Frauen in der Chefetage: Was die Quote bewirkt
Werden die Zeiten härter, ist auch schon wieder Schluss mit der Gleichstellung in der Chefetage. Karrieretechnisch nutzt die Corona-Pandemie jedenfalls den Männern mehr als den Frauen. Denn Homeoffice bedeutet für Tausende Frauen viel „Home“ und wenig „Office“.
Ganz besonders für Mütter, die sich um Kinder und Haushalt kümmern, während die Männer eilig ins Büro zurückkehren oder bei Videokonferenzen karriereförderlich auf sich aufmerksam machen.
Laut Mixed Leadership Monitor der Beratungsgesellschaft EY wurden heuer in den börsenotierten heimischen Unternehmen neun zusätzliche Männer aufgenommen, aber keine einzige Frau. Der – ohnehin magere – Anteil der weiblichen Vorstände sank somit von 7,7 auf 7,3 Prozent. Das sind von 191 Vorständen 14 Frauen.
Einsame Spitze
Nach wie vor ist in 45 von 58 Börsefirmen keine einzige Frau im Top-Führungsgremium vertreten (Stand 1. August 2020). Nur drei Frauen stehen ganz oben: Elisabeth Stadler als Vorstandsvorsitzende bei der Vienna Insurance Group, Herta Stockbauer bei der BKS Bank und Karin Trimmel beim Kräuterlikörhersteller Gurktaler.
„Wenn die Zahl der Frauen weiter im Tempo der vergangenen Jahre von unter einem Prozentpunkt steigt, wird es bis 2073 dauern, bis in den Vorständen 50 Prozent Frauen und 50 Prozent Männer sitzen“, errechnete EY-Partnerin Helen Pelzmann. Die Börsenfirmen-Statistik zeichnet jedoch kein vollständiges Bild.
„Ich bin für freiwillige Verantwortung statt gesetzlicher Verpflichtung. Frauen wollen wegen ihrer Fähigkeiten und ihrer Kompetenz in Chefpositionen kommen und nicht, weil sie Frauen sind.“
Generaldirektorin VIG
So ist etwa seit Jahresbeginn Gerda Holzinger-Burgstaller Chefin der Erste Bank Österreich, Stefanie Christina Huber ist Vorstandsdirektorin bei der Sparkasse Oberösterreich und Helga Freund Vorstandschefin bei der Verkehrsbüro Gruppe, um drei Beispiele von größeren Unternehmen zu nennen.
Keine Frauen im Vorstand sind laut Pelzmann „ein starkes Indiz dafür, dass es im Unternehmen Aufstiegshindernisse gibt und Tradition anstatt Wandel, Aufbruch und Fortschritt gelebt wird“.
„Die Quote bei AufsichtsrätInnen wirkt, daher sollte man auch bei den Vorständen diesen Schritt gehen. Wir müssen endlich handeln, denn es gibt genug talentierte und gut ausgebildete, erfahrene Frauen.“
Meinungsforscherin
Firmen würden die „hohe Symbolkraft weiblicher Führungskräfte“ verkennen, meint Pelzmann. Dies gelte nicht nur in Hinblick auf junge weibliche Nachwuchskräfte, sondern für die junge Generation insgesamt, der Diversität wichtig sei.
Quotenpflicht wirkt
Hier auf freiwillige Selbsterkenntnis der Firmenvertreter zu hoffen, ist keine Option, zeigen Vergleichsstudien. Nur eine gesetzliche Quotenpflicht zieht den Frauenanteil in Führungsgremien nach oben.
So untersuchte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), wie sich die Diversität in den Vorständen großer Unternehmen seit dem Jahr 2003 in europäischen Ländern entwickelte.
Quote im öffentlichen Bereich Ja, in privaten Firmen Nein. Egal ob es sinnvoll wäre oder nicht, ich halte eine solche Regelung für verfassungswidrig, da sie zu weit in die unternehmerische Freiheit eingreifen würde.“
AMS-Chef
Damals führte Norwegen als erstes Land eine verpflichtende Geschlechterquote mit harten Sanktionen ein. Seither hat sich der Frauenanteil in Norwegen von 20 auf 41 Prozent mehr als verdoppelt. Ähnliche Ergebnisse haben Frankreich, Belgien und Italien mit gesetzlichen Vorgaben erreicht. In dieser Gruppe von Ländern ist der Frauenanteil im selben Zeitraum von acht Prozent auf 39 Prozent angestiegen.
Empfehlung zu wenig
Nur sehr moderate Auswirkungen gab es hingegen in Ländern, die Unternehmen nur Empfehlungen zur Diversität im Vorstand geben oder gar keine Vorgaben machen. Hier liegt der Frauenanteil durchwegs unter 30 bzw. sogar 20 Prozent.
„Jede Geschlechterquote ist besser als keine Geschlechterquote. Wenn es eine Regierung wirklich ernst meint mit der Gleichstellung, muss es harte Sanktionen für den Fall der Nichterfüllung der Quote geben“, sagt DIW-Studienautorin Katharina Wrohlich.
„Von mir gibt es ein Nein zur Quote. Denn börsennotierte Unternehmen sind sich des Mehrwerts von Frauen im Vorstand mittlerweile sehr bewusst.“
Geschäftsführerin FFG
In Österreich gilt seit 2018 eine gesetzliche 30-Prozent-Geschlechterquote für alle Neubestellungen in den Aufsichtsräten von Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und einem Frauenanteil von mindestens 20 Prozent in der Belegschaft. Seither steigt der Frauenanteil langsam aber kontinuierlich.
Bei den Börsenfirmen stieg er zuletzt von 26,2 auf 27,3 Prozent. Trotz Regelung erfüllt jedoch noch fast jedes vierte Unternehmen die Quote nicht. Die Sanktionen, wie der leere Stuhl im Aufsichtsrat, sind eher symbolischer Natur.
Keine Diskussion zur Quote
Eine gesetzliche Quotenregelung auch für Vorstände wie in Deutschland, steht in Österreich derzeit nicht zur Debatte – vor allem Wirtschaftsvertreter sehen darin einen (zu) starken Eingriff in die unternehmerische Entscheidung und bremsen daher. Auch nur wenige weibliche Führungskräfte setzen sich öffentlich für eine Quotenpflicht ein.
„Ich befürworte die Quote, auch wenn sie in Vorstandsetagen schwerer umzusetzen ist. Sie kann nur ab fünf Vorstandsmitgliedern sinnvollerweise formuliert werden und es braucht auch gewisse Anpassungszeiträume.“
Vorstandsvorsitzende BKS Bank
Eine Befürworterin ist BKS-Chefin Herta Stockbauer. Vienna-Insurance-Group-Generaldirektorin Elisabeth Stadler spricht sich hingegen eher für Freiwilligkeit aus. „Frauen wollen wegen ihrer Fähigkeiten und ihrer Kompetenz in Chefpositionen kommen und nicht, weil sie Frauen sind“.
Fragt sich nur, warum es dann trotz Kompetenz so wenige ganz nach oben schaffen. Vielleicht weil Männer Führungspositionen lieber mit „durchschnittlichen Männern“ besetzen und hochqualifizierte Frauen „brach liegen lassen“, wie Autor Bernhard Heinzlmaier anmerkt. Die Quote könnte ein Umdenken bewirken.