Weihnachten im Dienst
Von Ornella Wächter
Bevor der 24. Dezember, die Feiertage und das Jahresende in greifbare Nähe rücken, läuft die Arbeitswelt auf Hochtouren. Die Termine im Kalender stehen dicht an dicht, offene Projekte müssen noch abgeschlossen werden, Deadlines sitzen im Nacken, hinzu kommen Vorbereitungen, die bereits für das kommende Jahr getroffen werden.
Der berufliche Weihnachtsstress hält auf Trab. Für einige Arbeitnehmer sind das die letzten stressgeladenen Tage, bevor die stille Zeit einkehrt, im Kreis der Familie. Doch die Kalenderwoche 52, in der es mit dem 25. und 26. Dezember zwei gesetzliche Feiertage gibt, ist nicht für alle Österreicher eine ruhige Zeit mit freien Tagen. Während die einen ihre Abwesenheitsnotizen schreiben und eMails ab dem 24. Dezember für ein paar Tage ungeöffnet bleiben, gehen andere ganz normal in die Arbeit.
Ein Kraftwerksleiter, eine Landwirtin und ein Großbäcker über ihren Job, der keine Feiertage kennt:
„Ich halte die Messe selbst“
Eine 400 Meter lange Bahntrasse aus dem Jahr 1925 ist im Winter die einzige Verbindung zwischen Andreas Digrubers Dienstwohnung und der Außenwelt. Im Vorjahr hatte es allerdings derart viel Neuschnee gegeben, dass der Werksleiter es vorzog, die Bahnstrecke zum EVN-Kraftwerk Wienerbruck nicht freizuschaufeln. Denn die Gondel des Schrägaufzugs wird an einem Steilhang hinauf gezogen – die Lawinengefahr war zu groß. Tagelang waren er und seine Frau von der Außenwelt abgeschnitten.
„Doch für solche Vorfälle sind wir vorbereitet“, erzählt Digruber, der seit 30 Jahren in dem Kraftwerk in den Ötschergräben lebt, „mit unseren Vorräten können wir uns eine Woche lang versorgen.“ Die Abgeschiedenheit im Winter überbrückt Andreas Digruber mit Arbeit – von dieser hat er als alleinverantwortlicher Werksleiter ohnehin genug. Egal ob werktags, am Wochenende oder an Feiertagen – die zwei Generatoren im Kraftwerk sind ständig in Betrieb und versorgen rund 8.000 Haushalte mit Energie.
„Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht ins Kraftwerk gehe und den Betrieb checke.“ Jeder Störungsfall muss von ihm alleine behoben werden. Den Weihnachtsabend verbringt Digruber mit seiner Frau und seinen zwei Kindern vor dem selbst gefällten Christbaum. „Die Messe halte ich.“ Als Autodidakt ist er es eben gewöhnt, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.
„Wir verdienen Milchgeld, kein Weihnachtsgeld“
Frühes Aufstehen bleibt Ernst und Anna Haselmayer auch zu Weihnachten nicht erspart. „Der 24. Dezember beginnt bei uns so, wie jeder andere Tag auch. Um halb sieben bin ich mit meinem Mann im Stall, die Kühe müssen gemolken und versorgt werden und der Stall ausgemistet“, erzählt Anna Haselmayr, die zusammen mit ihrem Mann Ernst, ihren Schwiegereltern und drei von vier Kindern auf einem Bio-Bauernhof in Ertl, Gemeinde Amstetten, lebt.
Außer der Familie leben noch 18 Kühe, 10 Hühner, drei Schafe, zwei Schweine und ein Hund auf dem Hof der Haselmayrs. Dass ihr Bauernhof ein Rund-um-die-Uhr-Job ist, der keine Wochenenden oder Feiertage kennt und nur wenig Freizeit zulässt, sind Anna und Ernst von Kindesbeinen an gewohnt. Beide sind auf einem Bauernhof aufgewachsen und haben bereits früh gelernt, mit anzupacken.
„Wir sind unsere eigenen Chefs – wir verdienen kein Weihnachtsgeld, sondern in zwölf Monaten das Milchgeld“, sagt Anna. Nur fünf Urlaubstage im Jahr gönnen sich die zwei – allerdings nicht zu Weihnachten. Denn das Leben auf dem Hof folgt einem festen Rhythmus. Alle zwei Tage kommt der Milchwagen und holt ihre Milch ab. Pro Liter verdienen sie etwa 51 Cent – neben den Förderungen der EU und dem Verkauf ihrer Kälber, ihre wichtigste Einnahmequelle.
Zudem müssen die ca. 20 Hektar Land bewirtschaftet werden, Kälber werden geboren – Arbeit steht immer an. Wie in vielen ländlichen Gebieten üblich, wird auch bei den Haselmayers zu Weihnachten geräuchert. Am 24. Dezember „reinigt“ der Jüngste mit dem Großvater Stall und Wohnhaus – währenddessen wird von den Geschwistern heimlich der Christbaum geschmückt und in die Stube geschmuggelt. „Heiligabend wird im Kreis der Familie gefeiert, am 25. und 26. Dezember wird dann die Verwandtschaft besucht“, so die Hofbesitzerin. „Vorher müssen wir natürlich die Stallarbeit erledigen.“
„Die Kalenderwoche 52 ist für uns eine gewöhnliche Arbeitswoche“
Philipp Ströck, Juniorchef des Bäcker-Familienunternehmens, versorgt seine Kunden auch an Feiertagen mit frischen Semmeln. Betriebsurlaub über die Weihnachtsfeiertage? Spielt es beim Familienunternehmen Ströck nicht. Zwar gelten in den Bäcker-Filialen am 24. Dezember verkürzte Arbeitszeiten – bei Ströck endet der Verkauf an manchen Standorten um 12, in anderen um 13 Uhr, aber: „Frühstücken wollen die Leute auch am 25. und 26. Dezember, also ändert sich für uns Lebensmittelproduzenten während der Feiertage nicht viel“, sagt Ströck.
Somit werden auch an den beiden Feiertagen zwischen 1 und 9 Uhr morgens alle Kunden mit frischem Brot und Gebäck beliefert. Die Kalenderwoche 52 ist bei Ströck wie die übrigen 51 auch, eine Arbeitswoche. „Wir beliefern ganz normal weiter, darunter 35 Hotels, 30 Lieferstellen in Pensionistenwohnheimen und 25 Lieferstellen in Spitälern, sowie sieben Filialen in Wien, die über die Feiertage offen sein werden“, zählt der Bäckermeister auf.
„Frische Produkte kann man eben nicht vorproduzieren.“ Da die übrigen 64 Filialen in Wien und Umgebung, Schulen und Kindergärten über die Weihnachtsfeiertage und Neujahr geschlossen bleiben, beträgt die Auslastung der Teiglingsproduktion nur rund ein Viertel des üblichen Volumens. „Bei uns gibt es trotzdem rund um die Uhr zu tun. Die Arbeitszeiten in den Backwerken überlappen sich, damit es zu keinem Stillstand kommt“, so der Ströck-Juniorchef.
Und so treten in den zwei Produktionsstandorten in Wien-Donaustadt rund 450 Mitarbeiter ganz regulär ihre achtstündige Schicht an, darunter Bäcker, Logistiker und Zusteller – auch in der IT-Abteilung ergeben sich mit dem laufenden Betrieb Bereitschaftsdienste über die Feiertage. „Ich habe am 24. und 25. Dezember von 6 Uhr morgens bis 6 Uhr abends Bereitschaftsdienst. Heiligabend werde ich zwar bei meiner Familie sein, das Handy wird aber immer neben mir liegen“, so Martin Mottl, der für die IT des Unternehmens zuständig ist.