Wirtschaft

Konjunktur: Sommer-Hoch mit Wolken am Horizont

Überraschend guter Dinge sind die deutschen Unternehmer. Experten hatten prophezeit, der Aufwind für die Wirtschaft im Nachbarland flaue seit April 2015 stetig ab. Der Geschäftsklimaindex des Münchener Ifo-Instituts zeigt anderes: Im Juli beurteilen die 7000 befragten Unternehmen ihre Lage und den Ausblick fürs nächste halbe Jahr sogar besser als im Vormonat – der Index kletterte von 107,5 auf 108 Punkte. Die vorläufige Entspannung in Sachen Griechenland habe zur Stimmungsaufhellung beigetragen, erklärte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn.

IWF-Urteil über Europa

Auch für die Eurozone als Ganzes habe sich die Lage kurzfristig verbessert, diagnostiziert der Internationale Währungsfonds (IWF) in seiner am Montag veröffentlichten turnusmäßigen Überprüfung. Dank der kräftigen Eingriffe der Europäischen Zentralbank (EZB) sei das Vertrauen zurück. Womöglich müsse die EZB aber ihr riesiges Anleihenkaufprogramm über September 2016 hinaus verlängern, um dauerhaft stabile Preise (zwei Prozent Inflation) zu erzielen.

Das billigere Öl und der schwächere Euro stützen die Erholung ebenfalls, die Wirtschaftsleistung soll im Euroraum um 1,5 Prozent heuer und 1,7 Prozent nächstes Jahr wachsen.

Länder, die es sich leisten könnten ( Deutschland, Niederlande), sollten die Niedrigzinsen für Investitionen und Strukturreformen nützen. Länder mit wenig Spielraum (Frankreich, Portugal) sollten ihre Schulden reduzieren.

Dunkle Wolken

Sorgen bereitet dem IWF-Vize-Europachef Mahmood Pradhan allerdings der mittelfristige Ausblick, der Blick auf die nächsten fünf Jahre. „Schon moderate Vertrauensschocks wie schwächeres Wachstum oder stärkere geopolitische Spannungen könnten die Zone in eine lange Stagnation stürzen“, sagt Pradhan.

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Besonders besorgniserregend: Das Wachstum schwächelt nicht erst seit der Krise, die Probleme sitzen tiefer. Schon seit Anfang der 2000er-Jahre fällt die Produktivität des Euroraums zurück, die Schere zu den USA geht auf. Mittlerweile traut der IWF Europas Währungsunion auf Dauer nur noch ein mickriges Prozent (Potenzial-)Wachstum zu.

Das ist zu wenig, um die Arbeitslosenrate deutlich zu senken: Diese werde bis 2020 nur auf 9 Prozent fallen – von 12 Prozent im Jahr 2013. Was kann Europa tun? Die faulen Kredite gehörten schleunigst aus den Bankbilanzen getilgt – die EZB-Bankenaufsicht nehme sich nun des Themas an, sagt Pradhan. Zu langsam gehen dem IWF die Strukturreformen der Euroländer voran. Es mangle nicht an Regeln, aber an der konsequenten Einhaltung. Einfache, überprüfbare Zielvorgaben könnten da helfen. Auf lange Sicht brauche der Euro eine neue Architektur, dabei müssten die Risiken im Euroraum stärker vergemeinschaftet werden, rät der IWF.

Debatte über Euro-Budget

Das könnte über ein gesondertes Eurozonen-Budget samt eigenen Steuern geschehen, um kriselnden Ländern auszuhelfen. Deutschland sei zu Gesprächen bereit; die Debatte befinde sich aber in einem frühen Stadium, hieß es aus dem Finanzministerium in Berlin.