Wirtschaft

Medienmacher: Google "haut mit dem Stadion ab"

Der Suchmaschinenriese Google dominiert den Internetwerbemarkt - nicht nur in den USA, sondern auch hierzulande. Dass hier langsam eine Schieflage für die eigentlichen Medienmacher entsteht, war Thema bei einer Diskussion bei den heurigen Österreichischen Medientagen, die am Mittwoch in der Wiener Stadthalle in Runde zwei gingen.

Steueroptimierungen

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VÖZ-Präsident und KURIER-Geschäftsführer Thomas Kralinger etwa verwies auf die Steueroptimierung, die Google bei der Abschöpfung von Werbung betreibe: Bei 140 Millionen Euro Werbevolumen habe Google etwa nur 200.000 Euro Gewinn ausgewiesen, rechnete er vor. Dies liege daran, dass der Konzern "niemals die maximale Steuerleistung bezahlt, sondern nur die optimierte".

Während bei Google in Wien nur wenige Mitarbeiter beschäftigt würden, hätten die österreichischen Tageszeitungen allein 1800 Journalisten in ihren Unternehmen. Kralinger: "Wir bezahlen 50 Millionen Werbeabgabe. Google bezahlt keinen einzigen Cent, weil im Internet keine Werbeabgabe anfällt." Und: "Wir bezahlen Umsatzsteuern, die bezahlen sie auch nicht, weil sie über Irland fakturieren."

Adblock Plus soll vor die BWB

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In der Frage herrschte auch seltene Einigkeit mit demORF: "Wir diskutieren Regeln für Tischfussball, während Google mit dem ganzen Stadion abhaut", sagteORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, der daran erinnerte, dass Google den Werbeblocker "Adblock Plus" finanziert. "Verwendet Google seine unglaubliche Marktmacht, damit bei Adblock Plus bestimmte Werbung ausgeblendet wird?", so Wrabetz, der die Bundeswettbewerbsbehörde am Zug sieht (siehe"Reaktion"). "Diese sollte das untersuchen und sich für Österreich anschauen, wie es sich damit verhält."

Der ORF-General wünscht sich außerdem eine "Magna Charta" für das Internet, mit der Grund- und Freiheitsrechte garantiert würden. Außerdem brauche es einen Medienrat, der sich ansehe, welche Onlineportale als Medien zu verstehen seien.

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Google-Österreich-Chef Markus Kienberger wiederum erklärte, dass man Kooperationen anstrebe. Und: “In Europa und weltweit findet ja auch ein Standortwettbewerb statt, der steuergetrieben ist. Und das Unternehmen diesen Anreizen folgen, ist logisch.”

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Wie es um das Image Österreichs in der Welt bestellt ist, diskutierte eine Runde rund um KURIER-Herausgeber Helmut Brandstätter. Er erinnerte daran, dass es in dem Land zahlreiche „Hidden Champions“ gebe. 121 österreichische Unternehmen seien in ihrem Bereich Weltmarktführer, so Brandstätter. "Wir sind viel besser, als wir uns manchmal zutrauen," so Brandstätter. Auch das duale Ausbildungssystem bei Lehrlingen sei ein vielbeachteter Erfolg, dennoch drohe man im internationalen Bildungsvergleich unter den Industriestaaten abzurutschen. Medienberater Hans Mahr wiederum kritisierte die österreichische Politik für den Golan-Abzug.

Die Österreichischen Medientage, die am Dienstag zum 20. Mal eröffnet wurden, haben eine erste Kontroverse. Der Gastgeber und Gründer der Veranstaltung, der Verleger Hansjörgen Manstein, hob einmal mehr zu einer Schelte für die Aufdeckerjournalisten an. „Der Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher ist es zunehmend egal, was die Medien so treiben“, sagte Manstein. Medien würden mit Hilfe von Anwälten und „Papierlverteilern“ nur mehr „Aktenabschreibjournalismus“ betreiben und sich dafür auch noch selbst hypen. „Journalisten produzieren Geschichten für Journalisten. Damit gewinnt man höchstens Preise. Nur das interessiert draußen an den Kiosken niemanden. Watchdog und vierte Gewalt ist man so nicht.“

Im Vorjahr hatte Manstein in einem Leitartikel der von ihm verlegten Fachzeitschrift Horizont von "Amtsmissbrauchsjournaille" geschrieben, was ihm den Unmut mehrerer führender Journalisten bescherte. Auf sozialen Medien wurde das Thema intensiv diskutiert. "ZiB2"-Anchor Armin Wolf schrieb am Dienstag zur erneuten Aufdecker-Schelte Mansteins auf Twitter: "Es ist etwa so, wie wenn der Bürgermeister von Schnackenburg Frau Merkel erklärt, dass sie das Handwerk nicht kann."

Daneben konstatierte Manstein eine zunehmende Entfremdung zwischen Medien und Medienkonsumenten sowie Politik und Bürgern. Die Politik agiere „erschütternd inhaltsleer“, und die aktuelle Wahlauseinandersetzung sei nicht gerade von hoher demokratischer Kultur und hohem Niveau geprägt. „Wir erleben eine erstaunliche Degenerierung der politischen Kultur.“ Der Verleger plädierte deshalb für eine Erneuerung bei Medien und Politik.

Edmund Stoiber: Kommunikation in Übergangsphase

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Mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Politik beschäftigte sich der frühere bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber in seiner Eröffnungsrede zum Thema „Demokratie 2.0“. Laut Stoiber befindet sich die politische Kommunikation gerade in einer Übergangsphase. Derzeit dominiere noch die klassische Politikvermittlung. „Hausbesuche, Plakate, Kundgebungen, Briefe, Zeitungen - ist das die Demokratie 2.0? Natürlich ist auch in Deutschland und Österreich der Wahlkampf digitaler geworden, aber Politik läuft in erster Linie nach wie vor analog“, so Stoiber.

Die Zukunft der Politikvermittlung liegt für Stoiber aber dort, wo auch die Zukunft der Medien liegt: „In Mobile und in Social Media. Die Politik ist gut beraten, stärker auf Digitalisierung zu setzen. Das wird unsere Form der Demokratie massiv verändern, Demokratie wird dadurch unmittelbarer und direkter.“ Auch Online-Wahlen sind für den früheren CSU-Politiker denkbar. Und die Digitalisierung werde auch die Parteien verändern. „Um in der Digitalisierung durchzudringen, werden Politiker wieder markanter und kantiger sein müssen.“ Gleichförmigkeit werde im Netz nicht so wahrgenommen. „Wer nur noch kommuniziert und dabei nichts zu sagen hat, wird sich als Politiker sehr schnell verbrauchen.“

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Einen "von Grund auf anders organisierten ORF" wünscht sich der ehemalige Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad. Der öffentlich-rechtliche Sender solle zwar nach wie vor im Eigentum der Republik bleiben, allerdings müssten die Organe ebenso wie die Finanzierung unabhängig gestaltet werden. Bei den Österreichischen Medientagen diskutierte Konrad am Dienstag mit Kabarettist Florian Scheuba über die "Vernetzung, Verstrickung und Verfilzung" von Medien und Politik, wobei er auch die Höhe der Inserate aus öffentlicher Hand kritisch betrachtete.

Handlungsbedarf bei Presseförderung

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Durch die Veröffentlichung gemäß dem Medientransparenzgesetz habe sich gezeigt, dass in einem Jahr mehr als 200 Millionen Euro an öffentlichen Geldern in Medien geflossen sind. "Über diese Summe muss man schon nachdenken", meinte Konrad, der das Transparenzgesetz an sich als positiv bezeichnete. Handlungsbedarf sah der Aufsichtsratsvorsitzender der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien AG unterdessen bei der Presseförderung. "Hier gilt es viel anzudiskutieren und neu, vor allem aber einfacher zu machen", anstelle etablierte Medienunternehmen weiter zu fördern und "künstlich über Wasser zu halten", wie Konrad sagte. Er plädierte für eine Presseförderung etwa als zeitlich begrenzte Starthilfe.

Beim Thema Gratismedien sprach der ehemalige Bankmanager deren Verteilmöglichkeiten auf öffentlichem Grund an. "Wieso ist das eigentlich gratis?", fragte Konrad und forderte "Chancengleichheit für alle". Davon abgesehen seien diese Medien maßgeblich von Einschaltungen durch öffentliche Stellen abhängig.

Mehr Selbstbewusstsein gefordert

Die Wirkung der Medien werde von den Politikern wiederum oftmals überschätzt, diesbezüglich ortete Konrad überzogene "Erwartungshaltungen". Anstatt die Politik nach den Medien auszurichten wünschte er sich "mehr selbstbewusste Politiker und Journalisten, die nach bestem Wissen und Gewissen ihrem Job nachgehen". Nicht jede Kampagne eines großes Mediums würde auch bei der Bevölkerung ankommen. Problematisch sei indes die "zu große Nähe" zwischen manchen Politikern und Journalisten. "Und grundsätzlich benötigt es mehr Respekt vor einander, bei Journalisten wie bei Politikern."

Eine Absage erteilte Konrad der Einflussnahme von Eigentümern und Politikern auf Medien, da es "die einzige Möglichkeit ist, glaubwürdig zu bleiben". Entsprechend kritisch beurteilte er auch den Rückzug von ÖVP-Inseraten in "News" nach einem kritischen Artikel. Und zum Thema ORF-Journalisten und Twitter gab sich Konrad ganz pragmatisch. Strengere Regeln und Beschränkungen lehnt er ab. "Die sollen sagen können, was sie wollen."