Wirtschaft

Ukraine-Konflikt stürzt Russland in die Rezession

Der Schaden ist schon passiert: Die Ukraine-Krise belastet nicht nur die Konfliktparteien, sondern ganz Ost- und Südosteuropa – auch ohne "harte" Sanktionen gegen Moskau. Die europäische Wiederaufbaubank EBRD musste ihre frühere Wirtschaftsprognose vom Jänner auf die Hälfte zusammenstreichen. Statt 2,7 Prozent erwartet sie jetzt nur noch 1,4 Prozent Plus für jene 34 Länder der Region, in denen sie mit Know-how und Geld aushilft.

Besonders hart trifft es die Ukraine: Auch eine absehbar gute Ernte kann dem großen Agrarland nicht helfen, es wird heuer einen fürchterlichen Einbruch der Wirtschaftsleistung um sieben Prozent erleiden, prognostizierte die EBRD am Mittwoch bei ihrer Jahrestagung in Warschau. Auch nächstes Jahr dürfte sich kein Wachstum ausgehen.

Einen hohen Preis zahlt freilich auch Moskau: "Wir sehen bereits die Auswirkungen der angedrohten Sanktionen", sagte EBRD-Chefökonom Erik Berglöf. Die Verunsicherung ist gewaltig, Investoren kehren Russland in Scharen den Rücken. Allein im ersten Quartal 2014 sind 50 Milliarden Dollar abgeflossen. Von den üblichen Wachstumsraten um die vier Prozent ist lange keine Rede mehr. Das Land wandelt am Rande der Rezession (0,0 Prozent); für 2015 ist kaum Besserung in Sicht (plus 0,6 Prozent). Dabei seien das optimistische Annahmen, warnte die EBRD. Das dicke Ende käme, wenn sich die Lage verschlimmert und Finanz- oder Handelssanktionen beschlossen werden. Dann sei die Erholung in ganz Osteuropa 2014 und 2015 gefährdet.

Gewinnbringer wackelt

Der Schaden für Österreichs Wirtschaft bei einem Sanktionen-Beschluss wäre groß – besonders für die Banken steht einiges auf dem Spiel. Gemessen an der Größe sind sie am stärksten in Russland engagiert. Für die Raiffeisen Bank International und UniCredit Bank Austria war das Land bisher der wichtigste Gewinnbringer. "Die nähere Zukunft wird die westlichen Banken in Russland vor einige Herausforderungen stellen", prophezeit Berglöf nun. Von ihren Filialen auf der Halbinsel Krim mussten sich die Banken bereits verabschieden – sie fielen der ungeklärten Grenz- und Rechtssituation zwischen Russland und der Ukraine zum Opfer.

Bekenntnis zu Osteuropa

Man müsse nun auch in Russland die Wachstumsziele revidieren, sagte UniCredit-Osteuropa-Chef Gianni Franco Papa am Mittwoch. Die Bedrohung reiche weit über die Banken hinaus, betonte UniCredit-Generaldirektor Roberto Nicastro. "Russland ist für ganz Europa ein wichtiger Handelspartner. Es wird oft übersehen, aber etwa Italien exportiert mehr nach Russland als nach China."

Die langfristigen Wachstumschancen für Osteuropa sieht UniCredit weiter intakt: Eine Studie zeigt, dass sich das Vermögen (abzüglich Schulden) der osteuropäischen Haushalte seit 2004 gut verdoppelt hat. Mit 4000 Euro pro Kopf bleibt aber noch viel Aufholbedarf, bis die rund 50.000 Euro der reichsten westeuropäischen Staaten erreicht sind.

Die EBRD (European Bank for Reconstruction and Development) wurde 1991 gegründet, um Ex-Sowjetrepubliken beim Übergang in die Marktwirtschaft zu helfen. Mittlerweile ist die Bank, die 64 Ländern gehört, bis zur Mongolei und Nordafrika tätig. 2013 wurden 8,5 Mrd. Euro investiert. Die Neu-Aufnahme Libyens stand in Warschau auf der Agenda.