Wirtschaft/Karriere

Von den Sex Pistols lernen

Das macht eine mittelmäßige Firma, die mittelmäßige Kameras produziert, und stets hinter der erstklassigen Konkurrenz hinterherhechelt? Sie produziert eine schlechte Kamera, verkauft sie billig und wächst  so in fünf Jahren um 50.000 Prozent. So geschehen der Firma Pure Digital, die später von Cisco um 590 Milliarden US-Dollar übernommen wurde. Oder die Fluglinie Ryanair, die das Service auf null herunterfuhr und so mit Billigstangeboten reüssieren konnte. Oder IKEA: Billige Möbel, die man auch noch selbst zusammenbauen muss. All diese Firmen sorgten in ihrer Branche für Aufruhr – dank unkonventioneller Ideen.

Eben solch erfrischende und bisweilen provokante Denkanstöße gibt der finnische Anarcho-Professor für Management Alf Rehn, bekennender Bad Boy der Business School, im Buch  "Gefährliche Ideen". Um kreative Ideen zu haben, vergessen Sie Kreativitätsübungen, rät er.  Denkakrobatik für mehr Ideenreichtum bringe gar nix außer der Ausschüttung von Wohlfühldopamin im Hirn, sagt Rehn. Das uns mit Wärme und Zuneigung flutet und uns glauben lässt, wir seien kreativ. Sind wir de facto  nicht.

 

Schluss mit Bequemlichkeit

Kreativität sei eine "Kuscheldecke der Geschäftswelt" geworden, eine "fade Kopie, die niemandem wehtut".  Und das sei ihr eigenes Ende. Erst wenn das Denken unbequem, grauslich, provokant bis zur Übelkeit  wird, kriegen wir Zugang zu wahrer Kreativität.  Wir müssen aus der Komfortzone des Denkens ausbrechen, die geheimen Schubladen aufreißen. Brechen Sie Normen, provozieren Sie. Erst dann kann Kreativität frei fließen. Rehn schlägt folgende Maßnahmen vor, die  zur gefährlichen Idee verhelfen:

 

Lernen Sie von den Sex Pistols

"Kreativität muss nicht nett sein, um effektiv zu sein", sagt Rehn. Musik und Texte der Punkband Sex Pistols waren rau, aggressiv, provokant – eine Marketing-Strategie, die voll auf Widerstand abzielte und dadurch aufging. Wer echte Kreativität wolle, müsse sich mit den Tabus der Kreativität befassen: mit unbequemen, befremdlichen, irrationalen Ideen. Also: Drücken Sie genau auf den Punkt, den Sie lieber meiden. Vergessen Sie die inspirierenden, sich richtig anfühlenden Wege – denn das Bauchgefühl sei der Feind der Kreativität, es verlässt sich auf Gewohntes.

 

Ekeln Sie sich – und andere

"Essen Sie Ihr Ohrenschmalz", fordert Rehn den Leser auf. Ja, diese Vorstellung löst mitunter Übelkeit aus. Dennoch zeige sie das beschränkte Denken auf und den Ort kreativen Potenzials. General Motors  ließ seine Ingenieure und  Fahrzeugdesigner in Frauenkleider und High Heels schlüpfen, damit sie die Autos aus der Sicht der Frau testen konnten.

 

Denken Sie obszön

Die heutige Moralgesellschaft sei schlecht für die Kreativität, sagt Rehn. Das Über-Ich als moralische Instanz würde unser Denken im Zaum halten – die Leugnung unserer eigenen Begierden  uns von der Kreativität fernhalten. Dadurch halten wir uns an das Langweilige, Gewohnte.

 

Hören Sie auf, erwachsen zu sein

Kinder sind verspielt, albern, hinterfragen – und sie glauben einfach. Diese Fähigkeiten machen sie zu kreativen Denkern. Auch wir Erwachsene sind verspielt, sagt Rehn, nur geben wir es nicht zu. Wir rechtfertigen unser Verhalten auf pseudo-rationale Weise. Wenn Sie mehr Ideen wollen, werden Sie doch alberner, appelliert Rehn. Eine Zeit lang war die beliebteste iPhone-App das iFart – sie konnte Fürze nachahmen.

Und: Ihre Idee muss nicht unbedingt neu sein. Kreativität ist auch die Kunst, aus bereits Vorhandenem etwas Neues zusammenzusetzen.