Ohne Öl und Gas: Zwei Betriebe, die ihre Produktion energieautark schaffen
Hohe Energiekosten, Rohstoffmangel und die Sorge ums Gas: Viele heimische Betriebe blicken beunruhigt in die Zukunft. „Bei einigen Unternehmen haben sich die Gesamtkosten aufgrund der stark erhöhten Energiepreise bereits um 50 Prozent erhöht. Betriebe sind mittlerweile gezwungen, Produktionen zu drosseln oder stehen vor hohen Pönalzahlungen, weil es unmöglich ist, Lieferverträge einzuhalten“, warnt Maximilian Oberhumer von der Wirtschaftskammer Steiermark, Obmann der Industriesparte. Die aktuelle Weltlage treibt die Preise für Energie und behindert die Lieferketten: „Der Krieg in der Ukraine verschärft die Problematik rasanter Energiepreissteigerungen, der Rohstoffknappheit und brüchiger Lieferketten zusätzlich“, sagt Maximilian Oberhumer weiter.
Dass die Lage ernst ist, bestätigen aktuelle Zahlen der E-Control zur Energieversorgung. Demnach kommen vierzig Prozent des Gases für Europa aktuell aus Russland. Österreich ist sogar zu achtzig Prozent von russischen Gaslieferungen abhängig.
Zwei Energie-Pioniere
Momentan kann von Energieunabhängigkeit also keine Rede sein. Doch nicht jedes Unternehmen ist von dieser Problematik gleich stark betroffen. Der heimische Teigwarenhersteller Wolf Nudeln mit Sitz in Güssing setzt bereits seit 2010 auf eine eigene Biogasanlage und versorgt sich damit energetisch zu hundert Prozent selbst. Der wirtschaftliche Vorteil stand dabei nie im Vordergrund : „Es ging mir vor allem um die Umwelt und die Verwertung des Abfalls“, erklärt Joachim Wolf, Chef des Familienunternehmens in vierter Generation.
Auch beim Kosmetik-Hersteller Ringana aus Hartberg ist Nachhaltigkeit mehr als ein Schlagwort. Der steirische Betrieb produziert den Großteil seines Energiebedarfs selbst. Hier setzt man auf Geothermie, Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen. „Die gestiegenen Energiepreise spüren wir trotzdem“, sagt Ringana-Prokurist Michael Wannemacher. „Aber es trifft uns durch unser Energiekonzept nicht so stark wie andere.“ Von ihren innovativen Konzepten profitieren derzeit also beide Unternehmen. Der KURIER war vor Ort und blickt hinter die Kulissen.
"Hühner produzieren unsere Energie"
Wenn Joachim Wolf etwas anpackt, dann getreu dem Motto: Ganz oder gar nicht. „Ich war schon immer ein Idealist“, sagt der 60-Jährige von sich. Dementsprechend früh hat Wolf im Familienunternehmen, das er in vierter Generation führt, zahlreiche Umweltinitiativen gestartet. Wolf Nudeln waren weltweit die ersten Teigwarenproduzenten, die ihre Erzeugnisse in Papier verpackten. Seit 2010 setzt der Betrieb auf eine eigene Biogasanlage und auch das Futter für die Hühner wird vor Ort angebaut. Das Umweltbewusstsein dafür wurde ihm quasi in die Wiege gelegt: „Mein Vater hat nie etwas weggeworfen, bei uns wurde alles verwertet.“ Wolf Nudeln gibt es bereits seit 1956. Seither ist das burgenländische Nudelunternehmen vor allem für seine legendären Goldfaden Suppennudeln bekannt. Die Eier für ihre Herstellung kommen aus vier großen Hühnerställen, in denen nicht weniger als 30.000 Hennen gehalten werden.
Wolf setzt auf Biogas
Seit 2010 ist der Güssinger Nudelhersteller zu hundert Prozent energieautark, also unabhängig von externem Gas. Wie das funktioniert? Ein Energiekreislauf mit eigenem Hühnerstall und eigener Biogasanlage macht’s möglich. Darauf ist Joachim Wolf besonders stolz. Beim KURIER-Besuch erzählt er: „Wir versorgen uns energetisch komplett selbst. Den Mais für die Hühner bauen wir am eigenen Feld an, genauso wie Grünschnittroggen und Hirse. Wenn der Mais geerntet wird, und die Hühner ihn gefressen haben, verwenden wir den Hühnerkot gemeinsam mit den Resten der Fruchtfolge für die Biogasanlage.“ Durch Fermentation entsteht daraus Methangas – dieses wird in einen Motor geleitet, der an einen Generator gekoppelt ist. Dieser Generator produziert schließlich den Strom. Damit nicht genug: „Die Abwärme des Motors verwenden wir als Prozesswärme für die Nudeltrocknung. Wir nutzen also die ganze Wärme aus. Die Gülle aus der Biogasanlage wird nachher wieder auf den Feldern als Dünger eingesetzt. Es ist also wirklich ein kompletter Kreislauf.“
Viele Ziele für die Zukunft
Dass man bei Wolf Nudeln bereits 2010 auf die energieunabhängige Lösung gesetzt hat, macht sich derzeit besonders bezahlt: „Jetzt, mit der Gasknappheit kommt uns das natürlich zu Gute.“ Wolf überlässt aber sowieso nichts dem Zufall: „Wir haben einen Propangas-Backup-Kessel für den Notfall, sollte die Biogasanlage einmal ausfallen.“
Für den 60-jährigen Öko-Pionier aus Güssing ist in Sachen Nachhaltigkeit noch kein Ende in Sicht: „Einerseits möchten wir unser veganes Nudelsortiment weiter ausbauen und 90 Prozent unserer Produkte komplett auf Papierverpackungen umstellen.“ Ein großes Ziel ist außerdem eine eigene Photovoltaik-Anlage. Bisher wartet der Unternehmer aber noch vergeblich auf eine Genehmigung. Aufgeben ist für Wolf freilich keine Option.
Bei Ringana kommt die Energie aus dem Boden
Begonnen hat alles in den 90er Jahren mit einer Tube Zahnpasta, die der Sohn des späteren Ringana-Gründerpaars Ulla Wannemacher und Andreas Wilfinger aus dem Kindergarten mit nach Hause brachte. Ein Geschenk, das zum Nachdenken anregte, beinhaltete es doch eine Vielzahl an bedenklichen Inhaltsstoffen, die die Jungeltern ihrem Kind nicht zumuten wollten. Das geht auch anders, dachten sie und gründeten 1996 gemeinsam mit einem Expertenteam Ringana. Ihre Geschäftsidee: frische Kosmetik, die ohne unnötige Inhaltsstoffe auskommt.
Heute, 26 Jahre später, zählt das Unternehmen mehr als 400 Mitarbeiter und vertreibt seine Produkte über mehr als 70.000 Ringana-Partner weltweit. 2019 ist man in das neue, 12 Hektar große Headquarter-Areal im oststeirischen St. Johann in der Haide gezogen – mit eigener, hochtechnisierter Frischeproduktion und einer Tageskapazität von bis zu 30.000 Kilogramm. Rund 70 Millionen Euro hat die Eigentümerfamilie in das dreiteilige Gebäude investiert, nachhaltiges Energiekonzept inklusive. „Wir setzen am Campus auf 100 Prozent Strom als Energiequelle“, erzählt Prokurist Michael Wannemacher beim KURIER-Besuch. Und dieser wird zu einem guten Teil über die eigene Photovoltaikanlage auf den Gründächern selbst erzeugt. „Den Rest beziehen wir aus 100 Prozent Ökostrom.“
Wärmepumpen erzeugen Heißwasser für die Produktion
Außerdem schöpfen Wärmepumpen erneuerbare Energie aus dem Boden. Dazu wurden 162 Energiepfähle jeweils 120 Meter tief in den Boden gebohrt. Die aufbereitete Wärme und Kälte heizt und kühlt nicht nur den Campus, sondern kommt auch im Produktionsprozess zum Einsatz. Das Besondere daran: Mehrere hintereinander installierte Wärmepumpen erzeugen Heißwasser – und dieses wird als Prozesswärme verwendet. „Natürlich haben wir hier kein Nullenergiehaus. Aber mehr als ein Drittel des dafür benötigten Stroms können wir selbst produzieren. Das ist ein wirklich guter Wert“, ist Projektleiter Martin Krautgartner stolz.
Entschieden hat man sich für das von ATP-Architekten Ingenieure geplante Energiekonzept übrigens nicht ausschließlich aus ökonomischen Gründen. Im Gegenteil, die Eigentümerfamilie hat dafür große Investitionen in die Hand genommen, so Matin Krautgartner. „Allerdings war es für uns das einzige Konzept, das sich nachhaltig und grün umsetzen ließ und damit zu unserer Unternehmensphilosophie passt. Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass es die richtige Entscheidung war“, resümiert Wannemacher.