Silberstreif für Gold in Sicht
Von Christine Klafl
280 Tonnen schwer ist das Gold, das zu den Währungsreserven der Oesterreichischen Nationalbank zählt. Das entspricht 1,06 Unzen oder knapp 33 Gramm (etwa ein Philharmoniker) pro Kopf der Bevölkerung. Das ist international gesehen ein recht guter Wert, die Schweizer haben aber ein Vielfaches davon. Dort kommen mehr als vier Unzen auf jeden Einwohner. Vielen Eidgenossen reicht dieser Weltrekord aber nicht. Am kommenden Sonntag werden die Schweizer über die "Goldinitiative" abstimmen. Ziel dieser Initiative: Die Schweizerische Nationalbank soll ihre Goldbestände aus dem Ausland nach Hause holen, die Goldreserven fast verdreifachen und nichts mehr davon verkaufen dürfen.
Edelmetallhändler rund um den Globus, aber auch viele Anleger werden am Sonntag gebannt auf den Ausgang dieser Volksabstimmung warten. Stimmen die Schweizer tatsächlich mehrheitlich für die Goldinitiative, muss die SNB innerhalb der nächsten fünf Jahre 1500 Tonnen Gold zukaufen. Das entspricht fast 70 Prozent der globalen Goldförderung eines ganzen Jahres. Kein Wunder, dass Experten davon ausgehen, dass der Goldpreis bei einem Schweizer "Ja" deutlich steigen würde.
"Natürlich würde der Goldpreis steigen, auf längere Sicht wären die Auswirkungen aber nicht signifikant", dämpft Goldexperte Ronald-Peter Stöferle allzu große Hoffnungen auf einen neuen Goldrausch. Trotzdem ortet der Fondsmanager und Partner der im Vorjahr in Liechtenstein gegründeten Investmentgesellschaft Incrementum einen Gesinnungswandel. Allein durch die Diskussion darüber, dass Währungen wie der Franken mehr mit Gold unterlegt werden, bekomme das Edelmetall wieder einen höheren Stellenwert.
Rekordjagd
In der Finanz-, Wirtschafts- und Schuldenkrise galt Gold noch als die Krisenwährung. Jahrelang kannte der Kurs nur eine Richtung – die nach oben. Innerhalb weniger Jahre hatte sich der Preis auf 1900 Dollar je Unze fast verfünffacht. Dann boomten die Aktienmärkte und Gold verlor viel von seinem Glanz. Aktuell wird die Unze um die 1200 Dollar gehandelt.
Dass der Goldpreis derart zusammengeschmolzen ist, hat aber auch andere Gründe. In den großen Wirtschaftsräumen wie der Eurozone sinken die Inflationsraten. "Das ist generell schlecht für den Goldpreis", sagt Stöferle. Zum Edelmetall wird eher dann gegriffen, wenn die Ängste vor Teuerung zunehmen. In den USA wird zudem heftig darüber spekuliert, ob die Zinsen bald deutlich steigen werden. Stöferle hält einen Zinserhöhungszyklus in den USA zwar "für eine Mär". Trotzdem sind diese Erwartungen schlecht fürs Gold, das keinen laufenden Ertrag abwirft und daher immer leidet, wenn die Zinsen steigen.
Die ärgsten Schwarzmaler unter den Analysten gehen mittlerweile von Goldpreisen von deutlich weniger als 1000 Dollar je Unze aus. "Ich fühle mich wie in einer Haribo-Werbung, überall sind Goldbären", seufzt Stöferle. Bären sind jene Börsentiere, die mit ihren Tatzen die Kurse nach unten drücken, also die Pessimisten an den Finanzmärkten. Stöferle zählt eindeutig nicht dazu. Er geht davon aus, dass sich Gold bis Mitte nächsten Jahres auf 1500 Dollar verteuern wird. Angesichts hoher Staatsverschuldung und Notenbanken, die ihre Geldhähne weit aufdrehen, habe Gold in der Veranlagung durchaus seine Berechtigung. Das sei wie eine monetäre Versicherung nach dem Motto: Kaufen, bevor der Schadensfall eintritt. Zehn bis 15 Prozent des Investments sollte aus physischem Gold bestehen, lautet Stöferles Rat. "Gold stabilisiert das Portfolio", sagt er. "Aber es ist keine eierlegende Wollmilchsau, die habe ich auch noch nicht gefunden."
Dollar steigt
Wie auch immer die Schweizer abstimmen – für Gold spricht ein weiteres Argument, vor allem für Anleger aus dem Euroraum. Das Edelmetall wird in Dollar gehandelt. Und der wird, glaubt man den Prognosen, weiter an Wert gewinnen. Dieser Zusatzeffekt war auch heuer schon zu spüren. In Dollar ist der Goldpreis heuer gefallen, in Euro umgerechnet um sechs Prozent gestiegen.
Die heimischen Goldreserven lagern übrigens zu 17 Prozent in Österreich, zu 80 Prozent in Großbritannien und zu drei Prozent in der Schweiz. Weil nur an internationalen Handelsplätzen im Bedarfsfall das Gold eingesetzt werden kann, so die Begründung der Nationalbank. Die Bestände werden regelmäßig kontrolliert. Heuer im Mai schaute auch der Rechnungshof vor Ort nach.
Univ.-Prof. Erich Kirchler ist Vizedekan der Fakultät für Psychologie der Uni Wien.
KURIER: Weshalb fasziniert Edelmetall so?
Univ.-Prof. Kirchler: Gold ist nach wie vor ein Symbol für Reichtum. Ihm wird Beständigkeit beigemessen und Stabilität. Es wird seit Jahrhunderten als sichere Wertanlage wahrgenommen, nach wie vor kaufen es Anleger in Form von Barren oder Münzen.
Warum horten Menschen Gold?
Gold wird auf heiligen Stätten zur Dekoration verwendet, drückt besonderen Wert aus (siehe Goldmedaille), im Sprachgebrauch wird es als besonders wertvoll, relevant etc. verwendet – z. B. Rat ist "Gold wert", goldrichtig, Goldmarie und goldene Eier etc. All das hält den Mythos Gold bis heute lebendig.
Anlage Gold: auch ein Mythos?
Goldmünzen erscheinen als Wert- und Zahlungsmittel real so viel wert, wie nominell angeführt, oder sogar weit wertvoller. Es muss nicht – wie bei Geldmünzen oder Scheinen – darauf vertraut werden, dass für den Schein der entsprechende Gegenwert geboten wird, sondern Gold ist in der Vorstellung der Menschen wertvoll. Es steht für Sicherheit, wenn es auf Märkten, der Börse, turbulent zugeht. Es ist konkret, Papier (Scheine, Aktien) ist abstrakt.
Auf und ab des Goldkurses – was steckt dahinter?
Der Wert des Goldes ist weniger ökonomisch als psychologisch begründet. Das Auf und Ab erklärt sich zum Teil aus der Nachfrage nach dem Rohstoff und zum Teil aus der psychologischen Überlegung, in Zeit der Turbulenzen und Unsicherheit in Sicherheit und Wertbeständigkeit zu investieren. Dabei muss die psychologische Überzeugung nicht rational begründet sein.
... der britische Ökonom John Maynard Keynes bereits Anfang des 20. Jahrhunderts errechnet hat, dass alles Gold der Welt, das im Laufe von 7000 Jahren gefördert wurde, auf einen einzigen Ozean-Dampfer passen würde? Die Kulturhistorikerin Christina von Braun („Der Preis des Geldes“) dazu: „Das heißt, es kann nicht einmal symbolisch decken, was heute an Geld zirkuliert.“
... die Römer und Lyder die ersten Menschen waren, die im 7. Jahrhundert vor Christus erstmals Gold in Münzen pressten? Seit damals förderten die Goldminen weltweit eine Menge, die in einen Würfel mit einer Kantenlänge von 20 Metern passt.
... das älteste Gold der Menschheit in der bulgarischen Hafenstadt Varna gefunden wurde? Bauarbeiter stießen auf eine uralte Nekropole – 240 Gräber mit mehr als 6000 Jahre alten Grabbeigaben aus dem Edelmetall.
... Gold auch in feinsten Partikeln im Weltall zu finden ist? Das auch auf der Erde seltene Element ist am Aufbau der Erdkruste mit einem sehr geringen Anteil beteiligt. Der Goldgehalt der Ozeane liegt im Bereich von 0,008 bis 4 ppb (parts per billion).
... Forscher im Jahr 2013 festgestellt haben, dass australische Eukalyptusbäume sehr kleine Goldpartikel von den Wurzeln zu den Blättern transportieren können? Speziell in der Region Kalgoorlie in W-Australien, wo das Gold etwa 35 Meter unter der Erde lagert. Über die Wurzeln wird es an die Oberfläche gezogen – wie auch Zink und Kupfer. Allerdings ist es nicht bei allen Bäumen so.