Wirtschaft

Konzernbosse sorgen sich um kleinen Mann

Deutsche-Bank-Chef John Cryan sorgt sich neuerdings um das Wohlergehen des kleinen Mannes. Der Brite – jährliches Grundgehalt 3,8 Mio. Euro – hat mit 47 Spitzenmanagern aus aller Welt einen offenen Brief geschrieben, der dem KURIER vorliegt. Die Bosse zeigen sich „tief besorgt über die Anti-Globalisierung-Stimmung in vielen Ländern weltweit“. Sie sehen die Errungenschaften des freien Handels durch protektionistische Hürden bedroht.

Was wollen die Unternehmensbosse erreichen?

Die Manager der "Business 20" verstehen sich als Sprachrohr der globalen Business-Community (Factsheet siehe hier). Sie rufen die Regierungen auf, mit der Wirtschaft gemeinsam dafür zu sorgen, dass „Handel und Investitionen nicht nur frei, sondern auch fair sind“. Es soll also weniger Globalisierungsverlierer geben. Eine bessere Ausbildung, lebenslanges Lernen, soziale Absicherung und starke Sozialpartner sollen dafür sorgen, dass mehr Menschen am Wachstum und den Wohlstandsgewinnen teilhaben können. Sie warnen vor „einfachen Schein-Lösungen, die langfristig zum Schaden von Unternehmen, Arbeitern und Konsumenten wären“.

Wie glaubwürdig ist das?

Nicht sehr. So richtig der Befund der Konzernbosse inhaltlich sein mag – dieser Schuss geht wohl eher nach hinten los. Für Globalisierungskritiker ist das Schreiben ein gefundenes Fressen. So ist die Deutsche Bank in rund 7800 Rechtsstreitigkeiten verwickelt. Das ist zwar ein Erbe aus der Zeit vor John Cryan, dennoch mutet der Aufruf zu „mehr Transparenz“ vor diesem Hintergrund etwas grotesk an.

Und ein kleiner Händler, der um den Fortbestand seines Geschäftes bangt, wird Jack Ma, den Gründer und Chef der chinesischen Online-Plattform Alibaba, kaum als glaubwürdigen Fürsprecher empfinden. Weitere prominente Unterzeichner: Der indische Unternehmer Sunil Bharti Mittal (Bharti Enterprises), UBS-Chairman Axel Weber, Nokia-Chef Rajeev Suri und der deutsche Unternehmer Jürgen Heraeus, der den B20-Vorsitz innehat.

An wen ist das Schreiben gerichtet und warum?

Das Schreiben ist an die G20 adressiert, das Forum der zwanzig großen Wirtschaftsnationen und Schwellenländer. Dieses entstand 2008 angesichts der Finanzkrise und wollte verhindern, dass die Staaten mit Alleingängen die Weltwirtschaft in eine Depression stürzen. Diese Gefahr besteht mehr denn je.

Warum kommt der Brief jetzt?

Am 1. Dezember hat Deutschland den G-20-Vorsitz übernommen, am Dienstag findet die erste Arbeitssitzung statt. Der Wahlsieg von Donald Trump lässt viele fürchten, dass die USA sich abschotten oder sogar einen Handelskrieg vom Zaun brechen.

Trump wirft China vor, den Handel zu seinen Gunsten zu verzerren. Zu Recht?

Der „Global Trade Alert“ der Denkfabrik CEPR in London zählt die Handelsschranken und diskriminierenden Maßnahmen. Und siehe da: Das Land, das von 2008 bis 2016 die meisten Hürden errichtet hat, sind die USA selbst – lange vor Trump. Dahinter folgen Indien und Russland. China ist erst auf Platz neun, noch hinter Deutschland und Großbritannien.

Handelsabkommen sind für alle negativen Globalisierungsfolgen verantwortlich. Richtig?

Nicht unbedingt. Sie könnten sogar zur Lösung einiger globaler Probleme beitragen – wenn nicht nationale Interessen im Weg stünden. Die EU und 18 Staaten (darunter China und USA) wollten erreichen, dass für Öko-Produkte wie Wind- und Wasserturbinen, Filter- und Recycling-Anlagen die Handelszölle abgeschafft werden. Das hätte der Umwelt geholfen, ist am 4. Dezember bei der Welthandelsorganisation (WTO) aber überraschend gescheitert – an eher skurrilen Details. So wollten die Chinesen etwa Fahrräder zollfrei handeln, was andere Staaten eine Schwemme asiatischer Billigbikes befürchten ließ.