Wirtschaft

Österreich ist Frankenkredit-Kaiser

Tag eins nach dem überraschenden Schritt der Schweizer Nationalbank, den Mindestkurs zum Euro aufzugeben. Die Nachbeben sind noch immer zu spüren, nicht nur an den Finanzmärkten (siehe unten). Dabei blieb das Wechselverhältnis des Euro mit etwas über einem Franken nahezu stabil zum Vortag.

Alle Inhalte anzeigen
So bildeten sich in der Schweiz Schlangen vor Wechselstuben und Banken. Viele wollten ihre Franken gewinnbringend in den nun billigen Euro umtauschen. Einigen Banken gingen die Euro aus, die Ausgabe wurde rationiert. Schweizer Produkte wurden im Ausland binnen weniger Stunden teurer. Zwei Devisenhändler (aus Großbritannien bzw. Neuseeland) gingen über Nacht Pleite. Sie mussten Verluste, die ihre Kunden nicht mehr decken konnten, übernehmen und waren damit überfordert.

In Österreich blieben am Freitag weiterhin Fremdwährungskredite das bestimmende Thema. Denn in keinem anderen Land wurden dermaßen viele Darlehen in Franken vergeben wie in Österreich (siehe Grafik). Banken, aber auch Strukturvertriebe, haben vor allem in den 90er-Jahren dies als günstiges Finanzierungsmodell, vor allem für Häuslbauer, zum Teil aggressiv verkauft. Und von den Kunden wurde es angesichts der deutlich niedrigeren Zinsen gerne angenommen.

Kursverlust

Alle Inhalte anzeigen
Mit der Ostexpansion der heimischen Banken wurde das damalige Erfolgsmodell auch ins Ausland gebracht. So liegt Ungarn mit einem Fremdwährungsanteil von rund 28 Prozent an allen Krediten in Europa an erster Stelle, gefolgt von Polen (16 Prozent) und Österreich (9 Prozent). Ungarn hatte den Kurs des Forint zum Franken für viele Kreditnehmer bereits im Vorjahr festgelegt (und den Banken Verluste beschert). Nun ist hier für Kunden mit keinen weiteren Auswirkungen zu rechnen.

Anders die Lage in Polen. Der Zloty verlor am Donnerstag zum Franken 20 Prozent an Wert, am Freitag kam es nur zu einer unwesentlichen Beruhigung. In dem Land gibt es 700.000 Haushalte mit einem Frankenkredit. 2,9 Milliarden Euro wurden von der Tochter der Raiffeisen Bank International vergeben. Den Aktionären schmeckt dies gar nicht, der Kurs fiel um knapp fünf Prozent und damit erstmals in der Geschichte auf unter 10 Euro. Keine gute Ausgangslage für einen möglichen Verkauf der polnischen Tochter. Auch auf dem Balkan hat die Bank bei der Vergabe von Frankenkrediten kräftig mitgemischt. In vielen Ländern drohen Banken nun Kreditausfälle in größerem Ausmaß.

Sorgen um Österreichs Banken macht sich Franz Rudorfer, Geschäftsführer der Bundessparte Bank, angesichts der neuen Probleme keine. "Natürlich macht es die Situation nicht leichter, aber für die Banken sollte sie beherrschbar sein." Dass überhaupt so viele Kredite vergeben wurden, sei im besten Wissen und Gewissen geschehen. "Im Nachhinein ist man immer klüger." Die Kredite hätten aber sehr stark zum Wachstum in Zentral- und Osteuropa beigetragen.

Kreditnehmer

Die Banken raten Betroffenen, das Gespräch mit ihnen zu suchen. "Es ist eine ernste Sache für Kreditnehmer, primär für jene, bei denen der Kredit bald ausläuft", sagt Rudorfer. Wer jetzt in einen Euro-Kredit wechselt, realisiert jedoch Verluste. Zudem können Spesen anfallen. Eine andere Möglichkeit ist, vom endfälligen Kredit auf eine tilgende Variante umzusteigen. Um eine mögliche Tilgungslücke am Ende zu verkleinern, können Kreditnehmer auch daran denken, mehr in ihren Tilgungsträger einzuzahlen oder diesen überhaupt zu wechseln.

Erneut ging es am Freitag mit den Kursen an der Börse in Zürich bergab. Der Schweizer Leitindex SMI verlor bis 15.15 Uhr 4,3 Prozent. Zu den größten Verlierern zählten Finanztitel. Julius Bär stand mit mehr als zehn Prozent Minus an der Spitze. Andere Börsen zeigten sich unbeeindruckt. Der Frankfurter Leitindex DAX kletterte auf ein Rekordhoch von bis zu 10.105 Punkten. Die Aussicht auf einen baldigen Start für die Einführung eines Anleihenkaufprogramms der Europäischen Zentralbank beflügelte den Markt.

Bei den Währungen verlor der Euro zum US-Dollar weiter auf ein neues Elf-Jahres-Tief von 1,1543. Zum Franken stabilisierte sich der Kurs. Die Zürcher Kantonalbank hält den Franken für derzeit stark überbewertet, ein Wechselkurs von 1,13 wäre korrekt. Die Rendite der zehnjährigen Schweizer Staatsanleihe lag erstmals unter null Prozent.