Wirtschaft

Mehr Jobs – aber nur für die Besten

Angekündigte Revolutionen finden nicht statt? Manchmal schon. Die vierte industrielle Revolution ("Industrie 4.0") sei kein Schlagwort, sondern finde gerade statt, sagt Hannes Pichler, Partner bei der Boston Consulting Group (BCG) in Wien: "Es entstehen völlig neue Berufsbilder. Und zwar nicht in zehn Jahren, sondern jetzt."

Am Ende stehen industrielle Fertigungsstraßen, in denen Roboter auf ihre Umgebung dank Zigtausender Sensoren reagieren. Maschinen, die miteinander kommunizieren, sich selbst organisieren oder sogar reparieren. Systeme, die Millionen an Daten auswerten – mehr, als ein Mensch jemals überblicken kann.

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Eine faszinierende, aber auch bedrohliche Vision. "Die Frage gut oder schlecht stellt sich nicht wirklich", sagt Pichler. "Dieser Wandel passiert." Ganz neue Produkte und Dienstleistungen würden dadurch ermöglicht. Die zentrale Frage ist freilich: Wo bleibt in dieser Arbeitswelt Platz für den Menschen? BCG hat sich damit in einer Studie auseinandergesetzt, die dem KURIER vorliegt. Die Quintessenz: "Es wird unweigerlich zu Verschiebungen kommen, weil weniger qualifizierte Mitarbeiter an den Fertigungslinien wegfallen", sagt Pichler. "Dafür werden besser qualifizierte und bezahlte Jobs entstehen, die nicht nur Geräte bedienen, sondern obendrein kreativ sind und Produkte entwickeln."

10.000 Jobs mehr

Im Maschinen- und Anlagenbau sind die Auswirkungen besonders groß. Die Produktivität kann sich um 10 bis 12 Prozent der Gesamtkosten erhöhen. Nicht nur, weil Personal eingespart wird; es fallen auch Stillstände oder Umrüstkosten weg. Für Österreich hat BCG nachgerechnet: Bei derzeit 80.000 Arbeitnehmern in diesem Sektor werden bis zum Jahr 2025 rund 20.000 der Automatisierung zum Opfer fallen. Dafür sollen 30.000 neue Jobs aus dem Wachstumsimpuls entstehen. Unterm Strich bliebe also doch ein klares Plus.

Das Manko: Die Anforderungen an die Qualifikation dieser Arbeitnehmer sind um ein Vielfaches höher. Dafür hätten Industriestaaten die Chance, jene Produktionsstätten zurückzuholen, die früher in Billiglohnländer abgewandert sind. "Die USA produzieren heute viele Produkte bereits billiger als China", sagt Pichler. Für Österreichs BIP erwartet BCG ein Zusatzplus von bis zu drei Milliarden Euro im Jahr (0,7 Prozent).

Die Ausgangslage sei gut: "Wir haben echte Industrieperlen und – noch – gute Ausbildungsstätten." Förderungen für Gründer, Netzwerke für Start-ups, Datennetze: all das sei wichtig. An oberster Stelle stehe aber die Bildung: Über Erfolg und Misserfolg entscheide, ob Österreich Leute mit solider Technik- und IT-Ausbildung hervorbringen kann. Und zwar vom Facharbeiter bis zum Akademiker.

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Internet der Dinge. Big Data. 3-D-Drucker. Autonome Roboter. Augmented Reality, also die Schärfung der Sinne durch Computer. Gewaltige Daten in der „Cloud“: All das sind Bausteine des Wandels, der „Industrie 4.0“ genannt wird. Keine Zukunftsvision: Halbleiterhersteller Infineon etwa testet bereits in einem Pilotraum in Villach.
Schon jetzt bietet ein Pommes-Frites-Hersteller sein Produkt in 850 Größen und Bräunungsgraden, ein Weißwarenproduzent fertigt 100 unterschiedliche Kühlschranktüren. Heute sind die Kosten enorm, künftig könnten Einzelstücke so billig werden wie Massenware.

Heikel sind die Daten: Die Schäden durch Industriespionage würden sich potenzieren. Und auch die Kundenakzeptanz ist fraglich, wie der Widerstand gegen intelligente Stromzähler („Smart Meter“) zeigt. Künftig werden Geräte vom Auto bis zur Waschmaschine ihre Nutzer ausspionieren. „Die Herausforderung ist, das sicher und transparent zu halten. Ich halte die Chancen für größer als die Risiken“, sagt BCG-Experte Hannes Pichler.