Wirtschaft

Überbetriebliche Lehre ist teuer, aber wirksam

Die Regierung will mehr Lehrlinge in Betriebe unterbringen und dafür die überbetriebliche Lehrausbildung (ÜBA) kräftig zurückstutzen. Am Dienstag sollen dafür im AMS-Verwaltungsrat entsprechende Budgetkürzungen bzw. -umschichtungen beschlossen werden.

Die einst wegen akuten Lehrstellenmangels ins Leben gerufenen „staatlichen Ersatzlehrstellen“ seien in Zeiten von Lehrstellenüberhang in einigen Bundesländern nicht mehr nötig, so die Begründung. Die aktuell rund 9000 ÜBA-Lehrlinge sollen möglichst rasch in Betriebe wechseln oder zumindest ein Pflichtpraktika in einem Betrieb absolvieren müssen.

Bildungseinrichtungen wie das Bfi Wien oder Weidinger & Partner, die die meisten ÜBA-Lehrlinge ausbilden und mit ihren Trainern von den Kürzungen massiv betroffen sind, wehren sich. „Wir nehmen der Wirtschaft ja nicht die Lehrlinge weg. Bei uns landen viel mehr jene, die die Wirtschaft nicht will“, argumentiert BFI-Wien-Chef Franz-Josef Lackinger. Schon jetzt würde jeder zweite ÜBA-Lehrling während der Lehrzeit in einen Betrieb wechseln. Auch Betriebspraktika gebe es längst.

Höherer Verdienst

Das Argument, ÜBA-Lehrlinge würden zu viel kosten, lassen die Ausbildungsinstitute nicht gelten. Sie verweisen viel mehr auf eine Analyse der Forschungsstelle Synthesis. Sie nahm die überbetriebliche Lehrausbildung genau unter die Lupe und kam zu einem positiven Ergebnis „für alle Beteiligten“, wie es heißt. So verdienen ÜBA-Teilnehmer nach erfüllter Lehrzeit deutlich besser und sind weniger oft arbeitslos als wenn sie keinen Abschluss hätten. Untersucht wurde die weitere Berufslaufbahn von Jugendlichen, die 2008/09 in eine ÜBA eintraten. Von diesen 7434 erfüllten 5265 die Lehrzeit und schafften den Sprung ins Berufsleben.

2017 waren noch 5001 am heimischen Arbeitsmarkt aktiv, die meisten im Dienstleistungssektor und in der Industrie. Sie verdienten im Schnitt 22.715 Euro brutto (Männer: 24.262/Frauen: 19.025 Euro). Das ist um 7233 Euro mehr als der Jahresverdienst jener, die die Lehrzeit nicht erfüllten. Ein „eklatanter“ Unterschied zeigt sich bei der Arbeitslosigkeit, die bei Lehrabbrechern besonders hoch ist. ÜBA-Absolventen hingegen haben in etwa ein ebenso geringes Arbeitslosenrisiko wie Absolventen einer Lehre im Betrieb.

Ideologisierte Debatte

Die Finanzierung der ÜBA rechnet sich laut Studie sowohl für die öffentliche Hand als auch aus gesamtwirtschaftlicher Sicht. Die für die Absolventen errechneten Ausbildungskosten von 39,2 Mio. Euro stehen schon nach vier Jahren Mehreinnahmen durch eine höhere Wertschöpfung von 41,8 Mio. Euro gegenüber. „Damit kommt es bereits im vierten Jahr zu einem Ausgleich der ursprünglichen Ausgaben“, heißt es in der Studie.

„Die Debatte ist derzeit sehr ideologisiert. Daher wollten wir mit der Studie Fakten aufzeigen. Und auch Argumenten der Wirtschaft entgegentreten, wonach die überbetriebliche Lehre den Unternehmen Lehrlinge wegnehmen würde. Das stimmt nicht“, sagt Reinhard Weidinger von der Ausbildungseinrichtung Weidinger & Partner. Denn in der überbetrieblichen Lehre würden nur jene Jugendlichen landen, die von den Betrieben nicht genommen worden seien.

Große Lücke

Rund 9000 Lehrlinge sind in einer überbetrieblichen Ausbildungsstätte (ÜBA), die Hälfte davon in Wien. Die Ausbildung  ist ein Mix aus Lehre, Betriebspraktikum, Berufsschule und sozialpädagogischer Betreuung. Ein Wechsel in einen regulären Lehrplatz ist  möglich. Die Kosten betragen 150 Mio.  Euro, davon 70 Mio. in Wien.

Größte Ausbildner sind Bfi und Weidinger & Partner.Ende November standen 6264 Lehrstellensuchenden fast 6000 offene Lehrstellen gegenüber. Jährlich fallen mehr als 5000 Jugendliche aus dem Bildungssystem. Das Risiko, später dauerhaft arbeitslos zu sein, ist hoch. Seit 2017 gibt es  daher die Ausbildungspflicht bis  zum 18. Lebensjahr.