Nach Kritik: Deutsche Fleischbetriebe stocken Stammpersonal auf
In der deutschen Fleischindustrie hat das seit Jahresanfang geltende Gesetz für bessere Arbeitsbedingungen die Zahl der Festanstellungen in der Branche laut Nachrichtenagentur dpa deutlich erhöht. Die großen Schlachtbetriebe haben ihre Stammbelegschaft stark aufgestockt.
Deutschlandweit sind bei den nordrhein-westfälischen Unternehmen Tönnies (Rheda-Wiedenbrück) und Westfleisch (Münster) sowie bei Vion Deutschland im bayerischen Buchloe insgesamt rund 12.300 Werkarbeiter als Angestellte von Subunternehmen in die Unternehmensbelegschaften gewechselt, wie die Sprecher der Firmen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mitteilten.
Tönnies, Westfleisch und Vion hatten entsprechende Programme im Zuge der Coronapandemie bereits im Sommer angekündigt. Nach zahlreichen Infektionen in der Belegschaft war die Fleischbranche im Frühjahr unter Druck geraten. Besonders die hohe Zahl der Werkarbeiter aus Osteuropa, von denen manche in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht waren, hatte Kritik ausgelöst. Die Schlachthöfe wurden zum Teil für Wochen geschlossen, um die Infektionsketten zu unterbrechen. Anfang des Jahres (2. 1.) hatte die Zeitung Neues Deutschland über den Vollzug der Neueinstellungen berichtet.
Die deutsche Regierung untersagte daraufhin mit 1. Jänner 2021 per Gesetzesänderung den Einsatz von Werkarbeitern im Kerngeschäft der Schlachthöfe im Bereich der Schlachtung und Zerlegung. Ab 1. April gilt auch mit Einschränkungen ein Verbot des Einsatzes von Zeitarbeitnehmern. Ausgenommen sind Handwerksbetriebe mit weniger als 50 Beschäftigen.
Tausende Mitarbeiter
Marktführer Tönnies kommt nach eigener Aussage mit den zusätzlich 6.000 auf 12.500 festangestellte Mitarbeiter in Deutschland. Am Stammsitz in Rheda-Wiedenbrück sind 3.500 ehemalige Werkarbeiter jetzt in der Stammbelegschaft. Tönnies hat 2019 einen Umsatz mit Fleischprodukten von 7,3 Milliarden Euro erzielt.
Westfleisch mit Sitz in Münster hatte bereits im Juni angekündigt, alle Mitarbeiter direkt einzustellen. Nach der Integration von etwa 3.000 Werksarbeitern per 1. Jänner 2021 liegt die Gesamtzahl der Mitarbeiter bei rund 7.000. Westfleisch hat 2019 knapp 2,8 Milliarden Euro umgesetzt.
Die Vion-Gruppe, die ihren Hauptsitz in den Niederlanden hat, hat an 16 Standorten in Deutschland zum Jahreswechsel zu der bisherigen Belegschaft von 3.000 rund 3.300 Mitarbeiter von Subunternehmern fest eingestellt. Weltweit setzte Vion 2019 mit dem Schlachten von Schweinen und Rindern 5,1 Milliarden Euro um.
"Bei dem seit dem 1. Jänner gültigen Gesetz haben wir nicht den Eindruck, dass es sich um Kosmetik handelt", sagte Johannes Specht von der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) der dpa. "Wenn die Branche das jetzt nicht verstanden hat, dass sich etwas ändern muss, dann ist denen nicht zu helfen. Und ändern heißt dann: faire Arbeit, mit Einhaltung der Gesetze und mit Tarifverträgen", sagt Specht.
Das NRW-Arbeitsministerium verweist darauf, dass für die Kontrollen zum Verbot von Werkverträgen der Zoll als Bundesbehörde zuständig sei. Die Arbeitsschutzverwaltung werde im Rahmen der Zusammenarbeit ihr zur Kenntnis gelangte Verstöße an die Behörden der Zollverwaltung weitergeben, teilte ein Sprecher mit.
"Zum Thema flächendeckender Tarifvertrag, für den sich Herr Tönnies ja ausgesprochen hat: Wir sind offen für Verhandlungen", sagt der Leiter der NGG-Tarifabteilung. Bis jetzt habe die Gewerkschaft allerdings weder von Tönnies noch von den Fleischverbänden dazu eine Antwort bekommen.
Tönnies verweist dagegen auf die Zuständigkeit des Verbands. "Schon im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens hat der Verband der Ernährungswirtschaft die NGG zu Gesprächen über Tarifverträge aufgefordert. Erst mit Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ist die NGG dann im Dezember auf den Verband zugegangen", sagt ein Unternehmenssprecher. Die ersten Sondierungsgespräche zwischen dem sozialpolitischen Ausschuss der deutschen Fleischindustrie, in dem auch Tönnies und dessen Mitbewerber vertreten sind, und der NGG sollen laut Tönnies bald aufgenommen werden.
Zeitarbeit
Den Einsatz von Zeitarbeit verbietet der Gesetzgeber in Deutschland ab dem 1. April. Die Fleischindustrie verweist auf die Grillsaison im Sommer. Specht fordert auch hier die Arbeitgeber zu Gesprächen auf. "In anderen Wirtschaftsbranchen, die auch saisonale Schwankungen haben, gibt es sehr flexible Arbeitszeitmodelle. Schokohasen oder Bier werden auch nicht das ganze Jahr durch im gleichen Maße produziert", sagt Specht. Es liege in der Natur der Sache, dass es in dieser Zeit mehr Arbeit gebe. "Aber genau dafür gibt es dann Arbeitszeitkonten. Und das funktioniert auch", sagt der Gewerkschaftsvertreter.
Aus der SPD-Bundestagsfraktion kamen positive Reaktionen. "Ohne unser Gesetz hätte sich nix in der Fleischindustrie bewegt. Die gesamte Branche wäre gut beraten, das neue Gesetz schnell umzusetzen und sich der Realität zu stellen. So, wie sich die Fleischindustrie in den letzten Jahren verhalten hat, wäre Demut angesagt", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Katja Mast. "Es war richtig, dass wir nicht nachgegeben haben. Endlich passiert was", sagte ihre Fraktionskollegin Elvan Korkmaz-Emre.