Wirtschaft

Madrid bittet darum, den Euro zu verteidigen

Ein Gespenst geht um in Spanien: Es trägt den Namen "El Corralito", "Ställchen", und jagt vielen in der spanischsprachigen Welt Schauer über den Rücken. "El Corralito", so lautete damals der Kosename für den Entschluss, den Argentiniens Regierung auf dem Höhepunkt der Staatskrise 2001 traf: Bargeldabhebungen von Banken wurden auf den Gegenwert von knapp 300 US-Dollar beschränkt. So versuchte man die Argentinier daran zu hindern, ihr Erspartes massenhaft ins Ausland zu bringen. Der Bankrott war trotzdem nicht aufzuhalten.

Genau damit rechnen viele Experten in Spanien seit Längerem. Zu marod sind die heimischen Banken, von denen in den vergangenen Wochen eine nach der anderen, lebensrettende Geldspritzen vom Staat erhalten musste. Seit die Immobilienblase in Spanien geplatzt ist, platzen auch Privatkredite zu Hunderttausenden. Die Immobilienpreise sind im freien Fall und viele Familien können einfach die Schulden, die sie für ihre Häuser und Wohnungen gemacht haben, nicht mehr bedienen. Entsprechend faul sind die Kredite im Portfolio der Geldinstitute, die all das über Jahre finanzierten.

Ratlose Regierung

Offen ausgesprochen hat die drohende Gefahr der Bargeld-Sperre erst der US-Wirtschaftsexperte und Nobelpreisträger Paul Krugman vor wenigen Tagen. Das aber genügte, um die Panik in Madrid weiter eskalieren zu lassen.

Zwar lieferte Wirtschaftsminister Luis de Guindos prompt ein Dementi ab, machte aber zugleich deutlich, wie dramatisch die Lage Spaniens tatsächlich ist. Die Zinsen, die das Land derzeit für seine Staatsschulden bezahlen müsse, seien "untragbar", der Druck habe das absolute Maximum erreicht.

Im Chor mit seinem Wirtschaftsminister fordert nun Regierungschef Mariano Rajoy "klare und entschlossene Maßnahmen" von der EU. Man müsse den Euro verteidigen. Daher müsse auch die Schuldenlast, die jedes der Euro-Länder zu tragen habe, erträglich gehalten werden: "Die Gefahr ist groß, dass man uns kein Geld mehr borgt."

Seine Regierung, so wiederholte der Premier wieder einmal sein Mantra, werde "harte Maßnahmen" ergreifen, um "aus dem tiefen Loch herauszukommen": Abbau von Schulden, Reform der Verwaltung und des am Boden liegenden Bankensektors.

Enorme Arbeitslosigkeit

Vorerst aber scheinen weder die internationalen Finanzmärkte, noch die Spanier selbst ihrer Regierung zu vertrauen. Mit einer Arbeitslosigkeit von mehr als 25 Prozent – unter den Jugendlichen ist jeder zweite ohne Job – steckt das Land nach neuen Wirtschaftsdaten weiter in der Rezession.

Während die Demonstranten der "Indignados"-Protestbewegung inzwischen wieder täglich in Madrid auf die Straße gehen und sich von der Polizei abführen lassen, üben sich andere meist nur noch in Sarkasmus. "Europa ist wohl notwendig", meint der linke Parlamentarier Alberto Garzon auf Twitter, "aber leider nicht gerade funktionstüchtig. Zurzeit können wir uns nur perfekt gemeinsam versenken."

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