Wirtschaft

Oettinger: "Frontex wird 2019 deutlich aufgestockt"

KURIER: Herr Kommissar, die effiziente Kontrolle der EU-Außengrenze ist eine Priorität des österreichischen EU-Vorsitzes. Die Verhandlungen für das Budget 2019 sind vorerst gescheitert. Ist somit auch das Projekt Außengrenzschutz und Frontex-Aufstockung auf 10.000 Personen gestorben?

Günther Oettinger: Nein, überhaupt nicht. Die EU-Kommission hat im Haushaltsrahmen für 2019 die Finanzierung der Frontex-Stellen vorgeschlagen. Auch die Mandatserweiterung von Frontex tragen wir mit. Im Dezember werden die letzten offenen Fragen für das Budget 2019 geklärt. Ich bin optimistisch. Und ich stehe im engen Kontakt mit Minister Löger, der den Finanzministerrat führt, und damit hauptverantwortlich ist. Ich bin auch in engem Kontakt mit EU-Abgeordneten. Mit gutem Willen aller werden wir im Dezember einen Haushaltsrahmen für das Jahr 2019 haben und darauf aufbauend Frontex deutlich aufstocken können.

Der Ausbau des Außengrenzschutzes beginnt also 2019?

Wir bereiten gerade alles vor, um 2019 durch Ausschreibungen diese Stellen stufenweise besetzen zu können. Wir werden den Ausbau auf 10.000 Personen bis Ende 2020 erreichen, aber im nächsten Jahr ist eine deutliche Aufstockung das Ziel.

Einige Länder sind gegen den Ausbau von Frontex. Sehen Sie darin kein Problem?

Wir müssen zuerst die Grenzen kontrollieren, wo es ungeordnete Flüchtlingsströme gegeben hat oder noch gibt: Bulgarien, Griechenland, Italien, Spanien, Malta und Zypern. Die Frage, welches Mandat ein Frontex-Beamter hat – ist er ein hoheitlicher Beamter oder nur ein beratender Beamter – die klären wir jetzt. Klar ist, Grenzschutz ist nationale Angelegenheit. Im Bedarfsfall sollen diese Länder die Unterstützung und die Aufgabenerledigung durch europäische Beamte akzeptieren.

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Der Budgetentwurf 2021-2027 sieht eine Erhöhung vor. Österreich will keinen Cent mehr zahlen. Kommen Sie Österreich entgegen?

Es gibt Länder, die bereit sind, höhere Einzahlungen zu leisten, weil sie keine Kürzungen im Programm haben wollen. Andere wollen weniger einzahlen. Wenn die Briten austreten, haben wir Lücken im Haushalt. Die EU-Kommission darf im Gegensatz zu den Mitgliedstaaten keine Schulden machen. Deswegen schlage ich einen Mix aus vertretbaren Kürzungen und leicht erhöhten Einzahlungen vor.

Um welche Kürzungen handelt es sich konkret?

Wir wollen das Agrarbudget um fünf Prozent kürzen, die Kohäsion (Regionalentwicklung) um 6,3 Prozent. Müssen wir mehr kürzen, würden wir Programme gewaltig beschädigen. Dann könnten wir Projekte in Oberösterreich, Niederösterreich oder im Burgenland in der Struktur- und Arbeitsmarktpolitik nicht mehr so fördern, wie wir es derzeit tun. Auch in die Forschung könnten wir nicht verstärkt investieren. Wir haben gute Gründe für eine maßvolle Erhöhung der Einzahlungen.

Wird Österreich also künftig netto mehr als bisher an Brüssel zahlen müssen?

Die Zahlungen dürften sich etwas erhöhen, wenn wir die Brexitlücke ausgleichen und neue Aufgaben finanzieren wollen. Diese Programme sind im Interesse der Länder. Es ist besser mehr für Forschung als noch mehr für Silos in den Mitgliedstaaten zu zahlen. Wir glauben, dass die Position Österreichs eine Ausgangsposition ist.

Alles nur Taktik?

Es ist ein Pokerspiel. Am Ende müssen wir uns einigen, es braucht Einstimmigkeit. Ich rate allen Regierungen, dass sie flexibel in die Verhandlungen gehen.

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Zwölf bis 14 Milliarden Euro fehlen im EU-Budget jährlich durch den Brexit. Die Nettozahler werden zur Kasse gebeten...

Es kommen auf alle etwas höhere Leistungen zu. Der reale Zuwachs wird maßvoll sein. Dafür gibt es mehr Geld für Migration, Afrika-Hilfen, Forschung, Grenzschutz und das Erasmus-Programm. Vier Prozent eines Jahrgangs beteiligen sich derzeit an Erasmus. Ich möchte das auf zehn Prozent steigern, nicht nur für Studenten, auch für Lehrlinge.

Sie wollen den mehrjährigen Haushalt bis zur EU-Wahl im Mai 2019 fertig verhandeln. Gewöhnlich wird länger über die Milliardensummen gestritten.

Der Streit wird auch diesmal kommen. Wir müssen aber rasch entscheiden, um danach die Programme mit den Bauernverbänden, mit den Regionen und Gemeinden zu besprechen.

Sollen EU-Förderungen an die Einhaltung bestimmter Kriterien geknüpft sein?

Ja. Wir schlagen vor, dass die Einhaltung der Regeln der Rechtsstaatlichkeit, dazu gehören unabhängige Richter, zur Bedingung für die Auszahlung von Programmen gemacht wird. Es kann bei der Auszahlung von Geldern zu Streit und einem Verfahren kommen. Wir müssen sicher sein, dass die Richter neutral sind.

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Polen und Ungarn bekommen dann weniger EU-Förderungen?

Ich bin sicher, die Polen werden erkennen, dass sie auf eine unabhängige Justiz achten müssen. Es geht nicht nur um Polen, in allen Staaten, insbesondere in jenen, die Gelder erhalten, muss Rechtsstaatlichkeit gegeben sein.

Soll die Einstimmigkeit beim Budget fallen?

Mit dem Lissabon-Vertrag gilt für die meisten Politikbereiche die qualifizierte Mehrheit. Ausnahme sind Steuern, Außenpolitik und der Haushaltsrahmen. Ich fände es an der Zeit, auch hier zu Mehrheitsentscheidung im Rat überzugehen. Ich bin realistisch, die Nettozahler werden das so rasch nicht machen. In der Außenpolitik wird es kommen, bei Steuern und beim Haushalt nicht.

Wie bilanzieren Sie die österreichische EU-Präsidentschaft?

Bisher kann ich nur sagen, die Beamten weisen eine hohe Kompetenz auf und die österreichische EU-Botschaft in Brüssel macht das hervorragend. Es stehen noch Ratssitzungen und Entscheidungen zum Urheberrecht, zum geistigen Eigentum, zu Migration, dem Haushalt 2019 und dem EU-Haushaltsrahmen aus. Die Österreicher haben einmal mehr gezeigt, sie können es.