Wirtschaft

Im Schnecken-Rennen nur noch Verfolger

Wohin ist er verschwunden, der Österreich-Bonus? Während der gesamten Krise durfte sich die heimische Wirtschaft auf ein tröstendes Faktum stützen: Wie schlecht die Konjunktur laufen mochte, es ging ihr besser als dem Euroraum als Ganzes.

Damit ist es vorbei. Und das wohl für mehrere Jahre: Die Reiche-Staaten-Organisation OECD prophezeit Österreich 2014, 2015 und 2016 Wachstumszahlen, die unter jenen der Währungsunion (siehe Grafik) liegen.

Aktuell droht sogar der Absturz in die Rezession: Davon spricht man, wenn die Wirtschaftsleistung (BIP) zwei Quartale in Folge ein negatives Vorzeichen aufweist. Zwischen Juli und September ist das BIP schon um 0,1 Prozent geschrumpft, rechnete das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) vor. „Ja, es gibt die Möglichkeit einer technischen Rezession“, bestätigte Wifo-Experte Marcus Scheiblecker am Freitag. Denn auch der Ausblick bis Jahresende Die Zahlen seien „besorgniserregend“, kommentierte Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner.

Prognose gestutzt

Das offizielle Konjunktur-Update kommt erst am 18. Dezember. Es ist aber kein großes Geheimnis, dass das Wifo und das Institut für Höhere Studien (IHS) die Prognosen für das Gesamtjahr von zuletzt 0,8 Prozent abermals senken. „Ein Plus von 0,5 Prozent für 2014 ist jetzt fast schon optimistisch“, sagte IHS-Experte Helmut Hofer zum KURIER.

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Woran liegt’s, dass der Österreich-Bonus zum Malus geworden ist? Die Experten haben dafür drei Erklärungen parat:

Die Krisenländer. Spanien, Irland, Portugal und Griechenland haben in den Vorjahren das Wachstum des Euroraums gedrückt, jetzt geht es dort (zum Glück) bergauf. Für Österreich werde es dadurch schwieriger, den Vorsprung zu halten, sagen die Forscher – ein Statistik-Effekt. Waren also gar nicht wir so gut, sondern die anderen so schwach? „Ja und nein“, sagte IHS-Experte Hofer. Es hätte noch schlimmer kommen können. Auch hochgelobte Länder wie Finnland oder Niederlande hätten Rezessionen durchgemacht.

Das internationale Umfeld. Zuletzt hat der Export das Wachstum gerettet. Jetzt schwächelt außer den USA die gesamte Welt. Das trifft Österreichs Ausfuhren, bei denen Maschinen, Anlagen und Industrie-Ausrüstungen eine große Rolle spielen. „Österreichs Industrie geht ein bisserl die Luft aus“, sagte Hofer.

Hausgemachte Gründe. Es wäre zu billig, das Ausland verantwortlich zu machen, konterte indes Christian Helmenstein von der Industriellenvereinigung (IV). Das müsste Deutschland nämlich noch stärker spüren. Der Nachbar stehe aber besser da. Schuld am Schwächeln seien vielmehr zu geringe Investitionen und Fehler der Regierung. Deren Zick-Zack-Kurs bei der Besteuerung von Konzerntöchtern, Stiftungen und die Vermögenssteuerdebatte hätten die Verlässlichkeit des Standorts angekratzt, befand der Ökonom. „Gute Stimmung hatten wir schon lange nicht mehr“, sekundierte auch Hofer. Er vermisst Fortschritte in Sachen Wettbewerbsfähigkeit.

Und nicht zuletzt halten Herr und Frau Österreicher ihre Geldbörsen fest umschlossen. „Wir sehen seit eineinhalb Jahren eine Konsumschwäche, die sich in den nächsten Quartalen fortsetzen wird“, erwartet Jürgen Bierbaumer-Polly vom Wifo. Die geplante Steuerreform könnte den Konsum zwar anschieben. Als Heilmittel gegen die aktuelle Tristesse komme das aber zu spät.

Arbeitsmarkt stagniert

Fakt ist: Die schwächelnde Wirtschaft schafft zu wenige neue Jobs. Die Arbeitslosenrate im Euroraum verharrte im Oktober mit 11,5 Prozent auf konstant hohem Niveau. Somit stehen 18,4 Millionen Menschen in der Eurozone ohne Job da. Österreichs Quote blieb bei 5,1 Prozent – der zweitbeste Wert nach Deutschland (4,9 Prozent).