Wirtschaft

Neuer IHS-Chef: Länger arbeiten

Kultur, Lebensfreude und eine produktive Wirtschaft. Österreich wird international unterschätzt." Christian Keuschnigg, der am 1. Juni den Chefposten beim Institut für Höhere Studien (IHS) übernehmen wird, streut seiner Heimat Blumen. Seit elf Jahren hat der Tiroler aus St. Johann eine Professur an der Universität von St. Gallen. "Mit dem längeren Auslandsaufenthalt hat mein Patriotismus zugenommen", sagt der 53-Jährige.

Im Ausland sei der Blick auf die Heimat freier und nicht von Tagespolitik verstellt. "Grundsätzlich glaube ich, dass Österreich sehr gut positioniert ist", lautet die Einschätzung des Ökonomen. Er hat aber auch Problemfelder ausgemacht. Dazu gehört etwa die nachhaltige Finanzierung der Pensionen. Er ist für eine Anhebung des Pensionsantrittsalters, "das belastet die verschiedenen Generationen am wenigsten". Insgesamt sei der österreichische Wohlfahrtsstaat im internationalen Vergleich "sehr dichtmaschig aufgestellt". Bei einer derart geringen Arbeitslosenrate "kann sich Österreich das aber leisten".

Griechenland

Dass jetzt lauter denn je über einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone diskutiert wird, findet Keuschnigg "schon fast wie Ironie". Das Land sei auf dem Weg zu mehr Wettbewerbsfähigkeit schon ein gutes Stück weitergekommen. Und die EU-Kommission hat Griechenland für nächstes Jahr die Stabilisierung der Wirtschaft vorausgesagt. Aber es scheine politisch schwer zu sein, den Weg fertigzugehen. Bei einem Euro-Austritt würde die griechische Währung um geschätzte 40 Prozent abwerten. Keuschnigg: "Das zeigt den Reformstau." In den südlichen Ländern habe man die "Benya-Formel" (Lohnerhöhungen um die Inflation und den halben Produktivitätsfortschritt) nicht eingehalten.

Die Löhne wurden kräftiger angehoben, womit Produktivität verloren ging. Selbst wenn in Deutschland jetzt, wie auch vom dortigen Finanzminister Schäuble vorgeschlagen, die Löhne viel spürbarer als früher steigen, um so die Nachfrage zu schüren: "Damit von dieser Nachfrage etwas in Griechenland ankommt, müssen die Griechen wettbewerbsfähiger werden." Bleiben die Griechen im Euroraum, bedeutet dies, dass die Löhne dort noch weiter sinken müssen. Aus jetziger Sicht wagt Keuschnigg jedenfalls keine Prognose, ob Griechenland im Euroraum bleiben wird.

Umzug

Seine Professur in St. Gallen wird Keuschnigg auf zwei Tage pro Woche reduzieren. In Wien will er sich unter anderem dafür einsetzen, dass die langfristige Finanzierung des IHS sicherer wird als zuletzt. Der derzeitige IHS-Stammsitz in Wien 6 ist derart in die Jahre gekommen, dass das Institut bald übersiedeln muss. Im Auge hat Heinrich Neisser, Vorsitzender des IHS-Kuratoriums, ein Gebäude, das bisher vom Finanzministerium genutzt wurde.

Teurer Süden, billiges Österreich

Das Chaos in Griechenland hat einmal mehr heftige Turbulenzen an den Finanzmärkten ausgelöst. An den Aktienbörsen ging es steil nach unten. Heftige Ausschläge gab es auch bei den Staatsanleihen. Nicht nur die Renditen der griechischen Papiere schossen in die Höhe. Auch bei Anleihen aus Spanien und Italien gab es deutliche Steigerungen. Ein Beispiel: Die Rendite zehnjähriger Anleihen aus Spanien stieg auf knapp 6,3 Prozent. Das war der höchste Stand seit November. Die Kehrseite dieser Medaille: Die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen aus Österreich und Deutschland war so tief wie nie.