Wirtschaft/Karriere

Unsere Landwirte erobern Neuland

Das verlockende Angebot kam mit der Post. Rudolf Seebacher erhielt vor einigen Monaten einen handgeschriebenen Brief von einem Grazer Start-up. Es war eine Einladung zu einem neuen Geschäftsmodell für den Bauern aus Bad Mitterndorf: „Die Karte war so liebevoll gemacht, da musste ich die Idee einfach unterstützen.“ Die Idee stammt von Leonard Röser, Karin und Christian Gruber-Steffner. Sie vernetzen mit ihrem Start-up „Schau aufs Land“ nachhaltige Betriebe mit Campern.

Ihr Konzept: Campingliebhaber können mit ihrem Wohnwagen oder Zelt eine Nacht gratis auf einem Weingut, Bauernhof oder in einer Imkerei stehen und genießen das besondere Flair. Im Gegenzug kaufen sie die Produkte, die der Bauer herstellt oder buchen Angebote wie beispielsweise eine Weinverkostung oder eine Alpaka-Wanderung. Wobei keine Kaufverpflichtung besteht.

Kein Aufwand

Die Bauern profitieren so von neuen Kunden und können die Reichweite für ihre Angebote erhöhen. Die Camper zahlen an das Start-up jährlich einen Mitgliedsbeitrag und erhalten dadurch Informationen und Kontakte zu sämtlichen Betrieben.

Für den Bauern hingegen ist es nicht nur kostenlos, er hat auch so gut wie keinen Aufwand. Er muss keine Infrastruktur (Strom, WC) zur Verfügung stellen und kann die Regeln (zum Beispiel: Ankunfts- und Abreisezeit) selbst bestimmen. Die einzige Voraussetzung: Der Betrieb muss nachhaltig sein.

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Rentiert sich das?

„Endlich gibt es das Konzept in Österreich auch. Es ist eine tolle Alternative zu Campingplätzen, vor allem jetzt, wo Camping im Trend liegt“, sagt Thomas Hadinger, der mit Freundin Regina und VW Bus zu Gast am Seebacherhof war und mit frischem Gemüse und Eierschwammerln nach Hause fuhr.

Ob sich das Konzept wirtschaftlich rentiert, können sowohl Bauer Seebacher als auch Gründer Leonard Röser noch nicht sagen, da das Start-up erst seit Juni dieses Jahres am Markt ist. Immerhin seien laut Röser zumindest schon 160 Betriebe mit an Bord – ein gutes Zeichen. Für Bauer Seebacher steht fest: „Landwirtschaft kann auch anders gemacht werden.“

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Klimawandel, die Macht des Handels und steigende Anforderungen an eine ressourcenschonende Produktion lässt den heimischen Bauern keine Wahl, neue Geschäftsmodelle auszuprobieren. Der Grüne Bericht 2020, herausgegeben vom Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BMLRT), zeigt die schwierige Situation. Die durchschnittlichen Einkünfte aus der Land- und Forstwirtschaft je Betrieb sind gegenüber 2018 von 28.035 auf 27.966 Euro gesunken.

Damit stagniert die Einkommensentwicklung in der Land- und Forstwirtschaft und liegt nun auf dem Niveau von 2016. Die bis dato letzte vorliegende Agrarstrukturerhebung aus dem Jahr 2016 (die aktuellste läuft gerade, Zahlen dazu werden erst 2021 veröffentlicht) weist für Österreich 162.018 land- und forstwirtschaftliche Betriebe aus. Seit dem Jahr 2010 ist damit die Betriebszahl um 6,5 Prozent zurückgegangen.

Zwei Strategien sind erfolgreich: sich als Gemischtbetrieb zu positionieren und sein Risiko damit breit zu verteilen. Wie es jene Landwirte tun, die beispielsweise auf eine Milchwirtschaft und gleichzeitig auf das Konzept „Urlaub am Bauernhof“ setzen. Die andere Strategie lautet: so viel Wertschöpfung wie möglich zu generieren.

Das gelingt, in dem der Landwirt den Zwischenhandel umgeht und vom Rohstoff bis zum Endprodukt alles selber macht – inklusive Direktvermarktung durch Onlineshops oder Ab-Hof-Verkäufen. „Landwirte, die 2019 auf Direktvermarktung gesetzt haben, verzeichnen sogar Umsatzzuwächse. Eine Verstärkung dieses Trends wird auch für 2020 erwartet“, heißt es dazu aus dem Landwirtschaftsministerium.

Reis aus der Steiermark

Ewald Fröhlich setzt auch auf Direktvermarktung. Der Bauer pflanzte früher Käferbohnen an. Durch den Klimawandel wurde es den Bohnen in den letzten Jahren zu warm. Die Hälfte der Erträge blieb aus. „Ich war aber schon immer offen für Neues. Als ich gesehen habe, dass ein Schweizer auf nahezu derselben Seehöhe Reis anpflanzt, dachte ich mir, wenn das bei dem geht, funktioniert das in der Steiermark schon lange“, sagt Fröhlich und fing parallel zu den Käferbohnen an, Reis auszusäen.

Die ersten zwei Jahre waren hart, sie brachten nur eine bescheidene Ernte. Viele Anbauversuche waren nötig. „Der Reis ist eine Diva“, so Fröhlich. Mittlerweile hat er die Diva gut im Griff und seit 2016 den Ertrag verdreifacht. Seit vergangenem Jahr hat er sich auch noch die südamerikanische Schwester hinzugeholt: Quinoa. „Man muss Veränderungen annehmen und neue Wege gehen“, sagt Fröhlich.

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Ewald Fröhlich ist nicht der Einzige, der in Österreich Reis anbaut und er ist nicht der Letzte, der beim Anbau umgestiegen ist. Wassermelonen, Pfeffer, Kaffee, Süßkartoffeln, Kurkuma: Heimische Bauern setzen auf exotisches Obst und Gemüse, um sich einen wirtschaftlichen Vorteil zu erhoffen.

Beim Anbau von Exoten sind es noch weniger als 100 Betriebe in Österreich, die diesen Schritt wagen. Die Tendenz ist aber steigend. Wie man auch am Beispiel vom Reis sehen kann: Im Jahr 2016 betrug die Anbaufläche 10,6 ha; im Jahr 2020 bereits 167,5 ha.

Drohneneinsatz

Auf exotisches Obst oder Gemüse setzt Michael Treiblmeier nicht, dafür auf die Technik. Im Jahr 2006 hat er den Ackerbau und Schweinebetrieb seiner Eltern übernommen. Schon während seines Studiums an der Universität der Bodenkultur begeisterte sich der Oberösterreicher für Drohnen und die Digitalisierung in der Landwirtschaft.

2014 folgte dann der erste Drohneneinsatz am Feld. „Die Drohne ist mit Spezialsensoren ausgestattet. Sie misst einerseits die Kraft der Sonne und andererseits die Lichtmenge, welche die Pflanzen am Feld aufnehmen. So kann der Zustand der Pflanzen und des Bodens ermittelt werden“, sagt Treiblmeier.

Mit der Drohne ist es auch möglich, einzelne Pflanzen wie spezielle Unkräuter aufzuspüren. Außerdem düngt man dank Technik nur nach Bedarf und an den Stellen, an denen die Pflanzen Nährstoffe brauchen.

Auch in der Schadenserhebung nach Sturmschäden oder Überflutungen ist die Drohne ein sinnvolles Werkzeug. „Im Endeffekt lässt sich mit den Informationen aus Drohnen effizienter wirtschaften“, sagt Treiblmeier.

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Die Landwirtschaft wird smarter. Laut Keyquest-Umfrage aus dem Jahr 2016 nutzen sechs Prozent der Landwirte eine GPS-gesteuerte Bewirtschaftung der Felder (13 Prozent der Ackerfläche). Der Anteil ist bei jüngere Betriebsleitern und größeren Betrieben höher und im Steigen begriffen, da 17 Prozent der Befragten eine Anschaffung in Erwägung ziehen.

Zudem wächst der Anteil der Nutzung neuer Technologien in der Tierhaltung stärker als im Ackerbau. Vor allem automatisierte Melk- und Fütterungssysteme sowie Tierbeobachtungssysteme werden eingesetzt und nachgefragt.

Auch der Drohneneinsatz nimmt zu, wobei aber wegen der Kosten und des Auswertungsaufwands nur wenige Betriebe über eine eigene Drohne verfügen. Aus dem Grund hat sich Treiblmeier 2018 neben seinem landwirtschaftlichen Betrieb ein zweites Standbein aufgebaut.

In seinem Ingenieurbüro bietet er Drohnenanalysen für Landwirte und Unternehmen an. „Die Digitalisierung birgt in der Landwirtschaft viel Potenzial. Aber die Komplexität und vielfältigen Möglichkeiten dieser neuen Technologien müssen erst auf die Anforderungen der Landwirte heruntergebrochen werden“, sagt Treiblmeier. Außerdem brauche es Zeit, sich in die Thematik einzulernen.

Zeit ist generell das Stichwort, wenn der Bauer neue Wege geht. Es braucht Zeit, sich auf etwas Neues einzulassen und Zeit, bis die Innovationen Früchte tragen. Bauer Fröhlichs Antwort darauf: „Man muss eben flexibel sein.“