Wirtschaft

Handels-Schifffahrt: Piraten schlugen 246 Mal zu

Die internationale Piraterie hält die weltweite Handelsschifffahrt weiterhin in Atem. Nach Angaben des International Maritime Bureau (IBM), der Seefahrt-Ermittlungsstelle der Internationale Handelskammer (ICC) wurden im Vorjahr 246 Handelsschiffe gekapert und 271 Seeleute als Geiseln genommen. Das ist nur ein Fall mehr als im Jahr 2014.

203 Schiffe wurden laut IMB von Piraten geentert, 15 Schiffe wurden entführt, ein Schiff wurde beschossen und in 27 Fällen konnten die Überfälle unter anderem von der Besatzung oder Kriegsschiffen vereitelt werden.

Die meisten Überfälle gibt es laut Pottengal Mukundan, Chef des IMB mit Sitz in London und Kuala Lumpur, in Südost-Asien. „Die Hotspots der Piraten sind vor Indonesien und Malaysia sowie die Küsten von Somalia und Nigeria“, sagt Max Burger-Scheidlin von der Internationalen Handelskammer (ICC Austria) in Wien. „Auch an der Küste Vietnams nehmen die Fälle neuerdings zu.“

Küste Nigerias

In Sachen Attacken gibt es aber auch eine Dunkelziffer, weil zum Beispiel nicht alle Überfälle vor der Küste Nigerias auch gemeldet oder publik werden. 14 Schiffe wurden 2015 vor Nigeria geentert, darunter ein Öltanker. Zehn Piraten haben das Kommando auf dem Tanker übernommen und das geladene Erdöl zum Teil auf eines ihrer Schiffe umgepumpt. Doch die Navy von Ghana hatte gerade ein anderes Schiff gestoppt und untersucht, als der Tanker mit den Piraten in ihren Hoheitsgewässern auftauchte. Der Tanker wurde aufgebracht und die Täter konnten festgenommen werden. Weiterhin befinden sich aber 29 asiatische Seeleute in der Hand von Geiselnehmern in Somalia.

Mehr Überfälle vor Vietnam

Vor der Küste Vietnams nahm die Piraterie stark zu. Waren es 2014 nur sieben Schiffe, die in die Hände von Piraten fielen, so waren es 2015 bereits 27 Schiffe. Vor allem ankernde Schiffe werden vor Vietnam attackiert - in 15 Fällen vor dem vietnamesischen Hafen Vung Tau.

Chinas Küsten

Laut IMB wurden seit langer Zeit auch wieder Überfälle auf Schiffe vor Chinas Küsten verübt – nämlich vier Fälle. In einem Fall wurde Diesel von einem Tanker abgepumpt, ein Überfall scheiterte. Auch vor Bangladesch nehmen die Attacken wieder zu. Die Überfälle stiegen von 11 auf 21 Fälle.

Schiffs-Piraterie kein Einzelphänomen

Laut Burger-Scheidlin kann man die Schiffs-Piraterie nicht als Einzelphänomen ansehen. „Wenn an Land der Staat in manchen Bereichen schwach oder nicht vorhanden ist, oder Korruption und Hoffnungslosigkeit herrscht, dann gehen die Leute auf das Meer raus, und gehen dem gefährlichen Geschäft der Piraterie nach“, sagt Burger-Scheidlin im Gespräch mit dem KURIER. „Das Problem der Piraterie kann man langfristig nur an Land lösen. Zwar schicken die Europäische Union und andere Länder viele Militärschiffe vor die Küste Somalias. Das kann nur eine kurzfristige Verbesserung der Symptome sein, aber keine nachhaltige Lösung." Nachsatz: "Das Phänomen Piraterie kann nur an Land gelöst werden.“ Zwischen dem Länder-Korruptionsindex, den Transparency International jährlich erstellt, und der Piraterie gibt es laut Burger-Scheidlin durchaus Parallelen.

Deutsche Reeder

Der Verband Deutscher Reeder (VDR) hat vor einem Nachlassen im Kampf gegen die Piraten am Horn von Afrika gewarnt. „Die Präsenz der Marinestreitkräfte im Golf von Aden und ihre Luftüberwachung - kombiniert mit den Schutzmaßnahmen der Reeder - nimmt den Verbrechern in Somalia erfolgreich den Sauerstoff“, erklärte Ralf Nagel vom VDR. Insgesamt gleiche die Situation jedoch einem Schwelbrand, warnte er. Sollte der Schutz nachlassen, „werden die Flammen schnell wieder auflodern“.

Der Beitrag der Deutschen Marine im Rahmen der EU-Mission „Atalanta“ sei für den Schutz der Seeleute von großer Bedeutung, betonte Nagel. Hinzu komme die abschreckende Wirkung privater bewaffneter Sicherheitskräfte an Bord der Handelsschiffe. Die Geiselnahmen und auch die Tötung eines Seemannes erfolgten laut VDR im Golf von Guinea, vor Nigeria und Ghana. In der Region gebe es keinen zuverlässigen Schutz durch Marine und Küstenwache der Anrainerstaaten.

Bewaffnung der Besatzungen gefordert

Die Reedereien dürften ihre Schiffe zudem nicht mit ihren eigenen Sicherheitskräften beschützen, weil das die Küstenstaaten dort nicht zuließen. „Die deutsche Bundesregierung muss sich über die Europäische Union dringend für die Zulassung privater bewaffneter Sicherheitskräfte an Bord unserer Schiffe durch die Anrainerstaaten am Golf von Guinea einsetzen“, sagte Nagel. Die Deutsche Marine will sich nun doch nicht mit einem U-Boot an der Anti-Piraten-Mission vor der Küste Somalias beteiligen. „Der Einsatz von U34 von März bis August wurde aus operativen Gründen abgesagt“, sagte ein Sprecher des Marinekommandos in Rostock. Grund seien die Belastungen durch den Anti-IS-Einsatz und die Operation „Sophia“ im Mittelmeer gegen Schleuser. Vor Somalia kämen nun lediglich die Fregatte „Bayern“ und der Tanker „Spessart“ zum Einsatz.