Studie: "Lockdown nahezu ein Digitalisierungsboost"
Schon vor der Coronakrise war der digitale Wandel in heimischen Unternehmen stark auf dem Vormarsch. Das zeigt eine repräsentative Befragung des Beratungsunternehmens EY unter 900 Unternehmen mit 30 bis 2.000 Mitarbeitern im Dezember des Vorjahres.
Bei 77 Prozent der Betriebe – das sind vier Prozentpunkte mehr als im Vorjahr (73 Prozent) – spielen demnach digitale Technologien für das eigene Geschäftsmodell mittlerweile eine (sehr) große Rolle. 2018 war das erst bei 56 Prozent der Fall. Nur noch drei Prozent (2019: 6 Prozent) klammern die Digitalisierung aus ihrem Unternehmenskonzept aus und schreiben ihr keine Bedeutung zu. 2018 waren es noch 20 Prozent.
"Damit setzen österreichische Unternehmen bereits deutlich stärker auf digitale Technologien als Betriebe in Deutschland mit 68 Prozent", sagt Gunther Reimoser, Country Managing Partner bei EY Österreich. "Schon vor der Coronakrise war der digitale Wandel in heimischen Unternehmen stark auf dem Vormarsch", stellt er fest und erwartet eine weitere, Corona-bedingte Zunahme.
Digitalisierungsschub
„Immer mehr österreichische Unternehmen integrieren digitale Technologien in ihre Geschäftsmodelle. Das zahlt sich eindeutig aus und bringt gerade in der aktuellen Situation einen klaren Vorsprung", sagt Reimoser. "Die digitalen Vorreiter können deutlich schneller und flexibler agieren, wie nicht zuletzt der Lockdown in Folge der Coronakrise gezeigt hat."
Omnichannel-Anbieter seien hier mehr denn je auf der Überholspur. "Der Digitalisierungsschub in Folge von Covid-19 muss genutzt werden, um die Vorteile digitaler Technologien noch konsequenter in den Mittelpunkt der Strategie zu stellen.“
Große gegen Kleine
Allerdings steht Österreichs Wirtschaft laut Reimoser nach wie vor am digitalen Scheideweg. Die Lücke zwischen großen und kleineren Unternehmen habe sich noch nicht merklich verringert. Während jedes zweite Unternehmen mit Jahresumsätzen von mehr als 100 Millionen Euro (46 Prozent) digitalen Technologien eine sehr große Rolle für das eigene Geschäftsmodell zuschreibt, ist es bei kleineren Unternehmen (Jahresumsatz unter 30 Millionen Euro) nicht einmal ein Viertel (23 Prozent).
Dementsprechend sei auch ein Optimismus-Gefälle abhängig von der Betriebsgröße erkennbar: Während jedes zweite Großunternehmen digitale Technologien als Chance sieht, sind kleinere Unternehmen deutlich skeptischer (15 Prozent).
Digitale Zweiklassengesellschaft
„Die digitale Zweiklassengesellschaft hat sich im letzten Jahr weiter gefestigt", stellt Reimoser fest. "Es ist für Unternehmen und die gesamte Wirtschaft gefährlich, wenn der digitale Wandel als eine Frage der Unternehmensgröße gesehen wird."
Ausgerechnet die Coronakrise könnte hier allerdings zum Lückenschließer werden. "Gerade für kleinere Unternehmen war der Lockdown nahezu ein Digitalisierungsboost, der in den nächsten Monaten zu einem digitalen Richtungswechsel führen wird", sagt Axel Preiss, Leiter der Unternehmensberatung bei EY Österreich. "Nicht zuletzt das Damoklesschwert eines potenziellen neuerlichen Lockdowns treibt die Digitalisierungsagenden in hohem Tempo voran."
Personalmangel
Geht man vom Normalbetrieb vor dem Ausbruch der Coronakrise aus, wird vor allem der Fachkräftemangel als Problem gesehen. Er verursacht den befragten Firmen zufole nicht nur Umsatzeinbußen, sondern bremst auch die Digitalisierung. 15 Prozent – und damit mehr als 2019 (12) – der Unternehmen sehen den Mangel an qualifiziertem Personal als Hemmschuh für die Implementierung digitaler Technologien. Stärker bremsen nur fehlende finanzielle Mittel (17 Prozent, 2019: 12 Prozent).
Mit der Standortpolitik sind fast zwei Drittel (62 Prozent) zufrieden. Ebenso 62 Prozent beurteilen den digitalen Standort Österreich positiv – ein Plus von sechs Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr. Vor allem die Leistungsfähigkeit der digitalen Infrastruktur – also der Zugang zu hohen Bandbreiten – wird von mehr als zwei Dritteln positiv bewertet.