ein jährliches Wirtschaftswachstum in Österreich von durchschnittlich 1,7 Prozent voraus. Das ist wesentlich besser als in den fünf Jahren davor mit gerade einmal 0,6 Prozent pro Jahr. Aber auch deutlich weniger als in den Jahren vor der Krise (mit jährlich 2,6 Prozent).

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Das Wachstum in den kommenden Jahren ist jedenfalls nicht kräftig genug, um für Besserungen auf dem Arbeitsmarkt zu sorgen. Österreich wird es allerdings schaffen, jährlich um 0,7 Prozentpunkte stärker zu wachsen als der Durchschnitt der Eurozone.

IHS-Chef Christian Keuschnigg sieht mehrere Ansatzpunkte, wie heimische Unternehmen krisenresistenter werden können: Höhere Forschungsquoten, mehr Eigenkapital sowie flexiblere Arbeitszeiten. Länder mit flexibleren Arbeitszeitmodellen seien in Krisen stabiler, sagt er. Sein Motto: Länger arbeiten im Boom, dafür kürzer in Zeiten der Flaute oder gar Rezession.

„Was bei der Alpine möglich ist, muss auch bei Banken möglich sein.“


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Die heimische Wirtschaftspolitik sollte rasch einige Prioritäten setzen, fordert der Ökonom. Dazu gehört, dass „die Verschuldung langsam, aber sicher, abgebaut werden muss“. Zudem müsse die Politik dafür sorgen, dass es in der heimischen Bankenlandschaft eine Marktbereinigung geben kann – also Pleiten möglich werden. Keuschnigg: „Was bei der Alpine möglich ist, muss auch bei Banken möglich sein.“

Ein wichtiges Anliegen ist dem IHS-Chef eine Reform des heimischen Steuersystems. Und hier ist ihm vor allem die „kalte Progression“ ein Dorn im Auge.

Kalt erwischt

Durch Lohnerhöhungen steigen Einkommen in höhere Steuerklassen. Nach Abzug der Inflation bleibt da meist nur in winziges Lohnplus. Die Lohnsteuer schlägt trotzdem kräftig zu. Nach Schätzungen zahlen durch diese kalte Progression Österreichs Arbeitnehmer um 500 Millionen Euro zu viel an Lohnsteuer – weil der Staat die Steuerstufen nicht um die jährliche Inflationsrate erhöht. Keuschnigg fordert ein, dass das rasch geändert werden muss. Ein Zurücknehmen der kalten Progression „verdient den Namen Steuerreform gar nicht“, meint er. Kosten würde es trotzdem mehrere Milliarden Euro.

Den Bundesländern würde der Ökonom Ausgaben- und Steuerautonomie zugestehen. Sein Hintergedanke dabei: Erst dann könnte zwischen den Ländern ein echter Wettbewerb entstehen und für sie ein Sparkurs attraktiv werden.

USA, China

Auch in den anderen Industrieländern werde sich die Konjunktur stabilisieren. Für die USA wird bis 2017 mit einem durchschnittlichen Wachstum von 2,5 Prozent gerechnet. Deutlich absetzen kann sich auch künftig China mit einen durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 7,7 Prozent. Bei diesen Berechnungen nimmt das Institut für Höhere Studien einen durchschnittlichen Rohölpreis von 110 US-Dollar je Barrel an, bei einem Euro/Dollar-Wechselkurses von 1,30.

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Viel Geld auf der hohen Kante macht auch nicht sorglos, zeigt eine Umfrage der Allianz-Gruppe unter 1.400 Europäern zwischen 50 und 70 Jahren im obersten Vermögensfünftel (frei investierbaren Vermögen von 50.000 Euro). In Österreich erwarten der Umfrage zufolge 70 Prozent einen Anstieg der Inflation und Steuererhöhungen. Viele hätten daher ihr Anlageverhalten geändert - knapp jeder zweite Befragte will nun eher kurzfristig veranlagen.

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"Eine der größten Herausforderungen für private Anleger, die sich auf ihre bevorstehende Pension vorbereiten, ist der Umgang mit den derzeit volatilen Finanzmärkten. Während jüngere Anleger genügend Zeit haben, schwache Marktphasen mit geringen Erträgen auf ihr Altersvorsorgekapital auszugleichen, hat die Generation kurz vor dem Ruhestand diesen Luxus nicht mehr", kommentiert Dr. Wolfram Littich (Bild), Vorstandsvorsitzender der Allianz Gruppe in Österreich.

Auffallend ist, dass insbesondere Deutsche und Schweizer meinen, von der Wirtschaftskrise nicht betroffen zu sein. Zwei von drei fühlen sich nicht tangiert. Im Gegensatz dazu registrierten die meisten französischen und italienischen Interviewpartner durchaus negative Auswirkungen der Krise auf ihre finanzielle Situation.

Vertrauen in den Euro

Ein weiteres Ergebnis der Umfrage ist, dass trotz großer Unsicherheit bei den Geldanlagen die vermögendere Generation 50+ in Österreich, Deutschland und Italien weitgehend Vertrauen in den Euro hat. Größer ist die Skepsis in Frankreich und den Niederlanden. Die stärksten Vorbehalte gibt es in Großbritannien, wo nur 19 Prozent der Befragten angeben, zumindest teilweise Vertrauen in den Euro zu haben.

Die Eurozone kann auf ein Ende der längsten Rezession ihrer Geschichte hoffen: Der Einkaufsmanagerindex signalisierte im Juli erstmals seit eineinhalb Jahren wieder ein Wachstum der Privatwirtschaft. Das Barometer kletterte um 1,7 auf 50,4 Punkte, wie das Markit-Institut am Mittwoch zu seiner monatlichen Umfrage unter tausenden Unternehmen mitteilte. Es liegt erstmals seit Jänner 2012 wieder über der Marke von 50 Zählern, ab der Wachstum signalisiert wird. Von Reuters befragte Ökonomen hatten erwartet, dass das stark beachtete Barometer mit 49,1 Zählern deutlich unter diesem Schwellenwert bleibt.

"Das sind ermutigende Hinweise darauf, dass sich die Eurozone nach langer Durststrecke im dritten Quartal 2013 endlich wieder aus der Rezession befreien könnte", sagte Markit-Chefvolkswirt Chris Williamson. Das Bruttoinlandsprodukt war zuletzt sechs Quartale in Folge geschrumpft.

Industrie

"Die Belebung geht eindeutig von einem umfassenden Aufschwung im Industriesektor aus", sagte Williamson. "Hier legte die Industrieproduktion so stark zu wie seit zwei Jahren nicht mehr." Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich und den übrigen Ländern sei sie hochgefahren worden. Das Barometer für die Industrie kletterte um 1,3 auf 50,1 Zähler. Erstmals seit Mai 2011 sammelten die Unternehmen wieder mehr Neuaufträge ein als im Vormonat, was auch auf eine leicht anziehende Exportnachfrage zurückzuführen sei. Der Einkaufsmanagerindex für die Dienstleister kletterte um 1,3 auf 49,6 Punkte.

"Unsere Umfragedaten dürften die politischen Entscheidungsträger in ein sommerliches Stimmungshoch versetzen, da endlich auch für die leidgeprüften Peripherieländer, die unter zunehmenden politischen und sozialen Spannungen leiden, Licht am Ende des Tunnels auftaucht", sagte Chefvolkswirt Williamson. In der Europäischen Zentralbank dürfte die Zuversicht steigen, dass die Eurozone bis Jahresende wieder auf Wachstumskurs sein könne. Sie hatte ihren Leitzins auf das Rekordtief von 0,5 Prozent gesenkt, um mit dem billigem Geld Investitionen und Konsum anzuschieben.