Wirtschaft

"Müssen Entwicklungsländer ins Boot holen"

Der Kampf gegen die Folgen des Klimawandels war auch Thema bei den diesjährigen Wirtschaftsgesprächen des Forum Alpbach. „Wir spüren bei unseren Lieferanten und Kunden eine zunehmende positive Sensibilisierung und ein verstärktes Engagement“, sagte Xavier Plotitza, Vorstandsvorsitzender des Großhandelsunternehmens Metro Österreich.

Als Gastgeber der „Wiener Mittwochsgesellschaft des Handels – Edition Alpbach“ in Kooperation mit dem KURIER vertrat Plotitza die Meinung, dass der Kampf gegen die negativen Auswirkungen des Klimawandels nur als gesellschaftliches Gemeinschaftsprojekt unter Einbeziehung der Wirtschaft zu bewältigen sei. Denn die Wirtschaft sei Innovationstreiber und könne so einen wesentlichen Beitrag liefern.

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Der Physiker und Umweltwissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker stimmte Plotitza zu. Umweltschutz funktioniere nicht gegen die Wirtschaft sondern nur mit ihr. Einmal mehr forderte von Weizsäcker seine Zuhörerschaft dann auf, das Klima-Thema als Welt-Thema zu betrachten.

„Vernachlässigbar“

„Dass in Europa das Umwelt- und Klimabewusstsein zunimmt, ist erfreulich. Aber für die Klimaentwicklung in der Welt ist das, was in Österreich und Deutschland passiert, fast vernachlässigbar. Während wir hier in Europa über Klimaschutz reden, werden gegenwärtig weltweit 1.380 neue Kohlekraftwerke gebaut oder geplant.“ Von Weizsäckers Mahnung: „Wir müssen die Entwicklungsländer ins Boot holen.“ Denn 90 Prozent der 1.380 neuen Kohlekraftwerke würden in den Entwicklungsländern errichtet. „Derzeit ist aber dort der Bau eines Kohlekraftwerkes die Lizenz zum Gelddrucken. Das ist eine Katastrophe.“

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Man müsse, so von Weizsäcker, den Entwicklungsländern helfen, „dass es dort lukrativer wird, das Kohlekraftwerk nicht zu bauen und stattdessen die erneuerbaren Energien und Energieeffizienz zu beschleunigen“. Und man müsse eine „neue Art von Treibhausgashandel installieren. Sodass Länder wie Nigeria reicher werden, wenn sie auf Kohlekraftwerke verzichten“.

Zankapfel Flugbenzin

Als Lösung schlug von Weizsäcker die Entwicklung von Technologien vor, die die Energieeffizienz erhöhen, und nannte dazu ein praktisches Beispiel. „Eine Viertelkilowattstunde reicht aus, um einen Eimer Wasser mit zehn Kilo Gewicht auf den Mount Everest zu schaffen. Das heißt: Eine Viertelkilowattstunde ist ein gigantisches Kraftpaket. Wir vergeuden diese Energie aber, weil sie nichts kostet.“

Für ihn sei daher klar, dass man auch an der Preisschraube drehen müsse. „Zunächst muss das Abkommen von Chicago aus dem Jahr 1944 gekündigt werden, welches die Besteuerung von internationalem Flugbenzin untersagt. Denn der österreichische Autofahrer zahlt mehr Steuern als der Vielflieger über den Pazifik. Das ist nicht nur ökologischer Wahnsinn, sondern auch ökonomischer.“

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Von Weizsäcker empfiehlt daher, die CO2-Ausstöße in kleinen Schritten und auf lange Zeit gestreckt jährlich immer höher zu besteuern. Denn die Energiepreise müssten „die ökologische Wahrheit“ einpreisen. Die ehemalige Umweltministerin und stellvertretende ÖVP-Klubobfrau Elisabeth Köstinger plädierte bei der Diskussionsrunde ebenfalls für einen Perspektivenwechsel in der Klimapolitik. „Wir müssen aufhören, Klimaschutz als Belastung zu sehen“, sagte Köstinger. Die Entwicklung von Klimaschutzmaßnahmen sei auch ein Wirtschaftsmotor. Etwa bei der Entwicklung neuer Technologien wie der Wasserstofftechnologie.

Ärger über Billigflüge

Die aktuell niedrigen Preise für Flugreisen bezeichnete die ÖVP-Politikerin als „zu niedrig“. Kritik übte sie auch an der Steuerfreiheit von Kerosin. Das sei „grotesk“ und „ein absoluter Wahnsinn“. Das Thema von CO2-Mindestpreisen will Köstinger auf europäischer Ebene lösen. „Eines muss aber auch klar sein: Eine CO2-Steuer bedeutet, dass Mobilität und Heizen teurer werden. Das ist also auch eine soziale Frage.“

Wie sehr sich die Wirtschaft mittlerweile mit dem Klimawandel beschäftigt, schilderte Arno Wohlfahrter, Strategieberater der Metro AG. „Der heute wissenschaftliche Stand zum Thema CO2 ist konzernweit runtergebrochen auf klar definierte Maßnahmen zur Reduktion von CO2. Metro wertet dabei seinen gesamten CO2-Fußabdruck aus. Es gibt ganz klare Ziele, wie viel an CO2 reduziert werden muss.“ In der praktischen Umsetzung betreffe das alle Unternehmensbereiche, so Wohlfahrter. „Metro verwendet ökologischen Strom, strukturiert den Company-Car-Verkehr neu, überprüft alle Heizungssysteme, optimiert Kühlgase, die umweltschädlich sind, und versucht, so wenig wie möglich Ware wegzuwerfen.“

Regionalität

Auch mit den Lieferanten habe das Unternehmen neue Maßnahmen entwickelt: „Man setzt hier auf eine neue Eigenmarkenstrategie. Die geht in Richtung nachhaltige und regionale Produktion.“ Am Ende, so Wohlfahrter, entscheide der Konsument. „Der größte Verlust, der in einer Wertschöpfungskette entsteht, ist die Ware, die weggeworfen wird. Das geschieht hauptsächlich in den privaten Haushalten.“ Hier hätte eine Verhaltensänderung der Konsumenten wohl den nachhaltigsten Effekt auf die Wertschöpfungskette.

Wobei Wohlfahrter dabei auch eine Synergie zur Digitalisierung sieht. Mit deren Hilfe sei es möglich, die gesamte Wertschöpfungskette eines Produktes sichtbar zu machen. Abschließend zeigte sich Wohlfahrter optimistisch, dass die Konsumenten ihr Verhalten in Sachen Klimaschutz positiv verändern würden. „Wenn wir Menschen lange genug immer wieder mit demselben Problem konfrontiert werden, sind wir durchaus lernfähig.“

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Auch Elisabeth Köstinger appellierte an die Konsumenten: „Der beste Klimaschutz ist der, regional und saisonal einzukaufen.“ Von Weizsäcker wiederum sieht in internationalen Kooperationen eine große Chance. Erster Partner für Europa in Sachen Klimaschutz ist seiner Meinung nach China. Denn China widme sich massiv der Dekarbonisierung, erläuterte er. „Übrigens: Die neue Seidenstraße ist eine Verneigung Chinas vor Europa. China findet Europa interessanter als die USA. Das muss man nützen!“