Wirtschaft/Mutrede

Trachten-Lady Gexi Tostmann: "Außenseiter-Rolle nutzen"

Sie hat vor mehr als 50 Jahren den Trachtenbetrieb ihrer Eltern übernommen und behauptet gern von sich selbst, bis heute keinen Knopf annähen und nur Löskaffee kochen zu können. So sei sie einst auch gezwungen gewesen, studieren zu gehen, sagt die Volkskunderin, die ihre Dissertation zum Thema „Wechselwirkung von Tracht und Mode in Österreich“ geschrieben hat.

Gexi Tostmann ist ein echtes Original, voller Selbstironie und mit dem Talent ausgestattet, ganze Gesellschaften zu unterhalten. „Man sollte seine Außenseiterrolle nutzen, um erfolgreich zu sein. Gerade als Unternehmerin“, findet die 79-Jährige, die den Betrieb vor 18 Jahren offiziell an ihre Tochter Anna übergeben hat.

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Im Keller ihres Geschäftslokals in der Wiener Innenstadt haben sich einst die Sympathisanten der aufkeimenden Grünen-Bewegung getroffen. Tostmann hat sich für die Friedensbewegung, Umweltschutz oder das bedingungslose Grundeinkommen engagiert – sowie gegen Hainburg und Zwentendorf. Wenn ihr etwas nicht passt, sagt sie das laut und deutlich. Und an der richtigen Adresse.

So hat sie unter anderem 1987 mit einer Verfassungsklage dafür gesorgt, dass das Ladenschlussgesetz gekippt wurde. Sprich, sie hat das Ende der geschlossenen Geschäfte am Samstagnachmittag eingeläutet. Verlogen sei das Argument gewesen, dass die Frauen am Nachmittag Zuhause sein wollen, so ihr Standpunkt.

Chancen noch und nöcher

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Wäre sie heute noch einmal 20, würde sie wieder Unternehmerin werden. Als Mensch mit Freiheitsdrang sei eigentlich gar nichts anderes denkbar. „Es gibt derzeit Chancen noch und nöcher, vor allem im Umweltbereich“, so Tostmann, die immer wieder für die Grünen kandidiert hat. „Immer am letzten Listenplatz“, wie sie betont. Dennoch rät sie den jungen Leuten: „Lasst euch nicht verbiegen von Gesellschaft und Politik – geht euren eigenen Weg.“

Währenddessen rattern in den Konfektions- und Masswerkstätten in Seewalchen am Attersee wie in Wien die Nähmaschinen. Rund 100 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen, in normalen Jahren verkauft Tostmann bis zu 5.000 Dirndln. Coronabedingt waren es zuletzt bestenfalls 20 Prozent davon.

Worauf Gexi Tostmann stolz ist: Seit 1949, also seit der Unternehmensgründung, werden die Teile ausschließlich in Wien und Seewalchen am Attersee genäht.

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