Sacher-Chef rechnet frühestens 2024 wieder mit Gewinnen
Corona hat uns seit 21 Monaten fest im Griff. Darunter leidet auch die Stadthotellerie. Das Hotel Sacher war bisher bereits neun Monate lang für Urlauber behördlich geschlossen. Auch der jüngste Lockdown setzte dem Haus zu. "Wir sind auf einem Viertel bis einem Drittel des üblichen Weihnachtsgeschäfts", sagte Sacher-Group-Chef Matthias Winkler zur APA. "Die Pandemie wird uns auch im kommenden Jahr nicht loslassen", ist er sich sicher. Gewinne winken frühestens 2024 wieder.
Seit dem Lockdown-Ende in Wien vor einer Woche "gab es neue Buchungen, aber auch Stornierungen - diese hielten sich die Waage". Inzwischen sei die Buchungssituation bis über Silvester stabil. Die Feiertage über Weihnachten und den Jahreswechsel zusammengenommen dürfte das Traditionshaus bei einem Drittel des normalen Geschäfts zu liegen kommen.
Kaum Entspannung
Auch in nächster Zukunft erwartet Winkler noch keine wesentliche Entspannung. "Ohne schwarzzumalen, wird uns die Pandemie, auch wirtschaftlich, im kommenden Jahr nicht loslassen", so der Geschäftsmann. "Ob es wieder einen Lockdown gibt, kann Ihnen niemand sagen - in so einer Situation treten Sie keine internationale Reise an", erklärte der Sacher-Group-CEO im Gespräch mit der APA. Vor allem die Touristen aus Übersee bleiben aus. "Die Krise ist nicht vorbei, aber das Schlimmste liegt hinter uns", meinte Winkler. "Was bleibt, ist eine Unsicherheit."
Da helfen selbst großzügigste Stornomöglichkeiten kaum. "Unsere Stornobedingungen sind sechs Stunden vor Anreise - die sind in Wahrheit nur noch kosmetisch", hielt der Hotelchef fest. An der Preisschraube will er aber auf keinen Fall drehen. Die Zimmer billiger anzubieten sei rein rechnerisch gar nicht möglich und ein Schritt in die falsche Richtung.
Keine Gewinne
Rund ein Fünftel aller Wiener Hotels hat während der Pandemie für immer geschlossen. In der Luxusstadthotellerie macht derzeit laut Winkler keiner Gewinne. Sein Unternehmen hätte das erste Coronajahr 2020 mit einem operativen Verlust abgeschlossen, sodass nach Abzug der Abschreibungen ein Fehlbetrag zwischen acht und neun Mio. Euro übriggeblieben sei - trotz vieler Förderungen und drastischer Sparmaßnahmen. "Für heuer prognostizieren wir etwas Ähnliches - wir waren viereinhalb Monate völlig ohne Umsatz", verdeutlichte der Geschäftsführer die kritische Lage.
Und auch die anderen Monate ohne behördlicher Schließungen seien mangels internationaler Touristen "wirtschaftlich schwerst betroffen" gewesen. "Wir haben keinen einzigen Monat gehabt, in dem wir in der Nähe vom Vorkrisenjahr 2019 waren." Und es wird seiner Einschätzung nach, insbesondere in den Städten, noch bis mindestens bis 2024 dauern, bis sich das Geschäft der Branche wieder erholt. Ein Fünf-Sterne-Hotel braucht mindestens 45 Prozent Belegung, um profitabel wirtschaften zu können. Winkler hofft, 2023 die Abschreibungen wieder verdienen und 2024 wieder Gewinne schreiben zu können. 2019, vor der Coronakrise, erzielte die Sacher-Gruppe einen Umsatz von rund 90 Mio. Euro.
Personalsuche schwierig
Vor der Pandemie beschäftigte das Unternehmen auch noch rund 800 Mitarbeiter, im Tiefststand während der Krise waren es nur noch knapp halb so viele. "Wir nehmen derzeit wieder Mitarbeiter auf", betonte der Manager. Auch während des Lockdowns sei weiterrekrutiert worden. Angestrebt wird eine Personalstärke von 500 bis 550 Beschäftigten. Die Suche sei aber "schwierig, weil die Gesamtbranche unter der Unsicherheit leidet und sich viele Menschen von der Hotellerie und Gastronomie wegorientiert haben". Sie sind in andere Berufe abgewandert. Das Vertrauen in den Tourismus als Arbeitgeber muss erst wieder aufgebaut werden.
Heuer im Herbst war der massive Buchungseinbruch zu Weihnachten, der mit Vollauslastung üblicherweise stärksten Zeit im Jahr, noch nicht in der nun eingetretenen Dimension absehbar. "In den Büchern hatten wir heuer bereits die Hälfte eines normalen Weihnachtsgeschäfts, davon haben wir etwa die Hälfte verloren", schätzte der Chef des einzigen familiengeführten Fünf-Sterne-Hotels in Wien. Eigentümer des Hauses sind die Familien Gürtler und Winkler. Die anderen Hoteliers in der Stadt hätten "alle ungefähr das gleiche Bild - die haben alle das halbe Geschäft in den Büchern, formell", meinte Winkler mit Blick auf die Konkurrenz im Luxussegment. Die anderen werden von internationalen Hotelketten betrieben und gehören großen Eigentümern, sind also finanziell ganz anders aufgestellt.
"Besser als ganz zusperren"
Während des behördlichen Betretungsverbots für Touristen durften im Wiener Sacher mit seinen 152 Zimmern nur Geschäftsreisende einquartiert werden. "Pro Tag hatten wir drei bis sieben Personen auf der Anreiseliste", umriss der CEO die dürftige Situation in dem Innenstadthotel. Die wenigen Gäste waren "durch die Bank Österreicher und viel, viel weniger Deutsche". Am ersten Tag der Öffnung, am 20. Dezember, hatte das Hotel dann auch nur 26 Anreisen, und das Kaffeehaus war zu einem Viertel gefüllt. Das Sacher in Salzburg hatte während des Lockdowns komplett zu, ebenso die beiden Sacher-Cafés in Innsbruck und in Graz. Lediglich die Tortenmanufaktur in Wien-Simmering sei "normal durchgelaufen". Zur Sacher Group gehört auch das Hotel Bristol in Wien.
"Das Offenhalten auf Sparflamme ist immer besser als ganz zuzusperren", so Winkler. Bar- und Restaurantbetrieb gab es im Wiener Sacher natürlich keinen, das war behördlich verboten. "Man servierte alles im Zimmer." Doch die Küche sei nicht einfoliert und die Kühlhäuser seien in Betrieb gewesen. "In der Küche standen mehrere Köche, das heißt, es gab so etwas wie 'ein kleines Leben' im Hotel", berichtete der Geschäftsführer. Das Sacher biete Take-away und Zustellservice an. Ein Hotel herunterfahren und dann wieder hochfahren sei auch für das Personal emotionell belastend. "Die Mitarbeiter wollen ja arbeiten."
Zielgruppe andere
Während viele Anbieter in der Ferienhotellerie im ersten Pandemiejahr "2020 einen so guten Sommer wie noch nie" gehabt hätten, gehe es der Stadthotellerie "noch immer - und wohl auch auf Sicht - schlechter", so die Einschätzung des Hotelmanagers. "Unsere Zielgruppe ist eine völlig andere", erklärte Winkler. Die Hotels in den Städten leben von internationalen Touristinnen und Touristen. "Und die reisen in einer weltweiten Pandemie nur sehr eingeschränkt." Zur größten Gästegruppe mit nicht-österreichischem Pass zählen im Sacher normalerweise US-Amerikaner und Deutsche. "Die Asiaten sind gar nicht da, die Amerikaner vereinzelt, die Deutschen ab und zu", fasste der Sacher-Chef kurz zusammen.
Die staatlich unterstützte Kurzarbeit "war richtig und gut und hat uns geholfen, Mitarbeiter im Tourismus zu halten". Insgesamt waren die Staatshilfen bei den Unternehmen in der Krise sehr willkommen. Sie sollten nun aber allmählich ausklingen, meinte der frühere Kabinettchef von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser in Richtung Politik. "Ich glaube, dass wir nun über etwas anderes diskutieren sollten, als wer bekommt aus welchem Topf was", so Winkler.
Rahmenbedingungen
Vielmehr sollten seines Erachtens investitionsfreundlichere Rahmenbedingungen geschaffen werden, die - etwa was die steuerlichen Abschreibungszeiten betrifft - näher an der wirtschaftlichen Realität sind. "Wir haben einen Spa zweimal umgebaut, bevor wir ihn einmal abgeschrieben haben - nicht weil er veraltet war, sondern weil sich die Wünsche der Gäste geändert haben", erklärte der Hotelchef." Jetzt wäre alles klug, was in Richtung Investitionsanreiz, in Richtung Nachhaltigkeit geht", bekräftigte er und verwies dabei exemplarisch auf Bereiche wie Energie, Nahrungsmittel und Mobilität. "Die Zukunft werden wir nur bewältigen, wenn wir auch Corona als Teil dieser Zukunft akzeptieren", ist Winkler überzeugt.