Metaller stehen Streik bei Fuß
Von Franz Jandrasits
Der Wunsch nach flexibleren Arbeitszeitmodellen könnte die Unternehmen des Fachverbands Maschinen- und Metallwarenindustrie (FMMI) teuer zu stehen kommen. Nach dem Abbruch der Lohnrunde in der Nacht auf Mittwoch haben die Gewerkschaften Pro-Ge (Metaller) und GPA (Angestellte) die 120.000 Beschäftigten der Branche ab kommenden Dienstag zum unbefristeten Streik aufgerufen.
„Grauslichkeit“
Die Schuld am eskalierenden Arbeitskampf geben Pro-Ge-Chef Rainer Wimmer und GPA-Chefverhandler Karl Proyer den Arbeitgebern. Diese hätten auch in der vierten Verhandlungsrunde darauf bestanden, dass es Lohnerhöhungen nur gibt, wenn die Gewerkschaft im Gegenzug neuen Arbeitszeitregeln zustimmt. Das Arbeitszeitkonto sei aber eine „Grauslichkeit“, mit denen sich die Unternehmen nur Überstundenzuschläge sparen wollten. Das Modell sieht vor, dass das Zeitkonto bis zu einem Arbeitsmonat (167,5 Stunden) im Plus oder im Minus sein kann. Für diese Mehrstunden gebe es keine Zuschläge, sie sollen mit langen Durchrechnungszeiträumen, die auf Betriebsebene festgelegt werden sollen, 1:1 in Zeit abgegolten. Damit würden Auftragsschwankungen, kritisieren die Gewerkschafter, zur Gänze auf die Arbeitnehmer abgewälzt. Wimmer: „Wir lassen nicht zu, dass den Arbeitnehmern unter dem Titel Flexibilisierung Zuschläge weggenommen werden.“
Bilder: Die eiserne Lohnrunde im Herbst
FMMI-Obmann Christian Knill weist die Schuld den Gewerkschaften zu: „Wir sind den Arbeitnehmern auch beim Thema Arbeitszeit weit entgegengekommen, aber sie haben sich nicht bewegt.“ Konkret seien die Unternehmen bereit gewesen, Lohnrunde und Arbeitszeitverhandlungen zu trennen. Aber: „Wir wollten einen genauen Zeitplan für die Arbeitszeitgespräche festlegen. Dazu war die Gewerkschaft nicht bereit.“ Und die Forderung, Arbeitszeitmodelle nur im Verbund der insgesamt sechs Metaller-Fachverbände zu verhandeln, sei für den FMMI unannehmbar.
Der angekündigte Streik vertieft die Gräben zwischen den ohnehin zerstrittenen Verhandlungspartnern weiter. Der Ausstand koste – so Knill – die Unternehmen viel Geld, das für Investitionen und letztlich auch für Lohnerhöhungen fehle. Für zusätzlichen Ärger sorgt auch die Diskussion darüber, ob es in Österreich ein Recht auf Streik gibt (siehe Beitrag rechts). Nicht beziffern will die Branche derzeit, was sie ein Streiktag kostet. Das hängt letztlich auch davon ab, ob die Firmen – wie bisher meist üblich – nach der Beilegung des Streits die Löhne und Gehälter für die Zeit der Arbeitsniederlegung bezahlt.
Ob und wann weiterverhandelt wird, ist offen, eine Entscheidung darüber dürfte frühestens am Wochenende fallen. Selbst wenn bis kommenden Montag ein Kompromiss im Arbeitszeit-Streit erzielt und der Streik abgeblasen wird, liegen die Vorstellungen noch weit auseinander. Die Gewerkschaften fordern 100 Euro brutto monatlich, mindestens aber 3,4 Prozent mehr. Die Arbeitgeber boten zuletzt eine Ist-Lohn-Erhöhung von 2,3 Prozent, erhöht werden sollten entgegen früheren Absichten der Arbeitgeberseite auch die kollektivvertraglichen Mindestlöhne und damit die Einstiegsgehälter.
Österreich ist anders. Während in Deutschland ein umfangreiches Streikrecht existiert, fehlt hierzulande eine adäquate Regelung. Es gibt lediglich eine Art Gewohnheitsrecht. Bei Detailfragen gibt es unterschiedliche Interpretationen.
„Es gibt kein Streikrecht. Dieses Recht ist verfassungsrechtlich nicht abgesichert, es gibt aber auch kein gesetzliches Verbot“, so Martin Gleitsmann, Leiter der sozialpolitischen Abteilung der Wirtschaftskammer Österreich. Die Gewerkschaften hingegen sehen das Streikrecht in der Verfassung und der europäischen Menschenrechtskonvention abgesichert.
Es gibt auch keine Judikatur dazu, ob Streikende entlassen werden dürfen. Die Meinungen dazu gehen auseinander. Bisher ist es jedenfalls noch nicht passiert.
Anders als in Deutschland haben Unternehmer in Österreich nicht das Recht bei einem Streik die Belegschaft auszusperren.
Arbeitnehmer haben während des Streiks kein Recht auf Lohnfortzahlung. Bisher war es aber immer so, dass sich die Streitparteien nach Beendigung des Arbeitsausstandes auf die Auszahlung der Gehälter geeinigt haben. Sollte keine Einigung zustande kommen, dann bekommen nur die Gewerkschaftsmitglieder ihre Bezüge aus der Streikkasse ersetzt.
ÖGB -Präsident Erich Foglar kündigte Mittwochabend jedenfalls an, dass der Bundesvorstand am Donnerstag dem Antrag der Pro-Ge auf einen unbefristeten Streik "mit Sicherheit zustimmen“ werde.
Mit der Ankündigung eines unbefristeten Streiks gibt es in der Metallindustrie heuer zum zweiten Mal seit der Jahrtausendwende einen Arbeitskampf in der Metallbranche. 2011 riefen die Gewerkschaften allerdings nur zu einem Warnstreik auf, die nächste Stufe nach unbefristeten Betriebsversammlungen. Diesen Druck bauten sie aber schon nach der zweiten Verhandlungsrunde auf, diesmal sind bereits vier Runden ins Land gezogen.
Bevor die Warnstreiks 2011 zu einem richtigen Streik ausuferten, trafen sich beide Seiten an einem Sonntag zu Sondierungsgesprächen. Dort wurde vereinbart, am folgenden Montag die Lohnrunde wieder aufzunehmen. Am Dienstagmorgen wurde dann eine Einigung erzielt, im Schnitt gab es für die Arbeitnehmer ein Lohnplus von 4,2 Prozent. Der Industrie kostet der Abschluss 2011 rund 300 Mio. Euro. Als Verhandlungsbasis war damals von einer Inflationsrate von 2,8 Prozent ausgegangen worden.