Wirtschaft/Karriere

Fokus im Job: „Arbeit ist kein Sprint, sondern ein Marathon“

Die Frage, wie lange ein Arbeitstag dauern sollte, ist alt und gleichzeitig ein gesellschaftlicher Dauerbrenner. In Österreich bekam sie mit der Ausdehnung der maximalen täglichen Arbeitszeit auf zwölf und der maximalen Wochenarbeitszeit auf 60 Stunden wieder Aktualität.

Zudem tauchen immer wieder Studien auf, die im krassen Gegensatz zu dieser Reform stehen, da sie schon das altbewährte 40-Stunden-Modell infrage stellen. So zeigt beispielsweise eine Studie der Universität Melbourne, dass bereits ab einer Arbeitszeit von 25 Stunden pro Woche die kognitiven Fähigkeiten nachlassen.

18-Stunden Arbeitstage bis 1869

In Österreich geht das Gesetz von einer Normalarbeitszeit von acht Stunden pro Tag bzw. 40 Stunden pro Woche aus. Viele Kollektivverträge sehen jedoch 38,5 Wochenstunden vor. Und damit arbeiten wir historisch und statistisch betrachtet so wenig wie noch nie (siehe Grafiken im Verlauf).

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Eine Erhebung der niederösterreichischen Handelskammer zeigt, dass bis 1869 zwölf- bis vierzehnstündige Arbeit am Tag normal war – Brauereiarbeiter buckelten sogar bis zu 18 Stunden am Tag.

Im Zuge der Industrialisierung und der sich zuspitzenden sozialen Frage, wurde die Verkürzung der Arbeitszeit zu einer Kernaufgabe der Arbeiterbewegung.

Interessanterweise wurden schon damals in erster Linie Gesundheitsaspekte als Argumente angeführt. „Bei achtstündiger Arbeit wird der Körper mehr geschont und das Leben des Arbeiters verlängert“, heißt es etwa in der Festschrift zum Ersten Mai 1890.

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Österreicher für 36-Stunden-Woche

Sind 40 Stunden nun die optimale Arbeitszeit? Eine kürzlich veröffentliche Erhebung der Arbeiterkammer (AK) zeigt, dass die meisten Österreicher und Österreicherinnen 36 Stunden pro Woche ideal fänden. Pro Tag wären das etwas mehr als sieben Stunden Arbeit. Doch der Haken ist woanders:

Nach Einschätzung der meisten Wissenschaftler können wir uns nicht mehr als sechs Stunden am Stück konzentrieren. „Das ist auch der Grund, warum unser Arbeitszeitgesetz nach sechs Stunden eine Pause von einer halben Stunde vorschreibt“, sagt Arbeits- und Gesundheitspsychologin Barbara Haider-Novak.

Von Neurologe Wolfgang Lalouschek wird das sogar unterboten: „Geht es um hochqualitative Tätigkeiten, die volle Aufmerksamkeit erfordern, können wir nicht mehr als drei Stunden konzentriert arbeiten.“

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44 Prozent klagen über Unterbrechungen

Mit Normalfall meint der Hirnforscher, dass sich der Mensch in dieser Zeitspanne auf eine Aufgabe konzentriert. Der Regelfall schaut oft anders aus. In einem deutschen Stressreport gaben 44 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland an, während der Arbeit ständig unterbrochen zu werden. Von eMails, Telefonaten, Kollegen oder Meetings.

Ist die Konzentration einmal dahin, hat das auch Auswirkungen auf die Produktivität, die auch mit Überstunden nicht ausgeglichen werden kann. Spätestens ab der achten Arbeitsstunde unterlaufen Fehler, sinkt die Produktivität und ab der zehnten Arbeitsstunde macht sich ein eindeutiger Leistungsknick bemerkbar, das Unfallrisiko erhöht sich drastisch, zeigte eine Studie des Zentrums für Public Health in Wien 2017.

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Permanente Erreichbarkeit führt zu gefühlt mehr Arbeit

„Ungestört an einer Sache arbeiten zu können, ist schwierig geworden. Zudem führt die permanente Erreichbarkeit heutzutage zu gefühlt längeren Arbeitszeiten. Und diese sind häufig auch selbst auferlegt“, so Haider-Novak. Man wir selten vom Arbeitgeber gezwungen, sein berufliches Postfach um 21 Uhr zu checken. “

Ebenso sollte man sich abgewöhnen, seine eMails noch vor Arbeitsbeginn zu lesen. „Damit werden unterbewusst alle Baustellen geöffnet, die Konzentration auf eine Tätigkeit wird erschwert. Die unerledigten Aufgaben werden in unseren geistigen Arbeitsspeicher geschickt, es wird nicht mehr zwischen wichtig und unwichtig unterschieden.

Wer sich mit seiner Arbeit identifiziert, konzentriert sich auch besser. Gleichzeitig steigt die Tendenz, sich zu verausgaben.

Wolfgang Lalouschek
Neurologe

Von diesem Zustand kommt man schwer wieder weg“, erklärt der Neurologe. Das Hin und Her zwischen verschiedenen Aufgaben laugt aus: „Es frisst bis zu 40 Prozent unseres geistigen Arbeitsspeichers.“ Wir werden nicht schneller und effizienter, sondern langsamer und fehleranfälliger. Auch das sei hirnphysiologisch ungünstig, so der Neurologe, denn nur bei Erfolgserlebnissen werden Glückshormone ausgeschüttet.

Wie lange man sich konzentrieren kann, hängt aber von mehreren Faktoren ab. Von der Umgebung, von der Tagesverfassung, von der Tätigkeit und, wie sehr einem die Arbeit gefällt. „Wer sich mit seiner Arbeit identifiziert, konzentriert sich auch besser. Gleichzeitig steigt die Tendenz, sich zu verausgaben“, warnt der Neurologe. „Wir brauchen ein gesundes Maß an Distanz. Denn unser Arbeitsleben ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“