Wirtschaft

RHI-Chef: "Europa soll mehr in die Rüstungsindustrie investieren"

Auf den ersten Blick schauen die Zahlen des brasilianisch-österreichischen Feuerfestkonzerns RHI Magnesita für das abgelaufene Geschäftsjahr nicht schlecht aus: Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITA) erhöhte sich gegenüber 2022 von 384 auf 409 Mio. Euro, der Umsatz stieg um 8 Prozent. Doch wie so oft liegt der Teufel im Detail. Der Umsatz legte nur dank Akquisitionen zu, sonst hätte es einen Rückgang gegeben. Und das Ergebnis legte nur dank Effizienzsteigerungen zu.

„Es war ein nicht einfaches Jahr“, sagt RHI Magnesita-Boss Stefan Borgas im KURIER-Gespräch. „Nachfrage und Auslastung waren so tief wie seit rund 15 Jahren nicht mehr.“ In Europa sei die Nachfrage auf den Stand von Anfang der 1980er-Jahre gefallen. „Europa ist an der Spitze des Leidens. Die Lage ist echt dramatisch.“ 

Das liege nicht nur an den signifikant höheren Energiepreisen. RHI Magnesita könne aber aufgrund der weltweiten Präsenz damit besser umgehen als andere Konzerne und im Prinzip könnten Preis-Steigerungen an die Kunden weitergegeben werden.

Deutlich schwerer wiege, dass Kunden zunehmend aus Europa Produktionen abziehen würden, etwa in der Stahl-, Zement- oder Autoindustrie. Die Folge: Die RHI wird laut Borgas in europäische Anlagen tendenziell weniger investieren. Auch sei eine Verlagerung von Standorten noch immer ein Risiko.

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Um die Konjunktur in Europa wieder anzukurbeln, wünscht sich der Manager die Dekarbonisierung vernünftig und nicht ideologisch anzugehen, etwa durch Technologieoffenheit. Er nennt etwa grünen Wasserstoff. 

Auch in die Rüstungsindustrie sollte mehr investiert werden, auch wenn dies nicht sexy sei. „Das bringt auch andere Branchen voran.“ Europa müsse seine Verteidigung selbst übernehmen. Deutschland speziell sollte „erst Geld verdienen und dann ausgeben“. Derzeit werde zu viel mit der Gießkanne für Soziales aufgewendet statt in Infrastruktur oder Bildung.

Fortsetzung folgt

Für heuer ist Borgas „fürs Erste ziemlich pessimistisch“. Der Auftragsrückgang setze sich fort, hinzu komme verstärkter Preisdruck. Auch in Nordamerika sei die Industrie trotz des generell guten wirtschaftlichen Umfelds nicht besonders stark, China entwickle sich infolge des Umbaus der Gesamtwirtschaft nicht gut. Mehr Effizienz gehe nicht mehr, „auch der kreativste Manager streckt die Waffen“. Ein Jobabbau sei nun trotzdem nicht angesagt, Abgänge nicht nachzubesetzen, sei ausreichend.

Zufrieden ist Borgas mit Indien, „dort boomt es“. Durch zwei Zukäufe habe der Konzern seine Marktführerschaft in dem Land ausbauen können. Nun gehe es an die Konsolidierung. Die Bevölkerung sei relativ jung und gut ausgebildet, lobt Borgas. Der Fachkräftemangel in Europa lasse sich aber nicht mit Indern lösen. Sehr wohl aber können gewisse Bereiche wie etwa IT oder Verwaltung in das Land verlagert werden.

Dekarbonisierung darf kosten

Weiterhin investiert RHI Magnesita in die Entwicklung neuer Technologien zur Dekarbonisierung. Laut Borgas gibt es punkto Co2-Emissionen bereits "einen erkennbaren Fortschritt" im Unternehmen. "Wir haben bis zum Vorjahr die Co2-Emissionen um 13 Prozent reduziert, bis 2025 kommen wir auf 15 Prozent." 
 
Getrieben sei die Entwicklung durch das Zurückholen und Recyclen der notwendigen Rohstoffe aus Abfällen der eigenen Kunden. Zudem sei, wo es möglich ist, auf grünen Strom umgestellt worden. Dies sei zwar ein bisschen teurer und kapitalisitsch kein Benefit, weil die Kunden für grüne Produkte noch nicht mehr zahlen würden. "Aber wir müssen Emissionen wegkriegen", so Borgas. "Wenn es ein halben Prozent Rendite kostet, dann ist es so." 
 
Er sieht sich als einen "großen Verfechter des europäischen Emissionshandels", weil damit ein Anreiz geschaffen werde, Emissionen einzusparen.