Wirtschaft

Schweizer Steuerreform-Nein: Dicke Luft mit der EU

Zwischen der EU und der Schweiz herrscht dicke Luft. Bis 2019 werde sie als unfair empfundene Unternehmenssteuern ändern, hatte die Schweizer Regierung versprochen. Nachdem 59,1 Prozent der Bürger am Sonntag gegen die Reformpläne stimmten, geht sich das aber nicht mehr aus. Finanzminister Ueli Maurer stellte neue Vorschläge in Aussicht, die frühestens 2021 oder 2022 in Kraft treten könnten.

Sonderregeln

Worum geht es? Die Schweizer Kantone unterbieten sich nicht nur gegenseitig mit niedrigen Steuersätzen. Sie behandeln obendrein Einkünfte, die Firmen im Ausland erzielen, privilegiert. Nutznießer sind 24.000 Konzerne mit 150.000 Beschäftigten – ausländische, aber auch einheimische Multis wie Roche oder Novartis. Diese Ungleichbehandlung ("Ringfencing"), die internationale Konzerne anlocken soll, gilt seit der Krise als verpönt.

Das geplante Reformpaket hätte dieses System durch international akzeptierte Steuerzuckerl wie eine Patentbox und Forschungsförderung ersetzt. Zudem wollten die Kantone ihre niedrigen Steuersätze weiter senken, um attraktiv zu bleiben – der Bund sollte deren Ausfälle mit 1,1 Milliarden Franken kompensieren. Dagegen legten sich aber die Bürger quer. Somit bleiben die Privilegien vorerst in Kraft. Er sei "sehr enttäuscht", sagte EU-Kommissar Pierre Moscovici. Ob die Schweiz auf einer "schwarzen Liste" von Steueroasen landet, ließ der Franzose offen. Darüber hätten erst die EU-Staaten zu beraten. Schweizer Unternehmen liefen dann Gefahr, doppelt besteuert zu werden, was ein Fiasko für den Standort wäre.

Gegenfinanzierung

Die Arbeitnehmerverbände freut das Nein. Dass die Bevorzugung fallen müsse, sei ohnehin klar, sagte Denis Torche von Travail Suisse. Die Bürger hätten nicht für eine Beibehaltung der Privilegien gestimmt, sie wollten aber nicht für deren Abschaffung zur Kasse gebeten werden. Wenn die Kantone niedrigere Steuern wollten, solle die Wirtschaft das selbst gegenfinanzieren.

Die Wirtschaftsverbände warnen hingegen, dass die Schweiz als Standort ohne den Steuervorteil unattraktiver würde. Gerade mit Großbritannien, Irland, den Beneluxstaaten sowie Hongkong und Singapur stehe das Land in einem harten Wettbewerb, erläutert economiesuisse. Das betreffe vor allem jene Konzernaktivitäten, die nicht ortsgebunden seien - wie die Headquarter-Funktion, die Beteiligungsverwaltung (Holding), die Verwaltung von immateriellen Gütern (Lizenzen), Finanzierung (Treasury, Cash Pooling) oder der internationale Großhandel.

Ohne Kompensation würde sich die Steuerlast für einzelne Konzerne verdoppeln, warnte die liberale Denkfabrik Avenir Suisse. Eine Abwanderungswelle könnte zwei bis drei Milliarden Franken Steuerausfall pro Jahr bedeuten.