Wirtschaft

Start-up-Deal: Was machen Sie mit 20 Mio. Euro, Frau Quidenus?

Die Meldung sorgte in der Vorwoche für Staunen in der Start-up-Szene. Das von fünf Österreichern in Berlin gegründete Unternehmen Omnius sammelte knapp 20 Millionen Euro bei privaten Investoren ein. Gleich drei Risikokapital-Geber stellten sich bei den Österreichern an, um beim gehypten Thema künstliche Intelligenz (KI) nur ja nichts zu versäumen.

Aber was macht Omnius so besonders? Kurz gesagt eine „intelligente“ Technologie, die auch Handschrift lesen, digitalisieren und weiterverarbeiten kann. Große Mengen aus handschriftlich ausgefüllten Formularen werden damit automatisch zu strukturierten Daten. Wichtigste Anwendung, auf die sich das Omnius-Team derzeit konzentriert, ist die Automatisierung der Schadensabwicklung bei Versicherungen. „Wir können den Prozess von der Einreichung der Schadensmeldung bis zur Auszahlung erheblich beschleunigen“, erläutert Omnius-Chefin und Gründerin Sofie Quidenus-Wahlforss im KURIER-Gespräch. Durch ständiges Dazulernen werde die Lösung mit jedem Dokument „intelligenter“.

Kostensenker

Anders als in der Bankenwelt ist die Digitalisierung in der Versicherungsbranche noch nicht wirklich angekommen, Automatisierung und damit Kostensenkung ist daher ein heißes Thema. Als Jobkiller in einer personalintensiven Branche sieht Quidenus ihre Lösung freilich nicht: „Wir optimieren die Arbeitsschritte in der Schadensabwicklung, aber der Mensch bleibt ja weiterhin involviert. Den können wir gar nicht ersetzen, aber ihm ein bisschen mehr Zeit verschaffen“.

KI-Software sei immer noch Software und kein Roboter. Versicherungen könnten sich aber wieder mehr um ihre Kunden statt um Abläufe kümmern. Auch völlig neue Produkte und Dienstleistungen seien mit künstlicher Intelligenz möglich. Ihre Definition von KI fällt „ganz pragmatisch“ aus: „Wir trainieren Algorithmen so lange, bis sie in der Lage sind, ein Problem zu bearbeiten.“

Hoch hinaus

Was macht ein Start-up mit 20 Millionen Euro? Quidenus will es ins eigene Personal investieren. Die Mitarbeiterzahl soll sich bis Ende 2019 auf 100 verdoppeln. Noch heuer soll der US-amerikanische Markt in Angriff genommen werden. Dafür will sie sich die nötige Zeit gönnen. „Es braucht auch Ruhe, um Resultate zu erzielen.“ Erste namhafte Kunden sind die deutsche Allianz und Baloise aus der Schweiz, die ebenfalls Kapital bereitstellten. Österreichische Versicherungsunternehmen zählen noch nicht dazu. „Es beginnen die großen Tanker in der Branche, sich umzustellen, andere werden folgen“, ist Quidenus zuversichtlich.

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Omnius wurde ursprünglich als Searchink 2015 von Quidenus und den vier Österreichern Eric Pfarl, Stephan Dorfmeister, Harald Gölles und Martin Micko gegründet. Seit der Umbenennung und Neuausrichtung 2018 konzentriert man sich ganz auf die Versicherungsbranche.

Pendlerin

Die 36-jährige Quidenus, die heuer auch in die Forbes-Liste der "50 Women in Tech Europe" aufgenommen wurde,  ist in Berlin mit einem Schweden verheiratet. Im Zwei-Wochen-Rhythmus pendelt sie nach Wien, wo sie aufgewachsen ist. „Wien ist meine Kraftquelle, alle meine Freunde wohnen hier“, erzählt die gebürtige Salzburgerin. Die digitale Welt ermögliche ein digitales Leben. Ist Berlin die bessere Start-up-Stadt? Ja, es gebe hier mehr Kapitalgeber, aber erfolgreich Gründen sei auch in Wien möglich.

Der Unternehmergeist erfasste sie schon früh. Schon als WU-Studentin (Fokus Entrepreneurship und Innovationsmanagement) gründete sie zwei Firmen. Eine organisierte Malkurse für Senioren, die zweite Schulbälle. Mit 21 folgte Qidenus Technologies, das sich auf das Scannen von Büchern in Bibliotheken konzentriert. Der ganz große Erfolg blieb bisher aus, Qidenus macht nach einer Sanierung jetzt klein weiter. Trotz des Geldregens sieht die Gründerin den Hype um Technologie-Start-ups differenziert. „Es muss nicht jeder danach streben, ein Einhorn zu gründen, es können auch viele kleine Zebras erfolgreich sein.“