Wirtschaft

Umschaufeln für große Steuerreform

Von Platz 16 auf 21: Im jüngsten Ranking des Weltwirtschaftsforums über die Wettbewerbsfähigkeit von 144 Ländern ist Österreich kräftig abgerutscht (mehr dazu hier). Vor allem die hohe Steuerbelastung verpatzt die Attraktivität des Standortes. Ein neuerlicher Beweis dafür, wie dringend nötig eine Steuerreform her muss.

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"Die Abgabenlast ist insgesamt zu hoch, vor allem beim Faktor Arbeit", sagt Raiffeisen-Chefökonom Peter Brezinschek. Er fordert die Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer um acht bis 9,5 Milliarden Euro ein. Damit käme man in die Nähe der Steuerlast auf Einkommen in Deutschland. "Und da rede ich nur von Bruttoeinkommen von bis zu 50.000 Euro im Jahr und nicht von Einkommen darüber", so Brezinschek. Der Eingangssteuersatz, der bei immensen 36,5 Prozent liegt, sollte drastisch gesenkt werden. "Da wird 25 Prozent nicht reichen, viel besser wären 20 Prozent." Zur Erinnerung: Mehr als zwei Millionen Arbeitnehmer in Österreich zahlen keine Steuer, weil sie zu wenig verdienen.
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Der Ökonom untermauert mit Zahlen, warum die Steuer in den unteren bis mittleren Einkommensbereichen auf deutsches Niveau gedrückt werden sollte: Von der Jahrtausendwende bis 2008, dem Jahr vor der Wirtschaftskrise, schaffte Österreich ein Wachstum von durchschnittlich 2,3 Prozent pro Jahr. Deutschland kam nur auf 1,5 Prozent.

Nach der Krise wendete sich das Blatt aber. Seither wächst die deutsche Wirtschaft kräftiger als die heimische, heuer und nächstes Jahr voraussichtlich um einen ganzen Prozentpunkt. Hintergrund: Deutschland arbeitet mit weniger Steuerlast und damit produktiver.

Weniger Subventionen

Woher aber die acht Milliarden Euro oder auch mehr nehmen? Umschaufeln, privatisieren, reformieren – so Brezinscheks Credo. Ein Beispiel dafür: Was Subventionen betrifft, ist Österreich unumstrittener Europameister. Das Land leistet es sich, mehr als 6,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Subventionen auszugeben – für Spitäler, ÖBB, den Agrarbereich, Unternehmen, und so weiter. Fünf Prozent davon zu streichen brächte 1,5 Milliarden Euro.

Privatisieren

Mit Privatisierungen wären bis zu zwei Milliarden Euro pro Jahr zu erzielen, meint Brezinschek. Der Staat sollte sich bei OMV, Post und Telekom auf 25 Prozent plus eine Aktie zurückziehen. Das allein wäre ein Potenzial von 1,4 Milliarden. Dazu kämen Privatisierungen von Landes-Energieversorgern oder der Bundesforste.

Viel mehr müsse auch dafür getan werden, dass das Pensionsantrittsalter steigt. Dann müssten um 1,2 Milliarden Euro weniger pro Jahr aus dem Budget für Pensionen locker gemacht werden.

"Keine Steuern erhöhen, zuerst privatisieren", fordert Brezinschek. Wenn es denn schon sein müsse, könnte man eventuell an ein Anheben der Grundsteuer denken.

Von einer Reichensteuer hält der Ökonom gar nichts. Jene mit guten Einkommen würden ohnehin die Hauptlast der Steuern tragen. Brezinschek sieht aber sehr wohl Bereiche, wo Betuchtere einen Beitrag leisten können. So sieht er etwa nicht ein, warum Kindergarten oder Nachmittagsbetreuung für alle gratis sind – egal, wie hoch das Einkommen ist. Die Besteuerung von Transferleistungen (also etwa die Familienbeihilfe zum Einkommen dazurechnen) sei durchaus eine Möglichkeit, meint er.

Der pensionierte Salzburger AHS-Lehrer Franz Schneider „hasst Lügen“, wie er sagt. Und als solche sieht er die ÖGB-AK-Kampagne für eine Reichensteuer. 30.000 Euro hat er daher für ein halbseitiges Krone-Inserat hingeblättert mit dem Titel „Lohnsteuer – wie viel ist’s wirklich?“ Dort rechnet er vor, dass 2,5 Millionen Österreicher gar keine Lohnsteuer zahlen. Die „reichsten“ 10 Prozent hingegen berappen 52 Prozent der gesamten Lohn- und 32 Prozent der Umsatzsteuer.

Steckt wirklich keine Partei oder Lobby-Organisation hinter dem Inserat? „Nein“, beteuert Schneider, der unter der angegebenen Telefonnummer tatsächlich abhebt. Er sei „Einzelkämpfer“, 83 Jahre alt, alleinstehend ohne Kinder. Er habe nie ein Auto gekauft und wolle sein Geld jetzt nicht dem Staat schenken, sondern aufklären. Früher habe er Mathematik und Physik unterrichtet und seinen eigenen Bildungsweg als Lehrling begonnen. Seit seiner Pensionierung engagiert er sich in Bürgerinitiativen.

Am Mittwoch klingelte sein Telefon ziemlich oft. Ja, auch ein Gewerkschafter habe angerufen, sagt Schneider. Er will jetzt weitermachen. Denn die ÖGB-Kampagne fördere einen neuen Klassenkampf und das empöre ihn. Sollte doch eine Organisation hinter dem Inserat stehen, so hat sie ihren Proponenten zumindest ziemlich gut ausgesucht.