Wirtschaft

Überlebenskampf am Kunstmarkt

Ist bildende Kunst ein Geschäft? Kein lukratives, außer, man zählt zu den wenigen bekannten (gehypten) Namen. Preise? Kriegt man als fünfzigjährige Künstlerin ohne großen Namen eher nicht (mehr). Die gehen entweder an junge Nachwuchstalente oder an die Etablierten fürs Lebenswerk.

Willkür bei Ankäufen?

Um von Kunst leben zu können, muss man nötigenfalls auch Überlebenskünstler sein: Der private Markt schwächelt, der öffentliche ist oft intransparent. Mit einer One-Woman-Demo protestierte daher die Künstlerin Birgit Zinner am "Tag der Menschenrechte" für verbindliche Förderrichtlinien und einen detaillierten Kunstbericht der Stadt Wien. Ort der Aktion: das Musa (Museum Startgalerie Artothek). Dort werden die Ankäufe der Stadt ausgestellt. Es sei unklar, wer in der Jury sitze und nach welchen Vorgaben gekauft werde, so Zinner.

Ein einziges Mal, vor 15 Jahren, hat die Stadt ein Werk von ihr erworben. Eingereicht hat sie seither jedes Jahr, doch die Regeln seien diffus und würden manchmal auch spontan geändert: "Für mich ist diese Situation, geprägt von Gerüchten und widersprüchlichen Auskünften, Hoffnungen auf willkürliche Zuwendungen und Ängsten vor Benachteiligung, sollte man in ,Ungnade fallen‘, unerträglich und entwürdigend." Der Bund veröffentlicht übrigens im Gegensatz zu Wien jährlich eine Liste seiner Ankäufe.

Die Bildobjekt-Künstlerin Zinner lässt sich in kein Schema pressen. Aus Holz sägt sie in ihrem gemieteten Atelier im siebten Bezirk mehrdimensionale Objekte, die sich je nach Blickwinkel in Farbe und Form verändern. Da kann es auch vorkommen, dass man auf darunter geklebtes Holzspielzeug stößt. Sie hat an der Angewandten studiert (Tapisserie, Malerei und Grafik bei Rader-Soulek und Caramelle), hat für ihre Arbeiten Stipendien und Prämien bekommen, kann auf viele Ausstellungen verweisen und wird von zwei renommierten Galerien (Hrobsky und Walker) verkauft – zu durchaus moderaten Preisen: 3000 bis 5000 Euro kosten die Arbeiten ungefähr.

Kunst statt Kellnern

Seit 1990 lebt sie als Selbstständige mehr schlecht als recht von ihrer Arbeit. Andere Jobs? Ja, habe sie versucht, sei aber gescheitert, etwa bei der Post oder im Kellnergewerbe. Ihre perfektionistische Eigenwilligkeit war da offenbar im Weg. Beim Sortieren der vielen Briefe und der Überlegung, wie man das anders und besser machen könne, sei sie sogar in Ohnmacht gefallen, erzählt sie lachend. "Ich kann keinen anderen Beruf ausüben." Als Künstlerin werde man manchmal beneidet, oft scheel betrachtet. Als "normalen Job" sieht das keiner. Dabei arbeite sie pro Tag sieben bis acht Stunden an ihren Werken: sägen, schleifen, drehen, überlegen: "Das sind ja komplexe Gebilde."

Frausein ausschlachten

Im Vergleich zur Musik habe die bildende Kunst keinen ernsthaften Markt in Österreich, glaubt sie. Für Frauen sei es noch schwerer – außer sie seien bereit, die eigene Weiblichkeit künstlerisch (sei es feministisch oder um den eigenen Körper kreisend) auszuschlachten.

Eine Galerie zu finden, könne erniedrigend sein, erzählt Zinner. Denn die Galerien, die es oft selbst kaum schaffen, schwarze Zahlen schreiben, seien meist nicht einmal bereit, die Mappe einer Unbekannten anzusehen, weil sie in Anfragen untergehen. Da helfen nur Empfehlungen.

Zinner findet es traurig, dass der heimische Mittelstand wenig Interesse hat, privat Kunst abseits von Mainstream-Statussymbolen zu kaufen. "Dabei strahlen Bilder Stärke aus und geben einem Raum Aura."

Der Mittelstand bricht weg: Diese Diagnose kann man auch in der Welt der Kunst stellen. Dort erzielen immer weniger Künstler immer höhere Preise: Laut den Kunstmarkt-Analysten der Firma "Skate’s" stammten die 5000 teuersten weltweit auktionierten Kunstwerke im Jahr 2013 von nur 214 Künstlern; bei der Erhebung 2011 hatten sich die "Top 5000" noch auf 250 verschiedene Künstler verteilt.

Mit der Lebensrealität der meisten Künstler hat dieses Top-Segment wenig zu tun; laut einer Erhebung 2008 verdienten Österreichs bildende Künstler im Mittel überhaupt nur 3000 € im Jahr aus rein künstlerischer Arbeit. Wer von Stipendien, Aufträgen und Verkäufen an öffentliche und private Kunden leben kann, darf schon als erfolgreich gelten.

Die Verantwortung dafür an die öffentliche Kulturförderung oder (fehlende) private Gönner zu delegieren, ist gute österreichische Tradition. Doch es ist auch Zeit zu erkennen, dass es nicht immer die Stars des Kunstmarkts braucht, um auf neue Sichtweisen unserer Welt aufmerksam zu machen: Die Künstlerinnen und Künstler sind unter uns, und ihre Wertschätzung obliegt nicht nur den Schätzmeistern der Auktionshäuser und Galerien, sondern jedem, der sich von ihrer Arbeit angesprochen fühlt.

Wer Kunst erwirbt, die für einen selbst bedeutsam ist, stärkt auch eine Struktur, die für die geistige Vitalität der Gesellschaft wichtig ist. Auch, wenn solche Kunst im finanziellen Sinn vielleicht nicht immer ein "gutes Investment" ist.

Eine konkrete Reaktion hat der Protest von Birgit Zinner schon ausgelöst: Die Kulturabteilung der Stadt Wien will mit den Künstlerverbänden der Stadt diskutieren, ob ihre Ankäufe, die eine 8-köpfige Jury jährlich bestimmt, veröffentlicht werden sollen. Kommt von den Verbänden Zustimmung, wird ab 2015 abrufbar sein, welche Werke gekauft wurden. In Jahresberichten vieler Museen, Kommunen und Länder ist dies schon seit Langem üblich.

Tatsächlich sind die 240.000 €, die die Stadt für Förderankäufe zur Verfügung hat und mit "Restmitteln" anderer, nicht ausgeschöpfter Fördertöpfe auf rund 300.000 € jährlich aufstockt, für die vielen in Wien lebenden Künstlerinnen und Künstler keine enorme Ressource. "Die spezielle Situation in Wien ist, dass sehr viele Künstler ein Standbein hier haben", sagt Berthold Ecker, der Kunstreferent der Stadt. "Der Markt ist klein, doch die Szene eine der besten in Europa." Dass "mittelgroße" Künstler bei Ankäufen der Stadt vergessen werden, lässt Ecker nicht gelten; nur bei der letzten Runde habe man sich auf Künstler, die nie zuvor gekauft wurden, beschränkt.

Fördern und Sammeln

Bei Kunstankäufen der öffentlichen Hand lassen sich grundsätzlich "Förderankäufe" und "Sammlungsankäufe" unterscheiden. Analog zur Wiener Kulturabteilung sammeln auch die Länder sowie der Bund aus Fördergründen; Der Bund stellt jährlich rund 500.000 € für solche Käufe zur Verfügung, die Bilder landen in der "Artothek" und können von Dienststellen geliehen werden. Dazu gibt der Bund im Jahr noch 160.000 € für Foto-Ankäufe aus. Für die Erweiterung von Museumssammlungen erhalten 13 Landes- und Bundesmuseen vom Bund jährlich 36.500 €, die sie auf mindestens 54.000 € aufstocken und bei heimischen Galerien für in Österreich lebende Künstlerinnen und Künstler ausgeben müssen. Je 18.000 € sind dabei für Werke von jungen Künstlerinnen und Künstlern zweckgewidmet.