Wirtschaft

Kuhglocken für das Adrenalin

Weiße Pisten, blauer Himmel, man selbst mit fescher Haube mittendrin. Blöd nur, wenn man damit nicht bei den Daheimgebliebenen angeben kann. Weil es am Sessellift kein WLAN und damit keine Möglichkeit gibt, Fotos via Facebook oder WhatsApp zu posten. Der moderne Mensch scheint an solchen Situationen zu verzweifeln.

Touristiker reagieren. Weniger aus Nächstenliebe als aus Eigennutz. "Es ist das günstigste Marketing, wenn Bilder über Social Media in die Welt geschickt werden", sagt Christian Schnöller, Marketingleiter von den Bergbahnen Sölden. In Sölden wird das flächendeckende mobile Internet derzeit noch getestet. Eine Cloud soll sich ab nächstem Winter über die Pisten und den Ort legen. So wie in vielen anderen Skigebieten auch.

"90 Prozent der Postings aus dem Urlaub sind positiv", weiß Hubert Siller, Tourismusexperte vom Management Centrum Innsbruck (MCI). Er kommt gerade aus dem Disneyland in Orlando. "Von Freizeitparks kann der Tourismus noch viel lernen", sagt er. Aufs Herz der Gäste zielen und ihre Brieftaschen öffnen, laute das Motto.

Der Gast hat sich geändert. Postkarten schreiben war gestern. Heute werden Fotos, die man mit dem Handy von sich selbst macht, durch die Welt geschickt. "Es geht um den Selbstvermarktungstrieb der städtischen Menschen", meint Gilberto Loacker, der mit seiner Skyline Media AG auf Erlebnismarketing spezialisiert ist. Die Agentur steckt hinter dem neuen Adrenalin Cup Sölden.

Wer will, kann dabei etwa aus einem Starthaus starten, begleitet von Kuhglockengeläute und im Ziel von Jubelrufen empfangen werden. Alles vollautomatisch eingespielt und auf Video aufgenommen. Das gibt dem Gast das Gefühl, wichtig zu sein und vor allem die Möglichkeit, dieses Gefühl mit Freunden zu teilen. Denn keine zehn Minuten später ist das Video, inklusive Zeit- und Geschwindigkeitsmessung und einer Listung im Wochensiegerranking, abrufbar. Durch Eingabe der Skipassnummer via App. Loacker schätzt, dass fünf Prozent der Skifahrer in Sölden in den Adrenalin Cup einsteigen werden. Jack Falkner, dem Chef der Bergbahnen Sölden, war das immerhin "einen Betrag knapp unter der Millionengrenze" wert. Falkner: "Entscheidend ist, dass der Kunde etwas erlebt und davon erzählt."

Pinguin auf Schulter

Dieser Meinung ist auch Helmut Müller von der Input Projektentwicklung. "Wir haben es in gewisser Weise verlernt, uns selbst zu unterhalten", sagt er. Ob beim Wandern oder Skifahren, ohne Inszenierung würde uns "schnell fad werden". Wie so eine Inszenierung funktionieren kann, machen auch Scheichs in einer Skihalle in Dubai vor. Müller: "Dort kann man sich für 70 Dollar mit einem Pinguin auf der Schulter fotografieren lassen."

Der Skiweltcup-Auftakt in Sölden ist für Jack Falkner ein Heimspiel. Trotzdem ist der Chef der Söldener Bergbahnen beim ersten Durchgang der Rennen selten auf der VIP-Tribüne. Lieber sitzt er noch zu Hause vor dem Fernseher – um zu sehen, welche Werbebilder von Sölden um die Welt geschickt werden.

Sölden ist dieses Wochenende mit dem Weltcup in die Skisaison gestartet. In der Gemeinde kommen auf 3200 Einwohner 10.500 Gästebetten. Die Bilder zum Saisonauftakt waren perfekt – verschneite Hänge und Sonnenschein. Russische Gäste werden heuer dennoch oft ausbleiben. Wegen der Rubelabwertung. „Österreichische Reiseveranstalter berichten von einer verhaltenen Nachfrage“, sagt Petra Stolba, Chefin der Österreich Werbung.

Reisen gewinnen

Besser schaut es in Deutschland und Großbritannien aus. Stolba: „Bei den Briten gehen wir heuer von einem Plus von drei bis fünf Prozent aus.“ Sicherheitshalber kurvt derzeit auch ein mit Winterbildern überzogenes Quiz-Taxi durch die Londoner City, um Lust auf Österreich zu machen und ein paar Reisen zu verlosen. Vergangenen Winter haben die Briten um 1,8 Prozent weniger Nächte in Österreich verbracht als in der Saison zuvor.

Bernhard Riml vom Ötztal Tourismus rechnet diesen Winter mit „maximal 20 Prozent“ weniger russischen Gästen. Damit dürfte das alte Jänner-Loch wieder ein Stück weit aufklaffen. Zumindest in exklusiven Restaurants, wie dem IceQ, dem Söldener Prestigeobjekt auf 3084 Metern Höhe. Für maximal hundert Gäste wird täglich aufgekocht. Die Preise sind moderat, betont Restaurantleiter Valentino Schwarz. Ein Kaffee kostet 3,80 Euro – und hat Schwarz bei der Eröffnung vor einem Jahr Nerven gekostet. „Auf unserer Höhe beginnt Wasser schon bei 87 Grad zu kochen, das hat der Maschine Probleme gemacht.“ Im vergangenen Jänner waren 70 Prozent seiner Gäste Russen. In dieser Zeit hatte er Austern und Hummer auch ohne Vorbestellung im Restaurant.

Seilbahner aufgerüstetÖsterreichs Seilbahnwirtschaft hat heuer „mehr als 500 Millionen Euro“ in die Anlagen investiert, rechnet Branchenobmann Franz Hörl vor. 2900 Liftanlagen gibt es landesweit. Der Kassenumsatz gab im Vorjahr wegen der schlechten Witterungsverhältnisse leicht auf 1,2 Milliarden Euro nach.