Karriere an der Uni: Wo sind die festen Stellen?
Von Ornella Wächter
Die Promotion ist bald abgehakt. Aber der Weg, irgendwann als Professor oder Professorin in einem Hörsaal zu stehen, ist ein langer. Denn wer sich nach Abschluss seiner Doktorarbeit für eine Karriere in der Wissenschaft entscheidet, muss sich oft jahrelang mit befristeten Arbeitsverträgen über Wasser halten.
Laut einer Erhebung der Arbeiterkammer Wien (AK) aus dem Vorjahr waren 49 Prozent des wissenschaftlichen Personals an Wiener Universitäten in einem befristeten Arbeitsverhältnis. Österreichweit waren einem Uni-Bericht des Ministeriums zufolge 67,5 Prozent der Postdocs, also Mitarbeiter mit bereits absolvierter Doktorausbildung, befristet beschäftigt. Auch in Deutschland sind laut der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), neun von zehn der Arbeitsverträge befristet.
Ein Grund für die Befristung ist zum einen die Finanzierungsquelle. Viele Stellen werden nicht über das Globalbudget der Uni finanziert, sondern über sogenannte Drittmittel – private Gelder aus denen Unis ihre Forschungen bezahlen müssen. Nach einer bestimmten Laufzeit endet das geförderte Projekt. Dann wird entweder verlängert oder man stellt einen Antrag für eine neue Forschung und hofft eine Bewilligung.
Befristungen sollen Austausch fördern
„Da Forschungsprojekte oft eine Laufzeit von zwei bis drei Jahren haben, wird nicht darüber hinaus angestellt“, erklärt Wolfgang Meixner, Vizerektor an der Universität Innsbruck und Vorsitzender des Forums Personal im Dachverband der Universitäten (uniko). „Dafür gibt es an den Unis zu wenige Stellen.“
Befristungen sollen den internationalen Austausch fördern und Stellen für den Nachwuchs freihalten. „Innovation entsteht durch Wettbewerb und Konkurrenz.“ Forscher, die man sich kompetitiv über Fördergelder hole, würden diese Innovation garantieren, so der Vizerektor. Fixe Verträge gibt es nur auf höheren Ebenen. „Die Entfristung als Professor ist die Karotte vor der Nase, die Leistung bringt. So denkt man an der Uni“, erklärt Meixner.
Arbeiterkammer fordert Abschaffung der Kettenverträge
Die Kettenarbeitsverträge die laut Universitätsgesetz (siehe Infobox am Ende) an Hochschulen erlaubt sind, hatten bereits öfter für Kritik gesorgt. Aufgrund der unsicheren Karriereperspektiven, fordert die AK seit Jahren deren Abschaffung. Sie würden langfristige Karriereplanung unmöglich machen und seien mit Privat- und Familienleben oft unvereinbar.
Mehr als die Hälfte des wissenschaftlichen Personals fühlt sich durch die prekären Arbeitsverhältnisse belastet, hinzu kommt Zeitdruck und Stress, belegte 2018 eine Studie der AK. Das Thema kochte im März 2019 wieder hoch, als der Fall einer Forscherin beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) landete: die Chemikerin arbeitete knapp zwölf Jahre als Forscherin an einer österreichischen Uni. Seit 2002 war die heute 54-Jährige dort tätig, Jahr für Jahr wurde ihr Vertrag verlängert. Nach zwölf Jahren hieß es laut AK: Es sei kein Geld mehr da. Seither sei die Forscherin auf Arbeitssuche.
Andere wiederum haben Glück. Wie verschieden sich wissenschaftliche Karrieren entwickeln können, zeigen die folgenden zwei Porträts.
„Trotz all der Befristungen hatte ich immer ein Ziel“
Christian Zafiu (38) dachte nie von Projekt zu Projekt, sondern daran, irgendwann Professor zu werden
„In der Wissenschaft läuft es ja so, dass man eine Frage stellt, aber die Antwort darauf nicht vollständig ist, sondern wieder zu einer neuen Frage führt und das hat mich schon immer fasziniert“, erzählt Christian Zafiu, Universitätsassistent am Institut für Abfallwirtschaft an der Universität für Bodenkultur in Wien (Boku) und promovierter Chemiker.
Sich konstant mit Wissenslücken zu beschäftigen, sei das Wesen des Wissenschaftlers, findet Zafiu. Und so war er auch bereit, sich möglichen Vertragslücken in seiner Karriere zu stellen. Vor der Geburt seiner Tochter im Oktober 2015 war Zafiu damit beschäftigt, sich von Projekt zu Projekt zu hangeln, nicht 100-prozentig zu wissen, ob er einen neuen Vertrag bekommt und seine Stelle weiterhin finanziert bleibt.
Forschungen, Fachkonferenzen, Vorträge
Für seinen Traum, in der Wissenschaft Fuß zu fassen und vielleicht einmal Professor zu werden, beteiligte er sich an zahlreichen Forschungen, besuchte Fachkonferenzen, hielt Vorträge, netzwerkte. Seine unregelmäßige Laufbahn mit der Karriere seiner Frau zu koordinieren – sie hatte eine leitende Position im Marketing – war nicht immer einfach.
Er bewarb sich auch für Projekte im Ausland, war ein halbes Jahr in Japan und zog später aufgrund eines Angebots des Forschungszentrums Jülich nach Deutschland, wo er sich mit Alzheimerforschung beschäftigte. Seine Frau gab ihren Job auf und zog mit ihrer gemeinsamen Tochter zu ihm. „Ich habe ihr viel zu verdanken.“
11 Verträge in sieben Jahren
In Summe hatte er elf Vollzeit-Verträge, bei manchen Verträgen lag seine Verwendung oft zwischen zwei und drei Projekten gleichzeitig. Seine Ausdauer machte sich am Ende bezahlt. Nach sieben Jahren in der Projektschleife bekam er im November 2018 eine Vollzeitstelle als Universitätsassistent an der Boku.
Nun hält er drei Vorlesungen, forscht und wirkt im Jahr an bis zu sieben Publikationen mit. Die Stelle ist befristet – allerdings auf sechs Jahre. Zeit genug, um Punkte für seine Habilitation zu sammeln.
„Ich hatte Glück, ich war nie befristet angestellt“
Bernadette Kamleitner (40) wurde mit 33 Professorin und ist Leiterin des Marketing-Instituts der WU
Was viele erst mit über 40 Jahren erreichen, gelang Bernadette Kamleitner mit 33– im Juli 2012 wurde sie Professorin am Institut für Marketing an der Wirtschaftsuni in Wien an. Bevor sie ihren Dienst antreten konnte, vergingen allerdings Jahre. Kurz vor ihrem 30. Geburtstag hatte sie die Bewerbung abgeschickt, die Einladung zum Bewerbungsgespräch kam ein Jahr später, erst nach zwei weiteren Jahren bekam sie grünes Licht.
Für Kamleitner war die Professur eine Rückkehr an ihren Studienort. Nach ihrer Promotion ging sie für mehrere Jahre nach England, lehrte und forschte an der Queen Mary und Birkbeck University of London, mit Abstechern nach Australien und den USA. Der Entschluss, ins Ausland zu gehen, habe ihrer Karriere gutgetan, ist die Professorin überzeugt.
„In der Wissenschaft muss man bereit sein, sich international zu orientieren. Eine gewisse Flexibilität kann den Unterschied machen.“ Dass eine Beziehung dadurch zur Wochenendbeziehung wird und die Vereinbarkeit der Karrierestufen mit dem Privatleben zur Herausforderung wird, würde viele abschrecken.
In die Wissenschaft "hineingeschlittert"
„Natürlich kommt irgendwann das Leben dazwischen. Anfangs hat man vielleicht noch keine Beziehung, man ist offen für die Welt. Später kommt die große Liebe, es kommen Kinder und der Wunsch nach Stabilität steigt.“
Über ihre Karriere sagt Kamleitner, dass sie schon sehr viel Glück gehabt habe. Sie hatte immer eine fixe Stelle an der Uni, ein sicheres Einkommen und keine Kettenverträge. In die Wissenschaft sei sie vielmehr „hineingeschlittert.“ Ihr Betreuer habe sie überredet, ein Tutorium zu leiten. Das legte die Weichen für die Wissenschaft.
Am Ende hatte Kamleitner einen Doktor in Psychologie und in Handelswissenschaften. Heute, als Professorin, sorge sie selbst für gutes Klima unter den Dissertanten. „Damit nach Vertragsende keine Konkurrenz entsteht, fangen nie zwei gleichzeitig an.“
Paragraf 109 im Universitätsgesetz
An der Uni sind mehrere befristete Arbeitsverträge hintereinander zulässig: bei Vollzeit bis zu sechs, bei Teilzeitkräften bis zu acht Jahre. Ist ein Projekt nicht abgeschlossen, kann ein Vertrag auf maximal zwölf Jahre verlängert werden.
Die EU-Kommission verkündete im März, dass sie diese Kettenvertrags- regelung, u.a. im Rahmen von Drittmittel-Projekten, für rechtswidrig hält. Auslöser war der Fall der Chemikerin. Da hier der Schlussantrag des EuGH noch aussteht, will das Wissenschaftsministerium in Österreich mit einer Begutachtung der Universitäts- gesetz-Novelle (UG) bis Ende 2019 abwarten.