Wirtschaft

Unsichere AKW rund um Österreich

Da wurde sogar erfahrenen EU-Politikern mulmig zumute: "Jetzt heißt es nachrüsten oder lieber gleich abschalten", kommentierte der deutsche Europa-Parlamentarier Jo Leinen (SPD) das, was aus dem Büro seines Landsmannes, des EU-Energiekommissars Günther Oettinger, über die EU-Stresstests der europäischen Atomkraftwerke vorzeitig durchgesickert war.

Brisante Erkenntnis für Österreich: Laut EU-Diplomaten müssen alle Nachbarländer Österreichs im Osten und Westen – auch Deutschland und die Schweiz – die Sicherheit ihrer Kernkraftwerke signifikant verbessern.

Noch liegen keine offiziellen Prüf-Details vor – sie sollen erst dem EU-Gipfel am 18. und 19. Oktober vorgelegt werden. Doch was bisher bekannt wurde, kommen Tschechien und die Slowakei bei den Sicherheitstests schlecht weg: In den tschechischen Kernkraftwerken Dukovany und Temelin beanstandeten die EU-Prüfer in der Hälfte der kontrollierten Sicherheitskategorien Mängel. Bei den slowakischen Atomkraftwerken Bohunice und Mochovce ist es ähnlich. Vor allem mangelt es an ausreichenden Notfallplänen, an der Lagerung von Notfall-Ausrüstung, am Management-Richtlinien und an technischer Ausrüstung im Katastrophenfall.

Wichtige Erkenntnis: Die EU-Prüfer konnten keinen systematischen Unterschied zwischen den Atomkraftwerken in Ost- und Westeuropa feststellen.

Gefährlich

Ganz besonders gefährliche Mängel wurden in zwei Nuklearanlagen in Skandinavien entdeckt: Im AKW Olkiluoto in Finnland und im AKW Forsmark in Schweden haben die Betreiber nur weniger als eine Stunde Zeit, um nach einem kompletten Stromausfall und/oder Ausfall der Kühlanlagen die Sicherheitssysteme wieder hochzufahren.

Insgesamt schneidet Frankreich am schlechtesten ab: Keiner der 58 französischen Atomreaktoren in Betrieb erfüllt die Sicherheitsstandards der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO). Aber auch allen deutschen Atomreaktoren werden Sicherheitsmängel bescheinigt – auch sie müssen nachrüsten.

Zehn Reaktoren in Europa sind noch immer nicht mit einer seismischen Messanlage ausgestattet, die vor einem Erdbeben warnt. Die EU hatte die AKW-Stresstests nach dem Erdbeben und der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima im März 2011 angeordnet.

Kernaussage der Stresstests: So gut wie alle europäischen Kernkraftwerke haben Sicherheitslücken, etwa bei der Warnung vor Erdbeben oder der Sicherheitsausrüstung. Für die Nachrüstung werden EU-gesamt zehn und 25 Milliarden Euro nötig sein, schätzt man in Brüssel.

Überprüft wurden 145 aktive und stillgelegte Nuklearanlagen in der EU, der Schweiz und der Ukraine. Derzeit setzen 14 der 27 EU-Staaten auf Kernenergie.

Am Mittwoch will Kommissar Oettinger seinen Kollegen in der EU-Kommission die Prüfberichte vorlegen – samt Empfehlungen, wie die AKW-Sicherheit verbessert werden muss. Die EU-Kommission will die Ergebnisse der Stresstests am Donnerstag vorstellen. Der EU-Gipfel am 18. Oktober wird die weitere Vorgangsweise beschließen. Bis Jahresende haben die betroffenen EU-Staaten Zeit, Aktionspläne zur Behebung der AKW-Mängel vorzulegen.

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