Wirtschaft/Lehre

HTL-Schüler entwickeln revolutionären Gürtel

Es gibt Produkte, die besonderen Seltenheitswert haben. „Kurt der Gurt“ ist so ein Produkt. Es handelt sich dabei um einen Gürtel, der aus Feuerwehrschläuchen hergestellt wurde. „Kurt der Gurt“ ist also feuerfest. Die Idee dazu hatten neun Schüler an der Höheren Technische Lehranstalt (HTL) im niederösterreichischen Waidhofen an der Ybbs. Für die Dauer eines Jahres gründeten sie die Firma ReFire. Und zwar nicht als theoretisches Planspiel, sondern tatsächlich. Denn ReFire ist Teil des sogenannten Junior Company-Programms.

„Schülerinnen und Schüler im Alter von 15 bis 19 Jahren gründen dabei Unternehmen und bieten ihre selbst entwickelten Produkte am realen Markt an“, erklärt der Unternehmer und WKÖ-Vizepräsident Jürgen Roth, der auch Chef jenes Vereins ist, der das Projekt fördert (siehe Interview weiter unten).

Lehrer sind Coaches

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Der Erfolg des Programms hängt auch vom Engagement der Lehrer ab. Denn die müssen die Jung-Unternehmer betreuen. So wie Eckhard Gussmack. Er ist einer jener Lehrerinnen und Lehrer, die Projekte wie ReFire an der HTL Waidhofen begleiten. „Die Schüler sind meist voll motiviert. Und ReFire war überhaupt ein Selbstläufer.“ Wobei von Beginn an klar war, dass ReFire als Unternehmen aus der Abteilung Wirtschaftsingenieurswesen der HTL einen technischen Touch haben musste, so Gussmack weiter. „Darüber hinaus aber musste das Produkt auch verkaufbar sein.“

"Kurt der Gurt"

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Die neun Schüler beziehungsweise Mitarbeiter von ReFire brachten mit „Kurt dem Gurt“ ein sogenanntes Upcycling-Produkt auf den Markt. Beim Upcycling werden Abfallprodukte in neuwertige Produkte umgewandelt. „Wie eben coole Gürtel aus alten Feuerwehrschläuchen“, erläutert Michael Kittinger, der junge Geschäftsführer von ReFire. Handarbeit und Zuschnitt erfolgten komplett an der HTL, so Kittinger. Genäht beziehungsweise eingefasst wurden die Gürtel in der Sattlerei Zeillinger in Waidhofen. Gelocht und mit Schnallen versehen wurden die Gürtel dann wieder an der HTL.

Für „Helden von morgen“

„Helden von morgen“„Beworben und verkauft haben wir die Gürtel auf diversen Online-Kanälen und auf Märkten“, erzählt Andreas Baumgartner, der Marketingchef von ReFire. Er hat auch die Zielgruppe definiert: „Die Helden von morgen ab zehn Jahren.“ So wie bei ReFire, muss jeder Schüler bei den Junior Companies eine konkrete Rolle einnehmen. Vom Geschäftsführer über den Marketingleiter bis zu Ein- und Verkäufern, schildert Gussmack. Auch ein Startkapital muss aufgetrieben werden. Mit den Einnahmen werden am Ende des Schuljahres die Investoren (samt Rendite) ausbezahlt. Bleibt danach noch ein Gewinn, wird dieser unter den Schülern aufgeteilt.

Wirtschaftsinteresse wecken

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Für Harald Rebhandl, Direktor der HTL in Waidhofen, erfüllt das Projekt Junior Companies mehrere Zwecke. „Wir wollen das Wirtschaftsinteresse unserer Schülerinnen und Schüler fördern.“ Speziell in der Fachrichtung Wirtschaftsingenieurswesen würden die Schüler sowohl in technischem als auch ökonomischem Denken geschult, „damit sie rasch in der Wirtschaft andocken können.“

“Hilfreich ist, dass viele Lehrerinnen und Lehrer an der derzeit 720 Schüler zählenden HTL in Waidhofen wie Rebhandl selbst aus der Wirtschaft kommen. So wie in der ökonomischen Realität ist Rebhandl auch die Förderung einer wie er sagt „kreativen Wettbewerbskultur“ wichtig.

Regionale Wirtschaft

Jedes Jahr treten mehrere Junior Companies aus der HTL Waidhofen bei diversen Wettbewerben an. ReFire schaffte es bei einem österreichweiten Bewerb heuer sogar auf Platz drei.   Schlussendlich würden laut Rebhandl die Junior Companies auch die lokale Kooperation der HTL mit regionalen Unternehmen fördern. Denn die Unternehmen fungieren  oft als Partner.

Die ReFire-Manager Kittinger und Baumgartner finden Wirtschaft jedenfalls „super interessant.“ Denn im Leben drehe sich am Ende nun mal alles um die Wirtschaft. Eine fixe Karriereplanung haben sie für die Zeit nach der HTL noch nicht. Nur eines steht für die beiden Jugendlichen fest: „Der Beruf muss Spaß machen.“

Und wer steckt dahinter?

Hinter dem Junior Company-Programm steht JA Austria. Seit seiner Gründung 1995 ist JA Austria im Netzwerk der Volkswirtschaftlichen Gesellschaften Österreichs verankert. Entsprechend der Lizenzbedingungen von Junior Achievement Worldwide (JAW) wurde JA Austria als Non-Profit-Organisation in Form eines Vereins gründet.

Hauptförderer des Junior-Company-Programms über den Verein JA Austria  sind etwa die Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), das Bildungs- und Infrastrukturministerium, die Notariatskammer und die Junge Industrie. JA Austria-Präsident ist der steirische Unternehmer und WKÖ-Vizepräsident Jürgen Roth. Der KURIER hat ihm dazu einige Fragen gestellt. 

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KURIER: An welchen Schulen gibt es das Projekt Junior Companies?

Jürgen Roth: Wir versuchen, möglichst alle Schulen einzubinden. Wir haben etwa AHS, Modeschulen, landwirtschaftliche Schulen oder HTL. Im Vorjahr haben 350 Schulen mit knapp 4.000 Schülern mitgemacht. Im heurigen Schuljahr werden wir diesen Rekord erneut brechen.

Was ist die Idee dahinter?

Wir wollen den Unternehmergeist fördern und zeigen, dass Unternehmer Vorbild und nicht Feindbild sind. Und was kann einem jungen Menschen Besseres passieren, als schon in der Schulzeit in die Welt des Unternehmertums hinein zu schnuppern. Viele Teilnehmer sind dann oft erstaunt, wie anstrengend der unternehmerische Alltag ist.

Sie wollen also nicht die Jugendlichen zu Unternehmern machen?

Überhaupt nicht. Es geht uns nur darum, dass die Jugendlichen einen Einblick ins Unternehmertum bekommen.

Es darf ein Startkapital von 800 Euro akquiriert werden. Wie funktioniert das?

Wie im realen Leben werden an interessierte Personen Genussscheine ausgegeben. Am Ende wird das Investment natürlich mit einer Art Dividende zurückbezahlt. Wenn dann noch etwas für die Schüler übrigbleibt, lohnen sich ihren Mühen umso mehr.

Machen die Lehrer mit?

Die Lehrer sind sehr engagiert. Am Anfang gab es Skepsis. Aber jetzt sind die mit Herzblut dabei.

Und die Eltern?

Es zeigt sich immer wieder, dass ihre Begeisterung im Laufe eines Schuljahres für dieses Projekt steigt. Vor allem dann, wenn sie sehen, wie sich die Jugendlichen engagieren, die Produkte entwickeln und auf Schulmärkten verkaufen.  

Die regionale Wirtschaft ist auch eingebunden?

Ja. Denn viele Unternehmer produzieren regional und sehen hier für sich auch einen Mehrwert.

Wie steht es mit dem Frauenanteil in den Companies?

Bei den Junior Companies ist der Frauenanteil überproportional hoch. Wir sehen, dass junge Frauen gerne teamorientiert arbeiten.

Welche Lehre ziehen eigentlich Sie aus dem Projekt?

Es gib ja ständig diverse Wettbewerbe zwischen den Schulen auf Landes- und auch Bundesebene, weil wir den Wettbewerbsgedanken fördern wollen. Ich habe jedenfalls großen Respekt vor den Jugendlichen, die bei diesen Wettbewerben oft vor hunderten Zusehern ihre Produkte präsentieren.

Hinweis: Diese Serie wird in Kooperation mit der WKÖ, aber unter redaktioneller Unabhängigkeit publiziert. Wir bedanken uns bei den Jugendlichen, ihren Eltern und den Unternehmen für die Mitwirkung.