Keine Kohle mehr für Kohle: Rekord bei nachhaltiger Geldanlage
Wer Geld mit gutem Gewissen anlegen will, muss auf nachhaltige Investments achten. Aber was bleibt da überhaupt noch übrig? Wie viele Unternehmen und Staaten gibt es denn, welche wirklich alle Kriterien erfüllen?
„Das hängt von der Anlageklasse ab“, erklärte Wolfgang Pinner, Österreich-Verantwortlicher im Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG), am Montag in Wien. So scheide etwa bei Aktien ungefähr die Hälfte des Investment-Universums aus, wenn man die Kriterien streng definiert.
Denn das bedeutet, dass kein Geld an Unternehmen fließen darf, die Geschäfte mit Kohleabbau, Waffen, Glücksspiel, Atomkraft, Tabak oder Gentechnik machen. Oder die Menschenrechte und faire Arbeitsbedingungen missachten. Das waren im Vorjahr die wichtigsten Ausschlusskriterien in Österreich (Tabelle).
Noch dünner wird der Boden bei Staatsanleihen. Hier scheiden Länder mit Todesstrafe, Diktaturen und korrupte Regime ebenso aus wie Staaten, welche das Pariser Klimaabkommen ablehnen. Was ein Anlegen in US-Staatsanleihen (Treasuries), eine der Hauptwährungen im Anleihenmarkt, gleich mehrfach unmöglich macht. Aber auch mit Schwellenländer-Titeln wird es da – außerhalb von Osteuropa – recht eng.
Die Gefahr einer Verknappung sieht Pinner aber nicht: „Es ist nicht so, dass alle in dieselben Titel investieren und so die Preise hochtreiben.“ Der Markt sei ständig in Bewegung, mit der steigenden Nachfrage kämen immer wieder neue Akteure dazu.
Vorsorgekassen
Und diese Nachfrage steigt beachtlich – allein im Vorjahr kletterten die Nachhaltigen Geldanlagen in Österreich um 43 Prozent auf gut 21 Milliarden Euro. Nachhaltiges Investieren ist damit der Öko- und Gutmenschen-Nische deutlich entwachsen. Laut FNG-Marktbericht machen nachhaltige Publikums- und Spezialfonds in Österreich jetzt 12,8 Prozent des gesamten Fondsmarkts aus.
Wobei 80 Prozent der nachhaltigen Veranlagungen von institutionellen Investoren – vor allem Vorsorgekassen und Versicherungen – getätigt werden. Privatpersonen kommen auf 20 Prozent. Auf längere Sicht ist das Wachstum aber gleichmäßig verteilt.
Noch größer fällt in Österreich das Volumen „verantwortlicher Investments“ mit 65 Milliarden Euro aus (plus 66 Prozent). Damit ist gemeint, dass die Vermögensverwalter in ihren Abläufen und Entscheidungen die ökologischen und sozialen Aspekte einfließen lassen.
Schub nach Finanzkrise
Woher kommt aber gerade jetzt die gesteigerte Aufmerksamkeit? Einen kräftigen Schub hat das Thema seit der Finanzkrise bekommen. Auch die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und die Pariser Klimakonferenz haben mehr Verantwortungsgefühl bewirkt.
Könnten die aktuellen Klimaproteste der jungen Generation – Stichwort Schulstreiks und „Fridays for Future“ – das Thema nachhaltiges Investieren noch mehr anschieben? Etwa über den Umweg der Eltern?
Das sei zwar eine gute Basis, an ein „Überschwappen“ der Klimaschutz-Bewegung zu ökologischer Geldanlage glaubt Pinner, zugleich Leiter der Abteilung Nachhaltige Investments bei der Raiffeisen KAG, nicht. Denn mit Geldanlage- Entscheidungen hätten die ganz Jungen meist wenig zu tun.
Er sieht indes Handlungsbedarf für Schulen und Universitäten: „Wir haben ein schwaches Bildungslevel, was das Finanzwissen und Investments betrifft.“
EU-Aktionsplan
Große Erwartungen setzt Susanne Hasenhüttl, Investmentexpertin der Non-Profit-Organisation ÖGUT (Öst. Gesellschaft für Umwelt und Technik), in den EU-Aktionsplan, der im März 2018 vorgelegt wurde.
Von den zehn geplanten Maßnahmen sind vier bereits im Stadium der konkreten Gesetzwerdung. So müssen Banker und Anlageberater ihre Kunden künftig fragen, ob ihnen nachhaltiges Investieren ein Anliegen ist – geregelt ist das in der neuen Wertpapierrichtlinie (Mifid 2). Das könnte für viele Kunden ein Denkanstoß sein.
EU-Pickerl dauert noch
Obendrein müssen Vermögensverwalter künftig transparent machen, wie Nachhaltigkeit in ihren Entscheidungen berücksichtigt ist. Die Vereinheitlichung von Begriffen und Messdaten steht ebenfalls auf der EU-Agenda.
Noch länger wird man freilich auf ein EU-Eco-Label für nachhaltige Anlagen warten. Das sei nur auf freiwilliger Basis geplant. Und es werde „zwei bis drei Jahre dauern“, glaubt Hasenhüttl.