Wirtschaft

Russland-Sanktionen: "Extremszenario ist ausgeblieben"

Das Horrorszenario ist nicht eingetreten. In Österreich sind keine 45.000 Arbeitsplätze gefährdet und der wirtschaftliche Schaden beträgt nicht drei Milliarden Euro. Die EU-Sanktionen gegen Russland und die darauffolgenden russischen Sanktionen haben Österreich nicht in der Schlagkraft getroffen, wie Ende 2014 noch befürchtet wurde. Insgesamt hat der Handelskrieg hierzulande 550 Millionen Euro gekostet und 7.000 Jobs vernichtet. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), das übrigens Ende 2014 das geschilderte Horrorszenario prognostiziert hat.

"Wir haben nun die Sanktionen von der wirtschaftlichen Situation in Russland getrennt. So war es uns möglich, die direkten und indirekten Auswirkungen auf Österreich zu berechnen", erklärt Gerhard Streicher, Ökonom am Wifo und Ko-Autor der Studie. Das Resultat: Nur 36 Prozent des österreichischen Exportausfalls am russischen Markt gehen auf die Sanktionen zurück. Zwei Drittel des gesamten Exporteinbruchs im Jahr 2015 (rund 1,5 Milliarden Euro) wären aber auch ohne EU-Strafmaßnahmen gegen Russland und russischen Importverboten aufgetreten.

"Es war ein Extremszenario"

Als Gründe dafür nennt der Ökonom den drastischen Verfall der internationalen Erdölpreise und die massive Abwertung des Rubels. "Dadurch verteuerten sich die Importe aus dem Ausland und das kann auch zu einem Exportrückgang führen", erklärt Streicher. Einen Zusammenhang zwischen Sanktionen und Erdöl- und Rubelverfall sieht er allerdings keinen. In der Ökonomie könne man zwar nie etwas ganz ausschließen, aber alles mit dem Handelskrieg zwischen der EU und Russland zu begründen, ginge doch zu weit.

Dass die Prognose 2014 noch ziemlich düster aussah, erklärt der Wissenschaftler damit, dass man die Studie "ziemlich knapp nach den Sanktionen" durchgeführt habe und einzelne Faktoren, die mit den Exportrückgängen verbunden sind, nicht getrennt voneinander betrachtet hat. Hinzu kommt, dass man vor zwei Jahren - im Gegensatz zu heute - die Tourismusbranche inkludierte, aber nicht miteinberechnet hat, dass heimische Unternehmen, die Einbußen erlitten hätten, versuchen würden, "andere Märkte zu beackern" - um die Verluste zu kompensieren.

"Das Extremszenario ist ausgeblieben", sagt Streicher, "aber jetzt haben wir ein realistisches Bild davon, wie sich die Sanktionen tatsächlich auf Österreich auswirken. Und wir können sagen, dass der überwiegende Teil des Exportrückgangs der Situation in Russland geschuldet ist."

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EU-Sanktionen gegen Russland

Als Reaktion auf die Krim-Annexion und die russische Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine hat die EU 2014 zuerst sogenannte "Smart Sanctions" (weiche Sanktionen) gegen bestimmte Personen und Institutionen in Russland verhängt. Vermögen wurden eingefroren und die Reisefreiheit eingeschränkt. Im Laufe der Monate wurde die Sanktionsliste immer wieder ausgeweitet, zum Beispiel wurde der Zugang russischer Banken zum Kapitalmarkt eingeschränkt. Eine direktes Import- und Exportverbot gibt es allerdings nur für Militärgüter und Spezialmaterial für Ölbohrungen in der Arktis (mehr dazu hier).

Russlands Antwort auf die Sanktionen der EU gilt als wesentlich härter. Im August 2014 verhängte Wladimir Putin für ein Jahr ein Importverbot für Agrarprodukte und Lebensmittel aus der EU und anderen Staaten. Er verlängerte die Beschränkungen bis August 2016, gestattete aber die Einfuhr bestimmter Waren. Der russische Präsident erklärte, dass er zwar bereit wäre, auf Sanktionen zu verzichten, aber nur dann, wenn die EU ihre Strafmaßen gegen Russland beendet.

Zumindest für die kommenden sechs Monate wird das nicht der Fall sein. Denn die Eu hat sich Mitte Dezember dazu entschlossen, die Wirtschaftssanktionen um weitere sechs Monate bis Ende Juli 2017 zu verlängern. Österreich trägt trotz Bedenken den Entschluss mit (mehr dazu hier). Zuletzt bekräftigte Außenminister Sebastian Kurz seinen Vorschlag, die Sanktionen gegen Russland zu lockern - sofern Fortschritte im Ukraine-Konflikt erzielt werden (mehr dazu hier).