Wirtschaft

Spanien ist so gut wie über den Berg

Zuckerbrot für Madrid, die Peitsche für Athen: So bewerten spanische Kommentatoren die aktuelle EU-Strategie. "Brüssel kommt den Spaniern weit entgegen, weil sie das Musterbeispiel für erfolgreiche Reformen abliefern", sagte Michael Spalek, Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Madrid, am Montag.

Seit dem Vorjahr ist das Land auf Wachstumskurs, für heuer werden bis zu 2,3 Prozent BIP-Plus erwartet. Das sollte die angespannte soziale Lage etwas verbessern: Immer sind noch 24,5 Prozent der Menschen arbeitslos gemeldet. Das strapaziert das traditionelle spanische Auffangnetz, die Familie, heftig: In 1,4 Millionen Haushalten hat gar kein Mitglied mehr ein (offizielles) Beschäftigungsverhältnis. Die niedrig qualifizierten Jobs, die im Bauboom vor 2008 fürstlich entlohnt waren, kehren nicht zurück. Delogierungen wegen unbezahlter Kreditraten sind weiterhin trauriger Alltag.

Chancen für Österreich

Dennoch gibt es Licht am Ende des Tunnels. Spanien ist dank des strikten Reformkurses wieder wettbewerbsfähig geworden: Der gelockerte Kündigungsschutz, Einsparungen in den Betrieben sowie Lohnkürzungen machen es für ausländische Firmen attraktiv zu investieren.

Auch die Bankensanierung, für die Madrid 41 Mrd. Euro Kredit beim Euro-Rettungsfonds aufnahm, war erfolgreich. Gerade an kleine und mittlere Unternehmen, die im Export wachsen wollen, fließen wieder Kredite.

Das treibt die Ausfuhren an: In den ersten neun Monaten 2014 stand ein Plus von 9 Prozent zu Buche. Anders als in Griechenland gebe es eine gesunde Industriebasis, auf die man sich nach dem Immobilienhype besonnen habe, sagt Spalek. An gut ausgebildeten Fachkräfte herrscht (noch) kein Mangel.

Besonders spürbar wird das in der Autobranche: Spanien ist nach Deutschland das zweitgrößte EU-Herstellerland mit 17 Produktionsstandorten für acht Konzerne (PSA Peugeot Citroën, Seat/Volkswagen/Audi, Renault, Nissan, Ford, GM, Mercedes, Iveco). Ein großer Player ist Spanien auch bei Mode (Zara, Mango, Desigual) und Lebensmitteln (Paradeiser, Olivenöl, Wein). Mit 2,1 Mrd. Euro waren die Ausfuhren nach Österreich zuletzt etwas höher als die Einfuhren (1,9 Mrd. Euro). Für österreichische Automobilzulieferer und Anlagenbauer sieht Spalek jetzt besonders gute Chancen. Ebenso für "urbane Technologien" – von E-Autos über intelligente Stromnetze bis zu energieeffizienten LED-Lampen oder Fassadendämmungen.

Korrupte Altparteien

Spaniens Wirtschaft scheint also über den Berg – noch nicht überwunden sind die Schulden: Neben dem Staat stehen die Haushalte und Firmen tief in der Kreide. Sollten die Zinskosten, etwa wegen Griechenland, steigen, würde das Spanien hart treffen.

Ein Unsicherheitsfaktor ist zudem das große Wahljahr – Urnengänge stehen in den Gemeinden, in Katalonien, Andalusien und für das nationale Parlament (vor Februar 2015) an. Korruptionsskandale bei den Altparteien und im Königshaus bringen Protestparteien wie der linken Syriza-Schwester Podemos ("Wir können") oder den liberalen Ciudadanos ("Bürger") Aufwind. Ob diese ihre sensationellen Umfragen in Wahlerfolge ummünzen können, bleibe abzuwarten, sagt Spalek. Er glaubt, dass viele enttäuschte Spanier zu Nichtwählern mutieren könnten.