Türkische Notenbank senkte Leitzins trotz Extrem-Inflation
Trotz der aus dem Ruder laufenden Inflation hat die türkische Zentralbank ihren Leitzins überraschend gesenkt. Der geldpolitische Schlüsselsatz wird um einen vollen Punkt von bisher 13 auf nunmehr zwölf Prozent zurückgenommen, wie die Währungshüter am Donnerstag mitteilten. Zur Begründung hieß es, das Wachstum müsse angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen gestützt werden.
Die Konjunktur habe im laufenden Sommerquartal wegen der schwächeren Auslandsnachfrage weiter an Schwung verloren. Die türkische Landeswährung reagierte sofort auf den unerwarteten Schritt: Die Lira rutschte auf ein Rekordtief von 18,42 zum Dollar ab.
Rohstoffmangel
Die Inflation ist zuletzt immer weiter in die Höhe geschossen. Die Teuerungsrate erreichte im August mit 80,21 Prozent das höchste Niveau seit 1998. Der Gipfel dürfte nach bisheriger Prognose der Zentralbank erst im Herbst erreicht werden, und zwar mit Teuerungsraten von nahezu 90 Prozent. Grund für die Entwicklung sind vor allem die Folgen des russischen Krieges gegen die Ukraine, durch den viele Rohstoffe deutlich teurer geworden sind.
Schwache Währung
Die steigende Inflation ist aber auch eng verbunden mit der schwächelnden Lira: Die Landeswährung hat im vergangenen Jahr 44 Prozent an Wert zum Dollar verloren, in diesem Jahr bisher mehr als ein Viertel. Grund dafür wiederum ist auch, dass die Zentralbank ihren Leitzins seit vergangenem Herbst schrittweise von 19 auf aktuell zwölf Prozent gesenkt hat, obwohl die ökonomischen Lehrbücher bei stark steigenden Preisen eigentlich Zinserhöhungen empfehlen.
Sinkende Zinsen machen eine Währung für Anleger unattraktiver. Die schwache Lira wiederum verteuert Importe, auf die die rohstoffarme Türkei angewiesen ist.
In einer solchen Lage die Zinszügel zu lockern, widerspricht der gängigen ökonomischen Lehrmeinung. Gestützt wird ein solches unorthodoxes Vorgehen indes vom türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der sich selbst als Zinsfeind bezeichnet.