Wirtschaft

TTIP-Tauziehen: Her mit dem Speck

Die Lobbyisten der US-Lebensmittelindustrie sind hartnäckig. Nach wie vor versuchen sie bei den Verhandlungen über das transatlantische Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) die rund 1500 geschützten Herkunftsbezeichnungen der EU für Lebens- und Genussmittel auszuhebeln. Die US-Lebensmittelproduzenten wollen ihre Anteile am EU-Markt deutlich erhöhen. Billigen Schaumwein unter dem Namen Champagner zu verkaufen ist kein schlechtes Geschäft.

Das ist derzeit in der EU nicht möglich. Am strengsten sind die Regeln für Lebensmittel, die als geschützte Ursprungsbezeichnung (gU) registriert sind. Sie müssen in einer Region erzeugt, verarbeitet und nach einem festgelegten Verfahren hergestellt werden. Diese Vorgaben erfüllen Parmaschinken oder Parmesan sowie griechischer Feta-Käse. In Österreich sind es acht Produkte wie etwa Wachauer Marille oder Tiroler Bergkäse, der selbstverständlich aus Milch von Tiroler Kühen erzeugt wird. Nun soll die steirische Käferbohne dazukommen.

Weniger streng sind die EU-Regeln bei den geschützten geografischen Angaben (ggA). Es reicht, wenn entweder die Erzeugung oder die Verarbeitung oder die Herstellung in einer Region erfolgt. In Österreich betrifft das sechs Produkte wie Tiroler Speck oder Mostviertler Birnmost. Die Schweine aus denen der Tiroler Speck erzeugt wird, werden oft aus den Niederlanden importiert. Auch 90 Prozent des für Schwarzwälder Schinken verwendeten Schweinefleisches kommen nicht aus dem Schwarzwald.

Nicht an eine Region gebunden ist die Bezeichnung "Garantiert traditionelle Spezialität " (gtS). Hier geht es lediglich um eine traditionelle Zusammensetzung oder ein bestimmtes Herstellungsverfahren. Mozzarella kann überall produziert werden, solange diese Bedingungen eingehalten werden.

Feine Unterschiede

So feine Unterscheidungen wie im Lebensmittelrecht der EU interessieren in den USA aber so gut wie niemanden. Das haben 45 US-Senatoren vergangenes Jahr in einem Brief klargemacht. Derartige "Handelsbarrieren" seien lediglich "unfaire Einschränkungen", deren Abschaffung bei den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen "vordringlich behandelt werden muss". Die EU will schließlich die hohen Zölle von rund 30 Prozent auf Fleisch und teilweise deutlich über 100 Prozent auf Molkereierzeugnisse wegverhandeln. Die US-Agrarindustrie verlangt dafür Gegenleistungen.

Ende der Wurst

Die Wortspende des deutschen Agrarministers Christian Schmidt, man könne bei den Verhandlungen "nicht jede Wurst schützen", hat die EU-Kommission und Agrarminister Andrä Rupprechter auf den Plan gerufen. Man sei nicht bereit, auf Herkunftsbezeichnungen zu verzichten, hieß es unisono.

Zumal in der EU ab April 2015 strengere Regeln für die Deklaration von Fleisch in Kraft treten. Künftig muss zwischen "aufgezogen in" und "geschlachtet in" unterschieden werden. Derzeit ist es noch möglich , ein im Ausland aufgezogenes Schwein im Inland zu schlachten und als Schweinefleisch aus Österreich zu verkaufen.

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"Einem Freihandelsabkommen mit den USA, das die umstrittene Investitionsschutzklausel enthält, wird die Mehrheit der EU-Abgeordneten nicht zustimmen", sagte der Vizepräsident der Europäischen Sozialdemokraten, Jörg Leichtfried, gestern, Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wien.

Die Verhandler müssten akzeptieren, dass es bei hoch entwickelten Rechtssystemen keine Sondergerichte brauche, betonte der Leiter der SPÖ-Abgeordneten im EU-Parlament. Immer mehr EU-Staaten würden die Investitionsschutzklauseln ablehnen, behauptet Leichtfried. Auch bei den Demokraten im US-Kongress kippe derzeit die Stimmung. "Auch sie wollen keine Schutzklauseln haben." Eine Alternative wäre die Gerichtsbarkeit der Welthandelsorganisation.

Neben dem Investorenschutz nennt Leichtfried noch zwei andere Knackpunkte im geplanen Freihandelsvertrag: Produkte mit geschützter Ursprungsbezeichnung (siehe Artikel oben) und das von den Amerikanern verhasste europäische Vorsorge-Prinzip. In der EU etwa werden Inhaltsstoffe von Nahrungsmitteln vorab geprüft, ob es Schadwirkungen gibt. In den USA kommen die Produkte sofort in den Verkehr und der Staat kann erst dann eingreifen, wenn wissenschaftlich bewiesen ist, welchen schädlichen Einfluss der Produkte es auf die Gesundheit gibt.

Am 20. Jänner kommt EU-Handeskommissarin Cecilia Malmström nach Österreich, um die Nationalratsabgeordneten über TTIP zu informieren. Die rechtsliberale Schwedin befürwortet uneingeschränkt das Abkommen. Nach Gesprächen im Parlament trifft sie Vizekanzler Reinhold Mitterlehner.