Wirtschaft

Ölreich und verarmt: Venezuela kollabiert

Klopapier? Gerade aus. Milch? Bitte später kommen. Schlange stehen gehört für die Bevölkerung von Venezuela zum Alltag. Das südamerikanische Land leidet notorisch unter Devisenmangel. Weil aber fast alle wesentlichen Alltagsprodukte importiert werden müssen, heißt das: Mangelwirtschaft. Aufgrund der chronischen Engpässe steigen die Preise exorbitant: Ende 2013 betrug die Inflationsrate 53 Prozent.

Die Landeswährung Bolívar fuerte ("starker Bolivar") ist inzwischen fast wertlos. Seit Anfang 2010 hatte die linksnationalistische Regierung den offiziellen Kurs zum US-Dollar schon um 66 Prozent abgewertet. Noch um einiges dramatischer ist der Währungsverfall allerdings auf dem ausufernden Dollar-Schwarzmarkt. Um diesen einzudämmen, erfolgte jetzt die nächste drastische Maßnahme: Je nach der Dringlichkeit der importierten Waren verordnet die Regierung drei unterschiedliche Umtauschkurse. Das entspreche einer "Giga-Entwertung" des Bolivar bis zu 88 Prozent, kommentierte die spanische Tageszeitung El País den Schritt.

Regierung unter Druck

Die Menschen sind nicht mehr gewillt, all das hinzunehmen. Seit eineinhalb Monaten protestieren vor allem Tausende regierungskritische Studenten und Angehörige der Mittelschicht auf den Straßen der Großstädte gegen Misswirtschaft, Korruption und Kriminalität. Am Samstag starben dabei abermals zwei Menschen, insgesamt haben die Unruhen 39 Menschenleben gekostet – unter Demonstranten und Sicherheitskräften. Berichten zufolge wurden mehr als 300 Menschen verletzt und 2000 verhaftet. Seit dem knappen Wahlsieg von Präsident Nicolás Maduro im April 2013 ist das Land gespalten. Dem 51-Jährigen fehlt das Charisma, um an die populistische Politik seines an Krebs verstorbenen Mentors Hugo Chávez anzuknüpfen.

Der Devisenmangel ist eigentlich absurd: Venezuela hat die größten Erdölreserven der Welt (vor Saudi-Arabien), liegt bei der Fördermenge aber nur auf Platz elf. Die Anlagen der staatlich gelenkten Industrie sind veraltet – die Erdölmilliarden wurden ausgegeben statt zu investieren. Ein Großteil der Exporte geht an verbündete Staaten wie Kuba, die auf billiges Öl aus Venezuela angewiesen sind.

Hohe Schulden

Dadurch fällt es Venezuela schwer, seine Rechnungen bei ausländischen Unternehmen zu begleichen. Die Ratingagentur Fitch hat die Kreditwürdigkeit kürzlich tief in den Ramsch-Bereich (auf B) gesenkt, weitere Abstufungen drohen. Fluglinien wie Air Canada hatten den Linienverkehr bereits eingestellt. Am Wochenende kündigte Venezuela an, 3,8 Mrd. Dollar offene Ticketerlöse an ausländische Airlines auszuzahlen.

Zuvor hatte Maduro diesen gedroht, sie bräuchten gar nicht ins Land zurückkommen. Den Streit sieht er als Kampagne, um Venezuela in ein schlechtes Licht zu rücken. Die Proteste seien von der Opposition gesteuert, die einen Putsch anstrebe.